Mitten in Olching:Die Simsons und der Dodo

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Wer bremst, verliert: Zweikampf der Knatterbüchsen auf dem Grasbahnoval hinter dem Gutshof Graßlfing. (Foto: Günther Reger)

In Graßlfing huldigt ein Verein den real sozialistischen Knattermopeds. Nun könnte er bald ohne Grund und Boden dastehen und damit zum Beispiel fürs Artensterben werden.

Von Stefan Salger

Diese Marke ist leidgeprüft, aber Kult: Simson. Die im Volkseigenen Betrieb (VEB) Suhl produzierten DDR-Zweitakter, darunter auch die Schwalbe als Mega-Star, haben die Stürme der deutschen Wiedervereinigung irgendwie überstanden und knattern munter durch die Marktwirtschaft - als skurril-sympathisches Lebenszeichen des real existieren Sozialismus. Sogar in Graßlfing bieten eingeschworene Fans Viertaktern, Katalysatoren, Elektroantrieben und all diesem neumodischen Schnickschnack die Stirn. Bis heute. Und dann droht 32 Jahre nach der Wiedervereinigung doch noch der Kapitalismus grausam zuzuschlagen. Angelika Remmersperger, Schriftführerin der Simsonfreunde Graßlfing, spricht geknickt von einer Hiobsbotschaft. Den Zweiradjüngern kommen Grund und Boden und damit in gewisser Weise die Produktionsmittel abhanden: Zum Ende des Jahres wurde der Pachtvertrag für das Vereinsgelände in Graßlfing, zwischen Autobahn und Gutshof, gekündigt. Droht den Simsons im Landkreis also das Schicksal des Dodos? Der lebte bis ins 17. Jahrhundert auf der Insel Mauritius. Dann starb der flugunfähige Vogel aus, weil seine prächtigen Federn nicht zum Abheben taugten und er im Suppentopf der Zweibeiner landete. Es gibt Parallelen: auch Simson-Mopeds können nicht fliegen. Und während sich der Dodo von raffiniert vergorenen Früchten ernährte, zehren die Simsons bis heute von raffinierten Benzinprodukten - mit einem Schuss Motoröl als Mischgetränk gereicht. Ein schwacher Trost, dass das dicke Blech aus dem VEB als schwer verdaulich verschrien ist.

Allem Unbill zum Trotz wollen die Simsonfreunde nach dem bereits erfolgten Trainingsauftakt zumindest noch versuchen, am 16. und 17. Juli die beiden letzten Veranstaltungen über die Bühne zu bringen. Am Samstag das Simson- und Rasenmähertraktor-Rennen und am Sonntag das Oldtimer-Bulldog- Treffen. Vielleicht findet sich bis dahin ja doch noch jemand, der die archaischen Knattermopeds nicht als Minus fürs Öko-Image, sondern als Plus für den Kultstatus begreift und der rund um Graßlfing eine passende Fläche für einen gelegentlichen Rundkurs verpachten will. So könnte man ganz im Sinne des Artenschutzes doch noch aus den ins Verderben führenden Fußstapfen des Dodos herausfinden.

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