Eine Nierenkolik hat das geschafft, was all die Stürme der zurückliegenden Monate nicht vermochten: Sie hat Stefan Blasberg förmlich umgeworfen. So wie es aussieht, muss er die Sache selbst in den Griff bekommen. Der 45-Jährige ist das gewohnt. Luftlinie 8381 Kilometer von seiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck entfernt ist er in der Millionenstadt Salvador de Bahia an der Küste Brasiliens gestrandet. Hinter ihm liegt ein abenteuerlicher Segeltörn auf einem Einmaster. Vor ihm liegt der Rest der Welt.
Im Sommer startete er in Griechenland, einem Zickzackkurs durchs Mittelmeer folgte die Atlantiküberquerung. Er überstand meterhohe Brecher. Nun aber erwischte es Stefan Blasberg ausgerechnet, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Nach einer Odyssee durch überfüllte und überforderte Provinzkrankenhäuser hat er erkannt, dass die Therapie-Ratschläge und Genesungswünsche, die ihm seine um die Welt verstreuten Freunde via Internetblog schicken, eher helfen als Ärzte, die zwar die Hand aufhalten, sich aber kaum blicken lassen. Zur Seite steht dem gebürtigen Brucker auch sein guter Freund Aleko, der ihn auf der Reise in einem eigenen Segelboot begleitet.
Die Eltern fiebern daheim mit - tun können sie nichts
In einem adretten Häuschen am Wittelsbacherplatz in Fürstenfeldbruck fiebern Reni und Gert Blasberg mit. Die Eltern von Stefan wissen, dass sie nichts tun können. Aber sie wissen auch, dass ihr Sohn bisher alle Untiefen des Lebens gemeistert hat. Stefan Blasberg will einmal um die ganze Welt segeln. Viel Geld hat er nicht, dafür etwas weitaus Wertvolleres im Übermaß: Zeit. Und deshalb wird er sich auskurieren und dann über kurz oder lang seinen Weg fortsetzen Richtung Pazifik. Im Arbeitszimmer seiner Eltern steht ein beleuchteter Globus. Mit dem Finger fahren Reni und Gert Blasberg darauf die Reiseroute ab und erzählen vom großen Traum ihres Sohns. "Schon als kleiner Steppke, mit vier oder fünf Jahren, hat er gesagt: Ich segle mal um die Welt, ihr werdet es schon sehen", erinnert sich die Mutter.
1971 trat die ganze Familie erst einmal eine andere Reise an: Die Arbeit hatte den heute 71 Jahre alten Gert Blasberg aus Berlin nach Fürstenfeldbruck geführt. Stefan besuchte die Grundschule West und später eine Realschule im Landkreis Starnberg. Ihn und seine Schwester Anja zog es in die Ferne. Nach einem kurzen Intermezzo in Berlin reiste das damals um die 20 Jahre alte Geschwisterpaar nach Griechenland. Stefan verdiente sich den Lebensunterhalt mit dem Ausbau von Häusern. In einem davon wohnte er im Badeort Milina, hundert Kilometer nördlich von Athen, im Gegenzug mietfrei. Auch als seine Schwester nach sieben Jahren nach Deutschland zurückkehrte, blieb Stefan dort - mittlerweile lebt er seit 25 Jahren in Griechenland. In den Wintermonaten kommt er aber meistens nach Fürstenfeldbruck, um sich Geld für sein freies Leben am Meer zu verdienen.
Vor einigen Jahren segelten die Eltern selbst mit - gemeinsam mit Stefan (sitzend) und einigen Freunden ging es durch die Ägäis.
(Foto: oh)Stefan ist früher häufig mit der Jolle der Familie auf dem Wörthsee gesegelt. "Wahrscheinlich hat er damals schon Blut geleckt", vermutet sein Vater. Irgendwann jedenfalls kauft er dieses marode Kajüt-Segelboot: die Abraxas. Er entkernt sie, baut sie völlig neu auf und startet immer mal wieder mit der Yacht für drei oder vier Wochen in die Ägäis. 2013 kommt er bis Kreta. Dann trifft er gemeinsam mit seinem guten griechischen Freund Aleko die Entscheidung, den lange gehegten Traum in die Realität umzusetzen. Auch Aleko ist ein richtiger Segelnarr und hat einen betagten Einmaster: die Beduin, Baujahr 1964. Anfang August legen sie ab und lassen sich vom Wind forttragen.
Heftiger Gegenwind, riesige Wellen, gefährliche Frachtcontainer
Es geht südlich um den Pelopones nach Malta und Gozo, weiter nach Linosa, nördlich der Flüchtlingsinsel Lampedusa, dann vom tunesischen Monastir quer übers Mittelmeer nach Mallorca. Sieben Tage und Nächte dauert diese Überfahrt, die erste anstrengende Etappe. Den beiden Reisenden schlägt ein ordentlicher Wind entgegen. Und wegen der viel befahrenen Schifffahrtsroute und verlorenen, kaum sichtbar im Wasser treibenden Frachtcontainern wagen sie kaum zu schlafen. In Ibiza nimmt Stefan einen Freund aus Jugendtagen an Bord, auch Aleko hat einen Passagier auf Zeit - bis zum spanischen Malaga.
Nach zwei Monaten erreichen sie Marokko. Erstmals müssen Stefan und Aleko Lehrgeld bezahlen. Eigentlich wollten sie "einen langen Schlag bis nach Rabatt segeln". Heftiger Gegenwind und riesige Wellen lassen sie erkennen, dass sie mit ihren Nussschalen gegen die Naturgewalten nichts ausrichten können. In einem kleinen Fischernest müssen sie geschlagene acht Tage ausharren, denn Westwind, Tiden und Strömungen lassen den Hafen zur Mausefalle werden.