Gröbenzell:Stoffpuppen, die Halt geben

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Vor allem mit Nadel und Faden sowie Schere arbeitet Alla Filiuk. Zwei bis fünf Stunden dauert es, bis eine Puppe fertig ist. (Foto: Günther Reger)

Die Psychologin Alla Filiuk setzt in der Therapie von Kindern auf besondere Hilfsmittel. Nach ihrer Flucht aus der Ukraine sind die handgenähten Figuren aber auch für sie selbst wichtig.

Von Stefan Salger, Gröbenzell

Am Freitagnachmittag sitzt Alla Filiuk mit Ariane Zuber im Wohnzimmer. Auf dem Tisch liegt kunterbunt ein gutes Dutzend Stoffpuppen. Aus dem dazu passenden Alter sind die Ukrainerin und die Vorsitzende der Gröbenzeller Bund-Naturschutz-Ortsgruppe natürlich längst raus. Die Puppen sind denn auch viel mehr als Spielzeug, sie sind Therapiehelfer. Die 42 Jahre alte Frau mit den langen schwarzen Haaren, die mit ihrem neun Jahre alten Sohn Mitte März aus der Stadt Lutsk im Nordwesten der Ukraine nach Gröbenzell gekommen ist, wird an diesem Samstag im örtlichen Repair-Café zeigen, wie man solche Puppen in Handarbeit fertigt und auf Wunsch erklären, was man damit bewirken kann. Deswegen der Besuch am Vortrag bei Ariane Zuber, die für das Repair-Café immer auf der Suche ist nach "Leuten mit tollen Fähigkeiten" und Filiuk für dieses "Gastspiel" gewinnen konnte.

Mutter, Vater, Kinder: Eine ganze Familie hat die Psychologin unter einem Herz zusammengefasst. Eine heile Welt, die ihr selbst verwehrt wird - sie ist getrennt von ihrem Mann und ihrer Mutter, die sie in der Ukraine zurücklassen musste. (Foto: Günther Reger)

Alla Filiuks Augen leuchten, wenn sie ihre Arbeit vorführt und erklärt, worauf es dabei ankommt. Sie ist studierte Psychologin und setzte die Puppen jahrelang vor allem in der Arbeit mit Kindern ein. Sie sind aus weichem Material wie Textilien, Wolle, Watte und Schaumstoff gefertigt, die meisten messen um die 20 Zentimeter. Es gibt aber auch größere Versionen. Und kleinere, die man in einen Kinderwagen hängen kann. Gearbeitet wird vor allem mit Nadel und Schere - und mit viel Liebe fürs Detail und Geduld. Sogar die kleinen braunen Schuhe einer Puppe mit winzigen Schuhbändern sind in Handarbeit gefertigt. Andere Puppen haben statt der Kurzhaarfrisur aus Wollfäden geflochtene Zöpfe aus echtem Haar.

Einem kleinen Teddybären, der für Kleinkinder gedacht ist, wird noch ein Schal umgebunden. Dann ist er bereit für seine anspruchsvollen Aufgaben. (Foto: Günther Reger)

Es dauert zwei bis fünf Stunden, bis so eine Puppe Form angenommen hat und auch das Gesicht bemalt ist. Filiuk stellt auf Wunsch auch Stofftiere her - manchmal bekommt sie Bilder oder Fotos als Vorlage oder eine Beschreibung. Am liebsten fertigt sie die Puppen aber in Teamwork mit Kindern an. Man könne bereits bei der gemeinsamen Arbeit "ins Innere der Kinder schauen", sagt die Psychologin und entschuldigt sich gleich für ihr noch nicht perfektes Deutsch.

Sogar die kleinen braunen Schnürschuhe sind in Handarbeit hergestellt worden. (Foto: Günther Reger)

Je nach dem Material, das die Kinder bevorzugen, der Farbe oder Details wie dem Gesichtsausdruck erhält Filiuk einen ersten Hinweis auf deren Gemütslage. Eine solche Puppe kann im Zuge von Therapien gegen Angstzustände, Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Trennungsängste als Hilfsmittel eingesetzt werden. Sie könne zu einer Art Freund werden und die Kinder begleiten, wenn sie beispielsweise Schwierigkeiten haben, sich von zu Hause zu lösen und in den Kindergarten oder eine neue Schulklasse kommen. Vor fünf Jahren hat die handwerklich begabte und nähbegeisterte Ukrainerin in ihrer Heimat damit begonnen, Beruf und Hobby sinnstiftend zu kombinieren. Und hat gesehen, dass die kleinen Figuren dabei helfen können, sich einen Zugang auch zu zunächst sehr verschlossen wirkenden Kindern zu erarbeiten.

Unter dem Hut schaut ein langer geflochtener Zopf heraus - aus echten Haaren. (Foto: Günther Reger)

Filiuk, die ihren Mann und ihre Mutter in der kriegszerrütteten Ukraine zurücklassen musste, könnte sich durchaus vorstellen, auch in ihrem Gastland Puppentherapien anzubieten und auf diese Weise Kindern zu helfen. Noch ist das nicht möglich, weil sie zuerst besser Deutsch lernen und Sprachkurse erfolgreich abschließen muss. Aber vielleicht ist es gerade deshalb so wertvoll, eine sinnvolle Aufgabe zu haben und den furchtbaren Bildern im Fernsehen zu entkommen. Momentan gibt das therapeutische Puppenprojekt Alla Filiuk selbst Halt.

Repair-Café in Gröbenzell (Kooperation von Bund Naturschutz, Volkshochschule und Gemeindebücherei), Samstag, 13 bis 16 Uhr, Eingang über die Gemeindebücherei am Rathausplatz;

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