Wie Puchheim zu seinen Schulen kam:Bildung in der Boomtown

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Beliebt bei den bildungshungrigen Puchheimern waren Führungen der Volkshochschule, etwa zum Blockheizkraftwerk in den 1980er-Jahren. (Foto: Archiv VHS Puchheim)

Zwischen 1969 und 1980 entstanden die heutigen Schulen der Stadt sowie die Einrichtungen der Erwachsenenbildung.

Von Peter Bierl, Puchheim

Bis zum Zweiten Weltkrieg bestand Puchheim aus einem Altdorf und einer Müllkippe für München, dann zogen immer mehr Menschen zu, die in Industriebetrieben der Landeshauptstadt arbeiteten. Von 1960 bis 1980 wuchs die Einwohnerzahl von etwa 3600 auf mehr als 18.850 Menschen. Im Zentrum entstanden die markanten Hochhäuser, drumherum Reihenhaussiedlungen. Es fehlten Straßen, Treffpunkte, Kindergärten und Schulen. Wie letztere entstanden, ist Thema einer Veranstaltung der Volkshochschule (VHS) am Donnerstag. Moderiert von dem ehemaligen Vorsitzenden und Historiker Erich Hage kommen Zeitzeugen zu Wort.

Bereits 1955 ließ die Gemeinde ein zweites Schulhaus hinter dem Altbau im Zentrum errichten, den heute maroden Bürgertreff, in dem die Volkshochschule residiert. 1969 entstand eine neue Hauptschule am Gerner Platz, 1974 wurde die Grundschule Süd eingeweiht. Auch die ersten fünften Klassen des Gymnasiums wurden dort untergebracht. Erst in der Nacht vor dem ersten Schultag seien die Möbel geliefert worden, erzählt Helmut Scherf, später stellvertretender Direktor des Gymnasiums. 146 Kinder wurden auf vier Klassen aufgeteilt, die Richtzahl lag bei 43 pro Klasse. "Wir haben denen alle pädagogischen Raffinessen angedeihen lassen, eine Mittel- und Oberstufe gab es ja noch nicht", erzählt er. Am Start waren drei hauptamtliche Lehrer plus Direktor, die Nebenfächer unterrichteten Kollegen aus umliegenden Gymnasien in Bruck und Pasing. Um die junge Schulgemeinschaft zu fördern, fuhren alle Schüler und Lehrer eine Woche ins Skilager, zur Verstärkung war der Hausmeister der Grundschule dabei.

Wanderklassen ziehen durch das Schulhaus

Scherf lobt die Kooperation mit den Kollegen von der Grundschule, mit denen man sich das Lehrerzimmer teilte und die Pausenaufsicht. Schon im zweiten Schuljahr reichte der Platz nicht, weil 240 Kinder neu angemeldet worden waren. Man hätte zehn Klassenzimmer gebraucht statt nur vier, Fachräume etwa für Physik gab es nicht. "Wir haben uns irgendwie arrangiert", erzählt Scherf. Ein Raum wurde geteilt, "Wanderklassen" zogen durch das Schulhaus, immer dorthin, wo ein Zimmer gerade leer stand, weil die Kinder Turnunterricht hatten.

Nach den Osterferien 1977 siedelte das Gymnasium in das neue Gebäude an der Bürgermeister-Ertl-Straße über, das eigentlich für 900 Kinder ausgelegt war. Drei Jahre später waren es jedoch mehr als 1300 Schüler. "Das resultierte aus dem Bevölkerungszuwachs und den steigenden Übertrittszahlen auf das Gymnasium", bilanziert Scherf. Erst sollten nicht alle aufgenommen worden, sondern Kinder aus Eichenau oder Gröbenzell nach Bruck oder Olching gehen. "Das gab einen Riesenaufstand der Eltern", erinnert sich Scherf.

Ende der 1960er-Jahre wird die Schule am Gerner Platz gebaut, 1985 wird sie erweitert. (Foto: Archiv D' Buachhamer)

Um dem Andrang zu bewältigen bekam das Gymnasium Pavillons, außerdem seien einige Klassen in der Realschule untergebracht worden. Diese Schule war gerade erst eröffnet worden und im Aufbau, die neunten und zehnten Jahrgangsstufen fehlten, weshalb es noch Platz gab. Dennoch habe es Schichtunterricht und Wanderklassen gegeben. Entlastung habe sich erst eingestellt, nachdem das Gymnasium in Gröbenzell eröffnet wurde, der Übertritt sei jedoch freiwillig gewesen. Bemerkbar machte sich außerdem, dass der Puchheimer Gemeinderat 1980 beschlossen hatte, keine größeren Flächen mehr als Bauland auszuweisen, weil die Lebensqualität "unter einem explosionsartigen Wachstum der Bevölkerung" leide, wie es hieß. Dennoch musste die Kommune 1985 die Hauptschule am Gerner Platz erweitern lassen.

1972 gründet Renate Weidauer zusammen mit drei Männern die VHS

Auch die Erwachsenenbildung in Puchheim entwickelte sich in dieser Zeit. Seit 1958 gab es das Katholische Männerwerk, aus dem 1969 das Puchheimer Podium hervorging, als ökumenische Einrichtung von Protestanten und Katholiken. 1972 gründete Renate Weidauer zusammen mit drei Männern die Volkshochschule Puchheim im Café Göbl. "Das war am Anfang ein Luftschloss, denn wir hatten keine eigenen Räume", sagt Weidauer. Die komplette Organisation und Verwaltung sei ehrenamtlich erfolgt.

Der erste große Erfolg sei 1975 das Ferienprogramm gewesen, geboten wurde Sport, Spiele, Theater und Ausflüge. "Der Ansturm war so groß, dass wir das kaum bewältigen konnten", erzählt Weidauer. Die Kurse fanden in Schulräumen statt, allmählich nahm die Volkshochschule immer mehr Räume im Bürgertreff ein, beginnend mit dem Keller, bis ihr das ganze Gebäude zur Verfügung stand. Geboten wurden die damals beliebten Makramee-Kurse, Basteln mit Fimo und Volkstanz, Deutsch für Ausländer sowie Mathe und Physik für Kinder kamen hinzu, dann Englisch und Französisch für den Urlaub, dazu Stadtführungen und Kultur. In den 1990er-Jahren waren Computerkurse für Erwachsene gefragt. "Puchheim war aufgeschlossen für Bildung" erzählt Weidauer und führt das darauf zurück, dass viele Neubürger Lohnabhängige mit höheren Bildungsabschlüssen waren, qualifizierte Mitarbeiter von Osram, Siemens oder dem Patentamt.

Die Anfänge der Puchheimer Schullandschaft. Veranstaltung der Puchheimer Volkshochschule am Donnerstag, 28. April, um 19 Uhr im Bürgertreff mit Zeitzeugen.

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