Simone Michielsen hat ihre Geige in die Hand genommen und schaut in die Runde der kleinen "Streichhölzer" der Musikschule Puchheim, die sich im Foyer eines Puchheimer Einkaufszentrums aufgereiht haben. "Seid ihr bereit", ruft die Leiterin der Musikschule den 20 Kindern zu, da fällt der Notenständer des sechsjährigen Jamie zusammen. Eine Helferin läuft sofort hin und baut den Ständer wieder auf. Los geht es mit den 20 Geigen- und Cellistenkindern mit "Kling Glöckchen klingeling" und vor allem die anwesenden Eltern der Kinder von fünf bis neun Jahren zücken ihre Handys und Kameras. Es ist ein Konzert für einen guten Zweck, den Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung.
Die "Streichhölzer" streichen synchron und fehlerlos; auch bei "Alle Jahre wieder" und bei "Ihr Kinderlein kommet". Die Besucher bleiben zwischen ihren Einkäufen stehen, schmunzeln und klatschen Beifall. Einige wirken auch gerührt ob des eindrucksvollen Konzerts der jungen Streichtalente in ihren roten Zipfelmützen. Ins Auge springt die Kleinste, Valentina Maria aus Olching. Eine Hand mit fünf Fingern zeigt sie hoch, als sie nach ihrem Alter gefragt wird. Fünf ist Valentina Maria erst vor wenigen Tagen geworden. Schon als sie zwei Jahre alt war, hätte sie mit ihrem großen Bruder zusammen auf der Geige "herumgekratzt", erzählt ihr Vater Erich Schwinge. Das Talent habe seine Tochter jedoch von der Mutter Atlanta Schwinge, einer ambitionierten Cellistin. Eine halbe bis eine Stunde übe Valentina Maria pro Tag. "Es macht ihr Spaß", sagt der Vater.
Valentina Maria scheint auch die Wassermusik von Händel auswendig zu spielen. Jedenfalls schaut sie häufig am Notenständer vorbei. "Nein", sagt Michielsen, "sie kennt die Noten und spielt vom Blatt." Wie alle ihre Schülerinnen und Schüler. Die werden von ihr ausgewählt, nicht alle Kinder sind fürs Geigen-Cellospiel geeignet. "Sie alle sind sehr fleißig", sagt die studierte Geigenlehrerin aus Puchheim, die schon seit 1988 für die Kreismusikschule tätig ist. Inzwischen sind die "Streichhölzer" bei "Song of the Ghetto", der Gypsy-Musik und danach einem Klezmer-Stück angekommen. Michielsen hat dafür eine Auswahl älterer Kinder zusammengestellt. Mit dabei auch der achtjährige Michael Kreiss. "Wir haben uns lange dagegen gewehrt, aber er wollte vor zwei Jahren unbedingt Geige spielen", erzählt Vater Christian Kreiss aus Gröbenzell. Er hat seitdem eine japanische Geigenlehrerin und übt täglich ein halbe Stunde. "Er ist aber auch ein fanatischer Fußballer", so der Vater. Die Zeit reiche noch für beides.
Auch die neunjährige Katharina "liebt klassische Musik", bestätigt deren Mutter Anette Besler aus Gröbenzell. Sie spielt seit eineinhalb Jahren bei den Streichhölzern mit und hat auch Einzelunterricht bei Michielsen. Die Geigenlehrerin stellt je nach Können Ensembles zusammen, mit denen sie Auftritte bestreitet. Die Kinder haben sicherlich ein Repertoire von 90 Minuten zu bieten. Im November umrahmten sie musikalisch eine Bücherschau im Münchner Gasteig. Zuletzt spielten die "Streichhölzer" bei der Senioren-Weihnachtsfeier in Puchheim. Die Leiterin der Musikschule verlangt aber auch einiges von ihren Schülern. Überfordern sich die Kinder? "Das muss man mit Fingerspitzengefühl machen", sagt Michielsen. Sie hält tägliches Üben schon für notwendig. "Eine halbe oder eine Stunde am Tag wäre gut", so die Geigenlehrerin. "Das schaffen die meisten." Die kleine Valentina Maria hat jedoch nicht nur das Geigenspielen im Kopf. Sie gibt dem Vater ihr Instrument und sammelt mit einem Säckchen im Einkaufszentrum Spenden für den SZ-Adventskalender.