Asylbewerber:Zweite Klage im Streit um Geflüchtete

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Noch 16 Jahre soll die Asylunterkunft an der Siemensstraße in Puchheim betrieben werden. (Foto: Leonhard Simon)

Der Puchheimer Stadtrat wehrt sich abermals gerichtlich gegen eine geplante Containerunterkunft am Aubinger Weg. Die Stadt sieht sich wie viele andere Kommunen auch am Limit.

Von Til Antonie Wiesbeck

Diesmal sind sich Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) und die Stadträte einig: Der Beschluss, gegen eine Baugenehmigung für eine Containerunterkunft am Aubinger Weg 37 mit Platz für etwa 180 Geflüchtete zu klagen, fällt einstimmig. Die Genehmigung hatte das Landratsamt anstelle des Stadtrats erteilt, der einen entsprechenden Antrag des Grundstückseigentümers selbst bereits zwei Mal abgelehnt hatte. Damit wiederholt sich mit einigen Abwandlungen der vorausgehende Streit um die bis 2039 verlängerte Nutzung der Asylunterkunft an der Siemensstraße. Der Stadtrat hatte auch dazu sein Einvernehmen nicht erteilt, damals gegen Seidls Anraten. Auch gegen den Bescheid, mit dem daraufhin das Landratsamt die Kommune als Genehmigungsbehörde ersetzte, erhob der Stadtrat Klage beim Verwaltungsgericht.

Im Fall der Containerunterkunft hingegen hat Seidl nun seine Empfehlung abgegeben, Klage zu erheben. "Es geht auch darum, dass man Verhandlungsgrenzen seitens der Stadt festlegt", erklärt er seine Position. Zum einen könne eine Belegung des Gewerbegebiets in beiden Unterkünften mit etwa 600 Geflüchteten zu einer sozialen Überforderung der Infrastruktur der Stadt führen. Zum anderen müsse geklärt werden, ob die Errichtung einer zweiten Asylunterkunft dort nicht die Gebietsverträglichkeit verletze, also eine Zweckentfremdung des Gewerbegebiets darstelle. Die Stadt Puchheim habe bereitwillig, konstruktiv und kooperativ gehandelt. "Mit der Erweiterung der Siemensstraße haben wir gezeigt, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Aber wir haben unser Verantwortungssoll mit dieser großen Unterkunft erreicht", erklärt Seidl.

Laut Seidl gibt es ein "gemeinsames Verständnis" mit dem Landrat.

Er bezieht sich dabei auf die bereits vorhandene Asylunterkunft: Der Stadtrat hatte sein Einvernehmen zu Plänen zur Erweiterung von 180 auf etwa 400 Plätze zunächst nicht erteilt, dann aber auf eine Klage gegen den vom Landratsamt ersetzten Genehmigungsbescheid verzichtet. Laut Stadtrat Dominik Schneider (CSU), weil er zu spät informiert worden war und daher die Frist für die Klage nicht einhalten konnte. Seidl entgegnet, der Stadtrat habe beschlossen, keine Klage zu erheben.

Wie er auf Anfrage der SZ erklärt, bestehe ein "gemeinsames Verständnis" mit Landrat Thomas Karmasin (CSU), die Erweiterung an der Siemensstraße zu favorisieren und Pläne für die Containerunterkunft am Aubinger Weg nach Möglichkeit nicht weiterzuverfolgen. Nun habe das Landratsamt zwar die Genehmigung zum Bau erteilt, das heiße aber nicht, dass es sie auch zur Unterbringung von Geflüchteten betreiben werde. Sorge, die Bezirksregierung könne stattdessen die Container anmieten, hat Seidl nicht, da kleinere Unterkünfte in der Regel vom Landratsamt angemietet werden würden.

Sollte die Klage scheitern, gibt es weitere Möglichkeiten.

Der Rechtsstreit fällt in eine Zeit, da sich Kommunen in ganz Bayern sowie bundesweit mit der Unterbringung steigender Zahlen von Geflüchteten überfordert sehen. In diesem Zusammenhang vermeidet Seidl bewusst, von Ober- oder Belastungsgrenzen zu sprechen. Sie seien "politisch willkürlich" und "nicht manifest". Schneider ist anderer Meinung: "Die Belastungsgrenze ist längst überschritten." Während Seidl fordert, dass bei der Unterbringung von Geflüchteten "auch auf andere Kommunen geschaut" wird, sind laut Schneider diese ähnlich belastet. Auch aus Solidarität zu Nachbargemeinden sei es wichtig, "ein Signal nach oben" zu senden.

Geschäftsleiter Jens Tönjes (SPD) betont, auch die Stadtverwaltung sei von den Plänen betroffen: "Es kommt zur Gefährdung unserer kommunalen Selbstverwaltung." Karmasins Stellungnahmen - angesichts der bundesweit steigenden Flüchtlingszahlen betonte er zuletzt, dass die Unterbringungs- und Versorgungskapazitäten in vielen Kommunen erschöpft seien - verdeutlichten: "Die Probleme können wir auf kommunaler Ebene nicht lösen." Für eine angemessene und gerechte Unterbringung von Geflüchteten sei der gerichtliche Weg vielleicht nicht der richtige: "Dafür braucht es eine politische und gesellschaftliche Lösung." Der Stadtrat müsse ihn aber wählen, um Gehör zu finden.

Sollte die Klage scheitern und Landratsamt oder Bezirksregierung den Containerbau wider Seidls Erwarten zur Unterbringung von Geflüchteten nutzen wollen, gibt es laut Tönjes weitere Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Denn es handle sich lediglich um ein baurechtliches Verfahren. "Wenn das entschieden ist, bedeutet das noch lange nicht, dass Landkreis und Freistaat die Containerunterkunft auch betreiben dürfen." Der Freistaat dürfe nicht willkürlich bestimmen, wo er anmietet. Ungeachtet der Entscheidung des Gerichts hofft Norbert Seidl, dass die Klage mindestens ein Signal sei, dass es nicht so günstig ist, diese Unterkunft in Puchheim zu bauen.

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