Der Landkreis prüft zurzeit die Aufstellung weiterer Zelte für die Unterbringung von Flüchtlingen, etwa auf den Parkplätzen des Landratsamts sowie von weiterführenden Schulen in anderen Städten und Gemeinden. Darauf hat Landrat Thomas Karmasin (CSU) am Dienstag im Stadtrat Fürstenfeldbruck hingewiesen. Anlass für seinen Besuch im Gremium war die Entscheidung über die vom Freistaat gewünschte Verlängerung der Nutzungsgenehmigung für das sogenannte Ankerzentrum am Fliegerhorst. Der Stadtrat hat dies einstimmig für weitere zwei Jahre bewilligt, aber auch deutlich gemacht, dass die Unterkunft am 31. Dezember 2025 endgültig geschlossen werden muss, um nach dem Abzug der Bundeswehr die zivile Umgestaltung des Militärgeländes nicht zu behindern. Eine Anhebung der maximalen Belegung von derzeit 1000 auf 1100 Personen wurde mehrheitlich abgelehnt.
In Frage kämen Parkplätze von Landratsamt und Schulen, notfalls sogar Tiefgaragen
Karmasin erregte mit seinen Äußerungen Aufsehen. Auch deshalb, weil über mögliche Standorte für Zelte auf städtischem Gebiet an dem Abend eigentlich erst im nicht öffentlichen Teil gesprochen werden sollte. Der Landrat wies aber darauf hin, dass entsprechende Pläne des Landkreises bereits bekannt seien. Dieser sei verpflichtet, Flüchtlinge unterzubringen und mangels Alternativen "schon bei Zelten angelangt". Man werde auf die in Frage kommenden Kommunen demnächst zukommen, heißt es dazu am Mittwoch aus dem Landratsamt. Das Zelt in Mammendorf ist bislang das einzige des Landkreises. Es dient als dezentrale Erstanlaufstelle und bietet Platz für etwa 80 Personen. Seit etwa zwei Wochen leben dort 24 Personen. Als "fliegender Bau" benötigen solche Zelte während der ersten drei Monate keine Genehmigung. Stehen sie länger, wird eine baurechtliche Genehmigung benötigt.
In Asyl-Unterkünften des Landkreises leben zurzeit 2026 Personen - darunter 750 aus der Ukraine, 284 aus Nigeria, 220 aus Afghanistan und 162 aus der Türkei. Integrationsreferent Willi Dräxler (BBV) kreidet dem Landkreis an, sich nicht genügend um die Unterbringung sogenannter Fehlbeleger zu kümmern, durch die Plätze in seinen Unterkünften (ohne "Ankerzentrum", für das die Bezirksregierung zuständig ist) blockiert werden. Dabei handelt es sich um Personen mit bereits abgeschlossenem Anerkennungsverfahren, um deren Unterbringung sich die jeweiligen Städte und Gemeinden kümmern müssten. Die Fehlbeleger-Quote in den Einrichtungen des Landkreises liege bei mehr als 50 Prozent, so Dräxler. Seine Botschaft am Mittwoch auf Nachfrage der SZ: Würden die Kommunen ihre Hausaufgaben machen, so wie die Kreisstadt beispielsweise durch den Erwerb der Obdachlosenunterkunft "Hotel Hasenheide", dann bräuchte es keine Zelte. Bereits in der Stadtratssitzung hatte Dräxler Richtung Karmasin darauf hingewiesen, dass andere Landkreise die Unterbringung von Flüchtlingen "auch ohne Zelte schaffen".
Weil sich bei der Zuweisung von Menschen kein Ende abzeichnet, will Karmasin gleichwohl später auch Tiefgaragen auf ihre Eignung als vorübergehende Unterkunft prüfen lassen. Der CSU-Politiker kritisierte, die aus seiner Sicht verfehlte Politik auf Bundesebene müsse man "vor Ort ausbaden", und behauptete, "die ganze Republik" wünsche sich "eine Obergrenze" - eine Forderung vor allem aus den Reihen der Union.
Etwa 800 Flüchtlinge leben zurzeit in ehemaligen Kasernengebäuden rund um das frühere Unteroffiziersheim (rechts oben). Die einstige Erstaufnahmestelle wurde mittlerweile zur Dependance des "Ankerzentrums" Manching.
(Foto: Luftbildverlag H. Bertram/Stadt Fürstenfeldbruck)In Fürstenfeldbruck besteht die Bereitschaft, einen Teil der Last zu schultern. Hätte der Stadtrat die Verlängerung der Flüchtlingsunterkunft am Fliegerhorst abgelehnt, hätte der Landkreis bereits zum Jahreswechsel andernorts die entsprechende Anzahl unterbringen müssen. Es gebe zurzeit "keine Alternative" zur Verlängerung des Betriebs am Fliegerhorst, auf den sich Stadt, Landkreis und Freistaat 2018 geeinigt hatten, räumte Dräxler ein.
CSU-Fraktionsvorsitzender Andreas Lohde sieht den Freistaat nun in der Pflicht, an anderer Stelle Zugeständnisse zu machen: Er soll den Weg frei machen für den Bau eines Hochtechnologiezentrums aus dem Bereich der Nuklearmedizin, das etwas weiter im Nordosten des Fliegerhorsts geplant ist. Weitergehen kann es damit aber erst, wenn der Freistaat erklärt, keine eigenen Ansprüche auf diese Flächen zu erheben. Auf eine Verknüpfung der beiden Themen verzichtet die Stadt, Oberbürgermeister Christian Götz (BBV) soll dies aber, wenn er das Ministerium über die verlängerte Nutzungsvereinbarung informiert, durchaus ansprechen.
Innenminister hätte sich Anhebung des Limits um 100 auf 1100 Menschen gewünscht
Mit 22 gegen 15 Stimmen abgelehnt wurde die von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erbetene Aufstockung der Kapazität um weitere hundert Personen. Auch wenn diese bislang nur in Ausnahmefällen ausgeschöpft wird - zurzeit leben etwa 800 Menschen in der Einrichtung, die meist ein bis zwei Wochen dort bleiben - ist eine Gemeinschaftsunterkunft dieser Größe ein Problem für Bewohner, Betreuer und Bürger. So sah das eine Mehrheit, obwohl Oberbürgermeister Christian Götz und Grünen-Fraktionsvorsitzender Jan Halbauer mit sichtlichen Bauchschmerzen einer Aufstockung für den begrenzten Zeitraum zugestimmt hätten. Jeanne-Marie Sindani (CSU) betonte, eine menschenwürdige Unterbringung sei ebenso wichtig wie die Akzeptanz der Bevölkerung.
Dass diese Akzeptanz nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern vorhanden ist, machte ein Besucher deutlich, der sich am Anfang der Sitzung bei der obligatorischen Bürgerfragestunde zu Wort gemeldet hatte, seinen Namen aber nicht nennen wollte. Er forderte in harschen Worten, die Bürgerschaft über die Betriebsverlängerung für das "Ankerzentrum" abstimmen zu lassen. Götz verwies auf die formale Möglichkeit, mit einer Bürgerinitiative einen Bürgerentscheid herbeizuführen, ließ sich von den verbalen Attacken aber nicht beirren. Grünen-Stadträtin Theresa Hannig äußerte sich in den sozialen Medien dennoch besorgt über den Vorfall. Der Auftritt des Mannes habe ihr gezeigt, "wie fragil die Ordnung ist, die wir in unserem demokratischen System haben". Und weiter: "Ich fürchte, wir müssen uns darauf einstellen, dass solche Irritationen zunehmen und nur der Anfang sind." Gemeinsam gelte es, die Demokratie gegen Angriffe zu verteidigen.