Prozess:Asbest aus dem Fenster geworfen

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Amtsgericht verurteilt 48-Jährigen wegen unerlaubten Umgangs

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Einen Teilerfolg vor Gericht hat ein 48 Jahre alter Bauarbeiter mit seinem Einspruch gegen einen Strafbefehl erzielt. Der Münchner muss zwar 5400 Euro bezahlen, weil er Mitarbeiter nicht ausreichend in den Umgang mit Eternitplatten eingewiesen hatte. Doch im Vergleich mit dem ursprünglichen Strafbefehl wegen des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen hat er 900 Euro gespart.

Asbest ist krebserregend und seit 1993 verboten. Dennoch ist der Stoff noch in vielen älteren Gebäude verbaut, beispielsweise in Eternitplatten zur Wärmedämmung. Damit die giftigen Stoffe bei einem Abbau nicht freigesetzt werden, gelten strenge Auflagen. So müssen die Arbeiter Schutzkleidung tragen, eine Absaugvorrichtung verwenden sowie andere Bewohner des Gebäudes vor den Arbeiten warnen und sie durch geschlossene Türen und Fenster vor gesundheitsschädigenden Stoffen schützen. Doch all das hatte der in München lebende Angeklagte nicht getan, wie ihm nun in dem Strafbefehl zur Last gelegt wurde.

"Ich war nur Angestellter", betont der 48-Jährige im Gerichtssaal. Es wäre doch die Aufgabe seines damaligen Chefs gewesen, auf die Erfüllung all der gesetzlichen Auflagen zu achten. Doch ganz so einfach ist die Sachlage nicht, wie ihm der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer erläutert. Denn der Angeklagte besaß als einziger in der Firma den erforderlichen Sachkunde-Nachweis zur Handhabung mit Asbest. Diese Kompetenz habe er in die Firma eingebracht, sein Chef ihn deshalb angestellt. Also hätte er auch seine Kollegen einweisen und auf die Einhaltung der Schutzmaßnahmen achten müssen, erklärt der Richter dem Angeklagten, der die Firma zum Jahresbeginn übernommen hat.

Wie sich in dem Verfahren herausstellt, ist offenbar nichts davon geschehen. Denn der 48-Jährige widerspricht nicht, als ihm vorgeworfen wird, dass die Arbeiter keine Schutzkleidung trugen, Fenster des Gebäudes offen waren und die Hausbewohner nicht gewarnt wurden. Schlimmer noch: Die Arbeiter warfen die abgebauten Eternitplatten teils aus großer Höhe zu Boden. Laut Vorschrift müssen die Platten äußerst vorsichtig transportiert werden, damit keine Giftstoffe freigesetzt werden.

Obwohl der Angeklagte im Grunde schon alle ihm angelasteten Versäumnisse zugegeben hat, kann er die im Strafbefehl festgesetzte Summe von 90 Tagessätzen zu je 70 Euro noch nicht ganz nachvollziehen. "Ich habe die höchste Strafe bekommen", beklagt er sich. Seine Kollegen hätten alle weniger zahlen müssen, verweist er darauf, dass alle in der Firma wegen des Vorfalls eine Strafe zahlen mussten. Der Vorsitzende erklärt ihm, dass man die Vergehen nicht miteinander vergleichen kann, da er durch seine Kompetenz im Umgang mit Asbest die Verantwortung für die anderen Kollegen mit übernommen habe. Da der Angeklagte keinen Anwalt hat, legt ihm der Richter die rechtlichen Konsequenzen dar: Erhält er seinen kompletten Einspruch gegen den Strafbefehl aufrecht, könnte die Strafe am Ende höher ausfallen, da in diesem Fall das strafmildernde Geständnis wegfalle. Beschränke er den Einspruch aber auf die Strafhöhe - was ein Geständnis impliziert - "dann könnten Sie 900 Euro sparen", da in seinem Fall ein niedrigerer Tagessatz angesetzt werde. Der Angeklagte folgt dem richterlichen Rat und akzeptiert den Strafbefehl wegen des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen über 90 Tagessätze zu je 60 Euro.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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