Kloster Spielberg:Wie aus einem Pferdestall ein Tagescafé wird

Lesezeit: 4 min

Marc Koch (links) vom Förderverein Klosterhof Spielberg und Bürgermeister Norbert Riepl in den alten Gemäuern, die nun umgebaut werden sollen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Rund um das ehemalige Schloss Oberschweinbach entsteht ein Kultur- und Bildungszentrum. Der Erwerb des früheren Gutshofs erweist sich als Glücksgriff.

Von Gerhard Eisenkolb, Oberschweinbach

Über Jahrhunderte haben Grund- und Schlossherren wie die Pelheimer, Welser oder von Lerchenfeld in Spielberg geherrscht. Wie ein Stich von Michael Wening von 1701 zeigt, residierten sie in einem repräsentativen Schloss. Die Zeit des Feudalismus ist zwar vorbei, aber eines blieb gleich: Oberschweinbach, zu dem Spielberg gehört, wird vom Schlossberg aus regiert, respektive verwaltet. Das Schloss ist nun das Rathaus, der Anger davor ein abgeschlossener, autofreier Platz, der zum Feiern und Verweilen einlädt. Die um ihn gruppierten Guts- und Wirtschaftsgebäude sind ein Orts-, Kultur- und Bildungszentrum im Werden. Im Brucker Land ist ein so weitläufiges Areal mit einem Rathaus mit prächtiger Barockfassade etwas Außergewöhnliches. Wer hat schon einen Amtssitz, den imposante Pilaster gliedern und eine Stuckkartusche mit dem Wappen der Familie von Lerchenfeld ziert?

Das frühere Schloss ist nun das Rathaus der Gemeinde Oberschweinbach. (Foto: Günther Reger)

Kürzlich wurden über den Amtsstuben fünf Sozialwohnungen ausgebaut. Sie knüpfen an den Geist von Ordensschwestern an, die hier bis 1998 ein Jahrhundert lang wirkten. Die Franziskanerinnen erkannten, dass ihr Schloss zum Seniorenheim taugte und machten es mit dem Kloster-Neubau zum Kern eines sozialen und religiösen Zentrums. Hier betrieben sie eine Invalidenanstalt, hier erholten sich Mütter auf dem Land, suchten Tuberkulose-Patienten einer Münchner Klinik in einer Liegehalle auf der Klosterwiese Genesung, verbrachten Senioren den Lebensabend. Nun gibt es im Schloss günstigen Wohnraum, wovon die Gemeinde doppelt profitiert, weil sie mit den hierfür gewährten Zuschüssen die Renovierung finanzieren konnte. Zum Adelssitz gehörte sogar einmal eine Glashütte mit Arbeiterwohnungen.

Freud und Leid eines Schlossbesitzers erleben die Oberschweinbacher seit dem umstrittenen Erwerb der Klosterhofanlage - einem Ort mit Widersprüchen und Brüchen, was seinen Charme ausmacht. Er nimmt für sich ein und gibt Rätsel auf, weil hier permanent aus- und umgebaut wurde, entsprechend den wechselnden Bedürfnissen. Entstanden ist auf diese Weise ein dörfliches Kleinod mit einer Schlosskapelle, die den Grundriss eines dreiblättrigen Kleeblatts hat, einem Benefiziatenhaus mit halbrundem Giebel als keckem Gegenpol zum Schloss, einem ummauerten Obst- und Gemüsegarten, einer Remise sowie diversen Stallungen und Scheunen. Deren ältester Teil verfügt über ein barockes böhmisches Gewölbe, der neueste über eine Betondecke aus den Fünfzigerjahren.

Der ehemalige Pferdestall im Hintergrund wird umgebaut. Zur Entrümpelung der Dachböden kamen 45 Freiwillige. (Foto: Carmen Voxbrunner)

1998 verkauften die Franziskanerinnen die großzügige Gutshofanlage samt Umgriff von mehreren 10000 Quadratmetern Freiflächen und Bauerwartungsland an die Gemeinde zum Schnäppchenpreis von sechs Millionen Mark weit unter Wert. Sozusagen als letzte gute Tat der letzten Oberin Schwester Raphaela für die Gemeinde. Oberschweinbacher wie der ehemalige Bürgermeister Hans Hartl, die dem Kloster über Jahrzehnte verbunden waren, trugen dazu bei, dass Spekulanten oder ein Strohmann einer dubiosen Gemeinschaft wie der Scientologen, die gerne mehr gezahlt hätten, nicht zum Zug kamen. Die Gemeinde durfte den Preis in Raten zinsfrei abstottern. Trotzdem lehnten viele den Grunderwerb ab, den dank kluger Schachzüge ein zu spät initiiertes Bürgerbegehren nicht verhindern konnte. Zur Ironie der Geschichte gehört, dass Bürgermeister, die gegen den Kauf mobilisiert hatten, später das Großprojekt voranbrachten.

So einen Wandel vom Saulus zum Paulus kennt man als Bekehrungserlebnis. Etwas Ähnliches wiederholte sich in der Bürgerschaft. Auch wenn nun ein Nachbar gegen die kürzlich erteilte Baugenehmigung zum Umbau des Stalls mit dem böhmischen Gewölbe zu einem Tagescafé klagt, gibt es, wie Bürgermeister Nobert Riepl und Marc Koch vom Förderverein beteuern, in der Bevölkerung kaum noch Vorbehalte. Das liegt daran, dass die Aufgabe, den Klosterhof mit Leben zu füllen, eine Eigendynamik freisetzte. Findige und tatkräftige Oberschweinbacher mit Erfahrung als Handwerker entwickelten unter dem Dach des Fördervereins Klosterhof Spielberg mit der Gemeinde eine neue Form von Gemeinschaftsgeist und Gemeinsinn.

Architektin Annette Primke fühlt sich in eine andere Zeit versetzt

Zu Gute kamen ihnen mehrere Faktoren. So wurde das über Jahrhunderte gewachsene Ensemble im Lauf von zwei Jahrzehnten zum Glücksgriff, weil es gelang, das Klosterareal und das mit ihm verbundene Lebensgefühl zu bewahren und trotzdem mit neuen Nutzungen weiterzuentwickeln, die an die Bedürfnisse einer Dorfgemeinschaft angepasst sind. Was sie empfindet, wenn sie vor dem Benefiziatenhaus sitzt, beschreibt die mit der Sanierung befasste Architektin Annette Primke als "unglaublich entschleunigend". Sie fühle sich in eine andere Zeit versetzt.

Zudem erwies sich das Projekt in dreifacher Hinsicht als Selbstläufer. Die Vermarktung eines Teils der Mitgift des Klosters in Form von Bauland bescherte der Gemeinde stattliche Einnahmen. Zudem erbrachten die Mitglieder des Fördervereins beim Ausbau der Remise zu einem Veranstaltungsraum für Vereine und Familienfeiern ebenso wie zur Renovierung der Schlosskapelle und des Benifiziatenhauses erhebliche Eigenleistungen. Und sie sammelten Spenden. Da auch erhebliche Zuschüsse flossen, reduzierte sich der gemeindliche Anteil an den Sanierungskosten auf diese Weise auf etwa nur noch 20 Prozent.

Ähnlich gut läuft es bei der Finanzierung der nächsten Sanierungsmaßnahme, der Umnutzung eines ehemaligen Stallgebäudes, dem Herzstück der westlichen Hofanlage. Aus ihm soll ein Tagescafé mit 48 Plätzen unter dem böhmischen Gewölbe und weiteren 30 Plätzen auf einer Terrasse werden. Der Förderverein will es betreiben . An das Café schließen sich zwei Mehrzweckräume an, die Volkshochschule, Brucker Forum und Anbieter von Fortbildungsseminaren nutzen sollen. Gedacht ist auch daran, dort gemeinsam Brot zu backen oder Kochkurse anzubieten. Für dieses Vorhaben sind bereits Zuschüsse in Höhe von 2048800 Euro bewilligt worden, was bedeutet, dass sich der Kostenanteil der Gemeinde wieder auf etwa 20 Prozent beschränkt.

Das Kloster Spielberg in Oberschweinbach ist nicht so bekannt wie das barocke Fürstenfeld, beim Tag des Denkmals lässt sich aber viel über seine Geschichte lernen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das ist aber nur eine weitere Etappe. Will die Gemeinde das große Potenzial nutzen, kann die Umsetzung des Konzepts noch Generationen beschäftigen. Unter den Scheunendächern ist noch viel Platz. Zum Beispiel für einen Saal mit Bühne, Seminarräume sowie Gästezimmer und dergleichen. Auf den Wiesen hinter dem Klosterhof lassen sich der Bauhof unterbringen, der aus einer der Scheunen ausziehen muss, oder bei Bedarf ein Kindergarten oder andere Einrichtungen bauen.

Auch die Dorfgemeinschaft packt weiter tatkräftig mit an, wenn Helfer gebraucht werden. Als in diesem Frühjahr die Dachböden entrümpelt wurden, räumten an einem Samstag 45 Helfer vom Förderverein und vom Burschenverein aus. Das lässt vergessen, dass der umstrittene Kauf die Gemeinde vor zwei Jahrzehnten in zwei Lager spaltete. Während die einen den Erwerb mit dem finanziellen Ruin der Gemeinde und Größenwahn gleichsetzten, erkannten andere das Potential und hielten dies für eine einmalige Chance. Wer weiß, auf welche Ideen die Oberschweinbacher noch kommen? Was zurzeit geschieht, ist ja nur eine Etappe in der wechselvollen Geschichte von Spielberg seit dessen erster urkundlicher Erwähnung im Jahr 1150.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: