Oberlandesgericht München:Malermeister will 380 000 Euro vom Klinikum Fürstenfeldbruck

Lesezeit: 3 min

Im Klinikum Fürstenfeldruck wurde der 53-Jährige behandelt. (Foto: Leonhard Simon)

Nach einem Routineeingriff am Knie hat ein 53-Jähriger starke Schmerzen im Nacken. Weil bei der OP etwas schiefgegangen sein soll, schaltet er die Justiz ein.

Von Andreas Salch, Fürstenfeldbruck

Das Entfernen eines Ganglions gilt als unkomplizierter Eingriff. Am 22. Januar 2019 ließ sich ein Malermeister am Klinikum Fürstenfeldbruck wegen einer solchen Zyste an seinem linken Knie operieren. Scheinbar ein Routineeingriff. Doch für den heute 53-Jährigen änderte sich dadurch sein ganzes Leben. Seit der OP ist er zu hundert Prozent erwerbsunfähig. Als er aus der Narkose erwachte, klagte er über brennende Schmerzen im Nacken. Die Ärzte sollen dem Malermeister gesagt habe, dass das "normal" sei und gaben ihm Voltaren und das Schmerzmittel Novalgin. Wie sich erst später herausstellte, hatte ihr Patient aber zwei Bandscheibenvorfälle an der Halswirbelsäule erlitten. Die Folgen waren gravierend.

Der 53-Jährige kann seither seinen Kopf nicht mehr richtig in alle Richtungen bewegen. Und auch die Bewegungsfähigkeit einiger Finger in seiner linken Hand ist eingeschränkt. Der Malermeister vermutet, dass es zu den Bandscheibenvorfällen kam, weil sein Kopf für die OP falsch gelagert wurde. Er verklagte die behandelnden Ärzte des Klinikums Fürstenfeldbruck vor der Arzthaftungskammer in einem Zivilverfahren am Landgericht München II auf Schmerzensgeld, Schadenersatz, sowie Renten- und Verdienstansprüche. Alles in allem summieren sich die Forderungen auf knapp 380 000 Euro.

In der Beweisaufnahme hatte das Landgericht München II auch zwei Sachverständige einer Klinik aus Ulm hinzugezogen. Ihnen lagen Bilder einer Magnetresonanztomografie (MRT) vor, die rund drei Wochen nach der OP des 53-Jährigen gemacht worden waren. In ihren Gutachten befanden die Sachverständigen, dass auf den Aufnahmen "keine traumatischen Veränderungen der Halswirbelsäule" des Klägers zu sehen seien. Somit könne ausgeschlossen werden, dass die Operateure des Klinikums Fürstenfeldbruck den Kopf ihres Patienten falsch lagerten. "Eine Schädigung einer gesunden Bandscheibe durch richtige Lagerung sei auszuschließen", heißt es weiter in einem der Gutachten. Doch die Halswirbelsäule des 53-Jährigen war vorgeschädigt. 2013 waren im Zuge einer anderen Behandlung leichte Vorwölbungen der Halswirbel festgestellt worden. Ob die Ärzte des Klinikums Fürstenfeldbruck davon wussten, ist strittig.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Das Landgericht München II wies aufgrund der beiden Gutachten die Klage des Malermeisters ab. Doch mit dieser Entscheidung wollte sich der 53-Jährige nicht zufriedengeben und ging deshalb jetzt vor dem Oberlandesgericht (OLG) München in Berufung. In der Verhandlung vor dem Ersten Senat erklärte er unter anderem, dass die Angaben der Sachverständigen in "bestimmten Punkten belegbar falsch" seien. Unter anderem waren sie zu dem Ergebnis gelangt, dass auf dem MRT von der Halswirbelsäule des Klägers "Einblutungen" zu sehen müssten, wenn es bei der OP zu einem Trauma in der Halswirbelsäule gekommen wäre. Da aber zwischen der Operation und dem MRT fast gut drei Wochen lagen, hätten sich Blutergüsse in dieser Zeit auch abbauen können, behauptet der Malermeister. "Einblutungen müssen nach dieser Zeit nicht mehr da sein."

Um nachzuweisen, dass sein Kopf bei der OP falsch gelagert wurde, fordern er und sein Anwalt Jürgen Klass unter anderem die Einholung eines biomechanischen Gutachtens. Von ihm erhoffen sie sich wichtige Hinweise dazu, wie es zu den Bandscheibenvorfällen in der Halswirbelsäule kam. Im Bericht des Klinikums sei nicht genau dokumentiert, wie der Kopf gelagert worden sei. Wenn auch ein biomechanischer Sachverständiger zu dem Ergebnis komme, dass die Ärzte des Klinikums Fürstenfeldbruck keinen Fehler gemacht haben, "dann habe ich verloren", sagte der Malermeister in der Verhandlung vor dem OLG. Die Gutachten der Sachverständigen, die das Landgericht München II hinzugezogen hatten, bezeichnete er als "kollegiale Gutachten". Sie seien "nicht unabhängig", da beide an derselben Klinik arbeiteten.

Gericht sieht keine Notwendigkeit für weiteren Gutachter

Aus Sicht der Richter des OLG ist jedoch allein die Auswertung des MRT durch die Sachverständigen maßgeblich und sei nicht "Sache eines biomechanischen Gutachters." Der Senat werde die Klage abweisen, erklärte die Vorsitzende Richterin Brigitte Schroeder. Rechtsanwalt Jürgen Klass forderte unter anderem den Fall an das Landgericht München II zurückzuverweisen. Denn die Verhandlung dort "sei unglücklich verlaufen." Sein Mandant habe den Sachverständigen kaum Fragen stellen können. Und auch dessen Frau, die mit im Krankenhaus war, sei nicht vernommen worden. Wenn Zeugen nicht gehört würden, sei die Beweiserhebung "unvollständig", kritisierte der Anwalt. "Aus Sicht eines Laien und des Bürgers ist so ein Vorgehen problematisch."

Auch wenn das OLG seine Berufung verwirft, will der Malermeister weiterkämpfen. "Ich gehe auch zum Bundesgerichtshof", sagte er in der Verhandlung. Der 53-Jährige lebt seit jener für ihn schicksalhaften Operation vor vier Jahren von Erspartem und Rücklagen. Seine Firma musste er aufgeben. Seine Frau geht zwei Jobs nach, damit beide finanziell über die Runden kommen. Eine Entscheidung in dem Fall wird der Erste Senat des OLG Mitte Juni verkünden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Artenvielfalt und Wasserverbrauch
:"Mit einem Garten geht man eine Verantwortung ein"

Für viele ist der eigene Garten eine Leidenschaft - doch worauf sollte man achten und wie wird er fit für den Klimawandel? Das wissen die Landschaftsarchitekten Martin und Christine Lohde, die zum 20. Mal die Fürstenfelder Gartentage organisieren.

Interview von Florian Haamann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: