Interview:"Die Nachfrage ist überschaubar"

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Eine Krankenschwester zieht den Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax auf. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Ist Novavax ein Ladenhüter? Der große Run auf das neue Vakzin bleibt aus. Impfarzt Matthias Skrzypczak spricht über erste Erfahrungen, über die einrichtungsbezogene Impfpflicht und auch über ukrainische Flüchtlinge.

Seit Anfang März ist der neu zugelassene Impfstoff Novavax in Bayern erhältlich. Zunächst hatten Beschäftigte im Gesundheitswesen Priorität. Nun ist er für alle Erwachsenen freigegeben worden. An die Zulassung des proteinbasierten Impfstoffs hatten Experten die Hoffnung geknüpft, nun würden sich viele Kritiker der mRNA-Impfstoffe Biontech/Pfizer oder Moderna doch noch immunisieren lassen. Matthias Skrzypczak, 40, Mediziner und Leiter des Fürstenfeldbrucker Impfzentrums, kann einen Run auf Novavax nicht bestätigen.

SZ: Was ist mit den Impfskeptikern, die angeblich nur auf Novovax gewartet haben?

Matthias Skrzypczak: Fest steht, dass wir ausreichende Mengen haben, aber sich das Interesse in Grenzen hält. Bislang Ungeimpfte, die ins Impfzentrum kommen, haben teilweise einen großen Beratungsbedarf. Meine Erfahrung ist, dass sich viele anschließend eben doch mit Biontech immunisieren lassen

Priorität hatten ja bislang die Beschäftigten im Gesundheitsbereich.

Weil die Nachfrage überschaubar war, können sich schon seit ein paar Tagen alle Besucher ohne Termin auch mit Novavax impfen lassen. Bislang haben wir den Impfstoff in Einzelfällen auch an Hausärzte weitergereicht. Von nächster Woche können die ihn über Apotheken beziehen, wodurch die Verteilung vereinfacht wird.

Matthias Skrzypczak ist medizinischer Leiter des Impfzentrums an der Fürstenfeldbrucker Industriestraße. (Foto: privat)

Wie wirksam ist Novavax und wurden im Impfzentrum gravierende Nebenwirkungen festgestellt?

Novavax ist gut verträglich, und Nebenwirkungen haben wir nicht festgestellt. Verallgemeinern kann man das aber wegen der geringen Zahlen noch nicht. Denn der Anteil von Novavax an den aktuell täglich durchgeführten Impfungen im Vergleich zu den bewährten mRNA-Impfstoffen liegt bei weniger als zehn Prozent. Daten aus den Zulassungsstudien lassen darauf schließen, dass die Wirksamkeit ebenfalls bei etwa 90 Prozent liegt. Die neuen Omikron-Varianten sind dabei allerdings noch nicht berücksichtigt. mRNA-Impfstoffe dürften sich schneller an solche neuen Varianten anpassen lassen. Unterm Strich gilt aber: Geimpft ist immer besser als nicht geimpft, egal mit welchem Vakzin. Dann sind im Fall einer Ansteckung in der Regel die Krankheitsverläufe milder.

Um die 200 Injektionen werden zurzeit täglich im Impfzentrum verabreicht - deutlich weniger als möglich wäre. Wie lange wird das Angebot im Westen Fürstenfeldbrucks noch aufrecht erhalten?

Mindestens bis Ende Dezember, wobei wir uns mit Art und Umfang des Angebotes durchaus an der Nachfrage orientieren und auch mit Blick auf die mobilen Teams nichts in Stein gemeißelt ist.

Am 16. März tritt die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft. Betroffen sind unter anderem Menschen, die in Pflegeheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen oder medizinischen Einrichtungen arbeiten. Was ändert sich dadurch an Ihrer Arbeit?

Zunächst melden die Einrichtungen den Impfstatus ihrer Mitarbeiter ans Gesundheitsamt. Es besteht die Möglichkeit, zunächst ein dokumentiertes ärztliches Beratungsgespräch zu fordern. Diese Gespräche können zu festen Terminen auch im Impfzentrum stattfinden. Es geht darum, mögliche Vorbehalte zu besprechen und im Idealfall auszuräumen. Da kann es dann beispielsweise um Allergien oder spezielle Vorerkrankungen gehen, die gegen eine Immunisierung sprechen. Ich erwarte vor diesem Hintergrund einen zunehmenden Beratungsbedarf für unser ärztliches Team. Generell möchte ich aber auch nochmals betonen, dass ein solches Informations- oder Beratungsgespräch natürlich für alle Personen möglich ist, die noch zögern, sich impfen zu lassen. Unabhängig von der Berufsgruppe nehmen wir uns gerne für die einzelnen Impflinge Zeit.

Die Krise in der Ukraine und die entstandenen Flüchtlingsströme bewegen ganz Deutschland. Wie sehr prägt das Ihre tägliche Arbeit im Impfzentrum?

Mit Impfungen von Flüchtlingen haben wir lange Erfahrung. Insbesondere die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften birgt ein großes Risikopotenzial für die Bewohner selbst, aber auch für das Umfeld wie die besuchten Schulen und vergleichbare Einrichtungen. Daher haben wir seit Beginn des Impfzentrums große Anstrengungen auch in diesem Bereich unternommen. Die aktuelle Situation stellt alle vor große Herausforderungen. Wir als Impfzentrum wollen unseren Beitrag entsprechend leisten. Wir haben ab dem ersten Tag sichergestellt, dass alle Flüchtlinge jederzeit und auch ohne Termin ins Impfzentrum kommen können. Auch in den größeren dezentralen Einrichtungen haben wir uns zur Aufgabe gemacht, innerhalb von 48 Stunden nach Ankommen zumindest bei allen den Impfstatus zu erheben und ein erstes Impfangebot zu machen. So haben wir beispielsweise am Donnerstag schon die ersten Einrichtungen mit mobilen Teams besucht. Dies geschieht mit viel Fingerspitzengefühl. Uns ist bewusst, dass Menschen, die gerade aus einem Kriegsgebiet geflüchtet sind, auch andere Sorgen haben und erstmal ankommen müssen. Aber unsere bisherigen Erfahrungen zeigen eine große Dankbarkeit für unser Angebot.

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