Fürstenfeldbruck:"Reisen ist ein Grundbedürfnis geworden"

Lesezeit: 2 min

Urlaub in Österreich, wie hier auf der Reiteralm, und gerne auch Camping - das ist in der Coronazeit bei den Menschen gefragt. (Foto: imago stock&people/imago/Westend61)

Durch die Corona-Pandemie sei der Tourismus nicht nachhaltiger geworden, sagt Experte Jürgen Schmude. Doch einiges hat sich durchaus verändert.

Von Konstantin Hadzi-Vukovic, Fürstenfeldbruck

"Die Deutschen haben während Covid-19 ihren Urlaub nicht auf Balkonien verbracht", sagt Jürgen Schmude, Professor im Ruhestand für Tourismuswirtschaft und Nachhaltigkeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die geläufige Meinung sei, dass es einen kompletten Reisesstop gegeben habe. Es habe einen Rückgang von 15 Prozent gegeben.

"Das ist definitiv ein enormer Rückgang, aber es gab trotzdem viele Menschen, die in dieser Krisensituation reisten", sagt der Wirtschaftsgeograf. Neben seiner früheren akademischen Laufbahn ist er wissenschaftlicher Leiter des Bayerischen Zentrums für Tourismus und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft.

Kürzlich hielt Schmude im Kirchenraum der evangelischen Gnadenkirche beim Brucker Zeitgespräch einen Vortrag zum Thema "Reisen in Krisenzeiten - ändern Corona, Krieg und Inflation unser Reiseverhalten?" Etwa fünfzehn Besucher kamen zum Vortrag.

Professor Jürgen Schmude beim Zeitgespräch über nachhaltiges Reisen. (Foto: Konstantin Hadzi-Vukovic/oh)

"Unser Reiseverhalten hat sich durch Corona nicht dauerhaft verändert", sagte der Experte. Dieses Jahr werde das Reiseverhalten wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen. Die Wissenschaft habe erwartet, dass die Krise das Reiseverhalten nachhaltiger machen und transformieren werde. "Das ist nicht passiert." Umfragen während der Pandemie hätten gezeigt, dass Menschen sehr wohl den Wunsch hätten, nachhaltiger zu reisen. Das tatsächliche Verhalten nach Corona sei allerdings ein anderes gewesen.

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"Man ist halt nicht nach Spanien oder Italien gereist", erklärte der Professor. Dort sei die Situation schwer gewesen. Deswegen seien die Menschen ins grenznahe Ausland gereist - aus jedem Bundesland dorthin, wo es für sie am nächsten war. In den Niederlanden etwa habe es einen Reisezuwachs gegeben, vor allem aus Nordrhein-Westfalen seien die Menschen gekommen. Die Bayern seien nach Österreich gereist. Außerdem sei die Campingwirtschaft explodiert. "Die Menschen sind nicht nach Mallorca gefahren, sondern halt nach Garmisch-Partenkirchen."

Im April 2020 gab es in Bayern fast keinen Tourismus. Doch im September desselben Jahrs waren einige Tourismusgebiete in Bayern bereits wieder besser besucht als in den fünf Jahren zuvor. "Die Krise trifft alle gleich, aber die Erholung findet unterschiedlich statt", sagte der Tourismusexperte.

Kreuzfahrten sind billiger und weniger geworden, und es sieht nicht nach einer baldigen Erholung dieser Branche aus. "Die Geschäftsreise als solche ist auch verschwunden", berichtete Schmude. Homeoffice und digitale Medien hätten sie obsolet gemacht.

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Ein Besucher fragte, inwiefern Inflation das Reisen verringere. "Die Reiselust sinkt nicht", antwortete Schmude. Er scherze immer mit seinen Studierenden, dass die Reiselust wie Sex sei: "Entweder man hat es oder nicht." Menschen sparen an bestimmten Teilen der Reise, aber den Urlaub selbst sagen sie nicht ab.

Auf die Nachfrage einer Besucherin, was man tun könne, um nachhaltigeres Reisen zu fördern, sagte Schmude: "Menschen reduzieren lieber andere Sachen als das Reisen." Reisen sei heutzutage ein Grundbedürfnis geworden.

Gleichwohl ist auch die Nachhaltigkeit zu einem Alltagsthema geworden. Inzwischen sehe er bei einigen jungen Menschen ein neues, nachhaltigeres Reiseverhalten aufkommen, so Jürgen Schmude.

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