Landtagswahl:Schlagabtausch in der Friesenhalle

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Podiumsdiskussion zur Landtagswahl in Eichenau (von links): Moderator Christian Hufnagel eröffnet die Diskussionsrunde mit den Landtagskandidaten Christian Holdt (ÖDP), Andreas Birzele (Die Grünen), Daniel Liebetruth (SPD), Ulrich Bode (FDP), Benjamin Miskowitsch (CSU), und Hans Friedl (Freie Wähler). (Foto: Jana Islinger)

In Eichenau erleben die Landtagskandidaten eine Premiere. Sie diskutieren auf Einladung aller örtlichen politischen Gruppierungen.

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Es ist ein Schlagabtausch auf offener Bühne, es sind Diskussionen in einem kurz vor der Sommerpause doch noch heißer werdenden Landtagswahlkampf. Wer die Kandidaten im Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost sind, für welche Positionen sie stehen und welchen persönlichen Eindruck sie vermitteln können, das wollen die in Eichenau vertretenen politischen Gruppierung in einer gemeinsamen Veranstaltung einem größeren Publikum vermitteln. So kommen am Montagabend etwa 170 politisch interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer zu der von der Fürstenfeldbrucker SZ moderierten Podiumsdiskussion in die Friesenhalle und holen sich dort Informationen und Entscheidungshilfe, um am 8. Oktober zur Wahl gehen zu können.

Die Fragen zu landespolitischen und lokalen Themen von Moderator und SZ-Teamleiter Christian Hufnagel sowie aus dem Publikum beantworten der Stimmkreisabgeordnete Benjamin Miskowitsch (CSU) aus Mammendorf, der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Hans Friedl aus Alling, und deren weitere Herausforderer Andreas Birzele aus Hörbach (Grüne), Ulrich Bode aus Eichenau (FDP), Christian Holdt aus Emmering (ÖDP) und Daniel Liebetruth aus Germering (SPD).

Bezahlbares Wohnen

Für Daniel Liebetruth ist die "neue soziale Frage", ob sich die Menschen im Großraum München das Wohnen überhaupt noch leisten können. Er plädiert für die Schaffung von öffentlich gefördertem Wohnraum und erinnert in Richtung des CSU-Abgeordneten Miskowitsch an die Entscheidung des damaligen Finanzministers und amtierenden Ministerpräsidenten Markus Söder, der 2013 33 000 Wohnungen "verschleudert" habe. Von den von der seinerzeit neu gegründeten Bayernheim versprochenen 10 000 Wohnungen seien bis jetzt nur 68 gebaut worden. "Bei diesem Thema ist die bayerische Staatsregierung ein Totalausfall", schimpfte der Kandidat der SPD unter dem Applaus seiner Anhänger im Saal.

Bezahlbaren Wohnraum schaffen würde Christian Holdt am liebsten mit Genossenschaften, deren Wohnungen für die Mitglieder die Möglichkeiten offen hielten, eine größere gegen eine kleinere zu tauschen, wenn das erforderlich sei. Auch die Kommunen, so Holdt, sollten durch staatliche Förderung in die Lage versetzt werden, Wohnungen zu bauen, die bezahlbar wären.

Um die vielen Zuhörer in der Friesenhalle unterzubringen, stellen Grünen-Sprecher Hans Sautmann (links) und Bürgermeister Peter Münster (FDP) Stühle und Tische auf. (Foto: Jana Islinger)

Familien, meint Ulrich Bode, sollten in die Lage versetzt werden, Vermögen aufzubauen. "Am besten ist es", findet er, "die Menschen kommen in Eigentum." Dafür könnte es seiner Meinung nach auch staatliche Unterstützung geben.

Ausbau der S-Bahn

Als Benjamin Miskowitsch vom viergleisigen Ausbau der S-Bahn zwischen Pasing und Fürstenfeldbruck spricht, erzählt er von einem "Wohlfühlthema". Er blickt dabei zurück, als eine dreigleisige Ausbauplanung bis Eichenau im Gespräch war mit der Option eines vierten Gleises in der Zukunft. Und er ruft ins Gedächtnis, dass sich "erst durch die Eingruppierung in den Deutschlandtakt" die Rentabilität des viergleisigen Ausbaus ergeben habe. Im Landtag sei man zu der Meinung gelangt, dass die Planung über Eichenau hinaus nach Fürstenfeldbruck stattfinden müsse: "Wir wollen keine Konkurrenzsituation." So werde diese Variante nun mitgeplant.

Es habe aber, wirft Daniel Liebetruth ein, in den zwölf Jahren, in denen die CSU die Bundesverkehrsminister stellte, keine Verbesserung gegeben. Die zweite Stammstrecke sei noch lange nicht gebaut, "das lässt die Pendlerinnen und Pendler massiv leiden". Und die Teuerungen und Verzögerungen seien vertuscht worden. Miskowitsch meint, dass es mit dem Bau der zweiten Stammstrecke allein nicht getan sei, man werde mehr in den Schienenverkehr investieren müssen.

Das ist für Andreas Birzele Anlass, auf die Situation des Nahverkehrs im westlichen Landkreis aufmerksam zu machen. Vor vielen Jahren sei der Stundentakt für die Regionalbahn versprochen worden, mit der Vorgabe, dass der erst komme, wenn die zweite Stammstrecke fertiggestellt sei. "Das ist nach 2037", stellt der Grünen-Kandidat ernüchtert fest.

Digitalisierung

Die Digitalisierung ist für Ulrich Bode der Schlüssel. Der Kandidat der Liberalen sieht darin das Mittel zur Bildung, zum Bürokratieabbau, zum Ausgleich des Pflegemangels und zu mehr Produktivität in der Landwirtschaft. Voraussetzung dafür ist seiner Meinung nach der noch lange nicht vollendete Breitbandausbau, der in Bayern schon 2018 hätte abgeschlossen sein müssen. Dass der neue Digitalplan für Bayern erst jetzt geprüft werde, verbucht Bode unter der Überschrift: "Schau mer mal". So aber bleibe es bei dem einen oder anderen Pilotprojekt, anstatt "endlich mal zu machen".

Benjamin Miskowitsch fällt dazu ein, dass die ÖDP sich gegen die Digitalisierung stelle, dass sie den Mobilfunkstandard und damit den Bau von Funkanlagen für 5 G ablehne. "Wir sind wahnsinnig weit hinten." Was Hans Friedl zu der spontanen Äußerung veranlasst: "Die ÖDP ist ja noch grüner als die Grünen." Worauf Andreas Birzele die Amtszeit von CSU-Ministerin Dorothee Bär von 2019 bis 2021 kritisiert, in der in Sachen Digitalisierung nichts passiert sei: "ein totaler Systemausfall."

Vor dem Auftritt: Moderator Christian Hufnagel (zweiter von rechts) im Gespräch mit den Podiumsgästen (von links) Christian Holdt (ÖDP), Daniel Liebetruth (SPD), Ulrich Bode (FDP), Andreas Birzele (Grüne), Hans Friedl (Freie Wähler) und Benjamin Miskowitsch (CSU). (Foto: Jana Islinger)

Schulen

Als Schreinermeister sieht Andreas Birzele das rapide schwindende Interesse von Schulabsolventen an Lehrberufen. Der Grüne plädiert dafür, die Ausbildungsberufe und die akademischen Berufe gleichzustellen. "Es ist keine Schande, wenn man auf die Mittelschule geht und danach eine Handwerkslehre macht", sagt er und wirbt für die duale Ausbildung. Hans Friedl schwärmt von den Mittelschulen als "Macherschulen" und fordert deren Aufwertung, während Daniel Liebetruth dem FW-Abgeordneten vorwirft, dass die Lehrer an Mittelschulen sofort besser bezahlt werden müssten, anstatt dass deren Gehalt nur schrittweise bis 2026 angehoben werde. Friedl sieht ein Problem im eklatanten Lehrermangel darin, dass 60 Prozent der Lehrkräfte in Teilzeit arbeiteten und viele von ihnen sich ihrer Familienplanung widmeten. Eine Aussage, die im Publikum wie auf dem Podium Unmut auslöst.

Zuwanderung

"Wir haben genügend Personal, wir setzen es nur falsch ein", behauptet Ulrich Bode und hat die Lösung für den Fachkräftemangel gleich parat: Digitalisierung ermögliche es, bürokratische Prozesse abzubauen und so Beschäftigte für andere Arbeiten einsetzen zu können. Von Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt hält Bode nicht viel, weil er davon überzeugt ist, dass dann Fachkräfte in Ländern fehlen, die sich entwickeln sollten.

Hans Friedl kann sich Zuwanderung nach kanadischem Vorbild vorstellen, also ein Punktesystem, das vorwiegend jüngere Arbeitskräfte präferiert. Eine kontrollierte Einwanderung von Arbeitskräften möchte Benjamin Miskowitsch, "ohne werden wir nicht auskommen". Zuwanderung sei maßgeblich, meinen SPD-Kandidat Liebetruth und der Grüne Birzele. "Ohne werden wir als Wirtschaftsland nicht überleben", sagt Birzele. Und Christian Holdt verlangt die Integration von Geflüchteten nicht nur bei der Versorgung mit dem Nötigsten: "Wir müssen sie nicht nur unterbringen, sondern auch beschäftigen."

Erbschaftsteuer

Kaum ein anderes Thema hat Hans Friedl so gepackt wie die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Eine reine "Neidsteuer" sei sie, denn auf alles im Zusammengang mit Immobilienbesitz würden Steuern erhoben, auch noch, wenn er vererbt wird. Es sei an der Zeit, diese Steuer durch die Länder regeln zu lassen, und es gehe darum, Eigentum zu schützen. Mit seinem Ausruf auf dem Podium: "Wehret den Anfängen", aber gerät er bei Liebetruth an den Falschen. Der denkt prompt an FW-Chef Hubert Aiwangers Auftritt in Erding und blafft zurück, dass die Freien Wähler die seien, die die "Brandmauer nach rechts einreißen". Die Erbschaftsteuer betreffe ohnehin nur wenige, die Freien Wähler wollten "Steuergeschenke für die Superreichen" machen.

Ulrich Bode korrigiert den SPD-Mitbewerber und beklagt, dass es den Mittelstand treffe. Wenn wegen zu hoher Steuer verkauft werden müsse, so der FDP-Kandidat, ziehe das "Investoren aus dem Ausland an oder irgendwelche Mafia-Leute wie am Tegernsee".

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