Die beiden charakteristischen Türme sind auch auf der Bühne zu sehen. Allerdings nur als Zeichnung. Der Kirchturm von Grunertshofen und jener turmartige Aufbau auf dem Schloss finden sich auf dem Hintergrundgemälde, als die Mitglieder der Zirkus AG die Bühne betreten, um zu jonglieren oder auf großen Bällen zu tanzen. Viele Eltern sind in die Schulturnhalle gekommen, johlen und applaudieren den Kindern.
Eigentlich hätten die Vorführungen im Freien stattfinden sollen, wo man eigens einen Maibaum aufgestellt hatte, doch das Wetter, es wollte nicht so an dem Tag, an dem sich das Landschulheim Grunertshofen erstmals nach der Corona-Zeit wieder der Öffentlichkeit vorstellte. Und so spielte sich alles drinnen ab beim "Tag der offenen Tür", bei dem man sich in der Regel von seiner besten Seite zeigt, Fragen beantwortet, Kulinarisches anbietet.
Das Landschulheim, das so pittoresk in einem alten Schloss im kleinen Moorenweiser Ortsteil Grunertshofen untergebracht ist, war einst ein Internat, heute ist es ein integratives Haus für Kinder mit Grund- und Mittelschule, Krippe, Kindergarten und Hort. Angeschlossen sind sozial- und heilpädagogische Tages- und Wohngruppen für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Die Lage weit draußen auf dem Land ist idyllisch, aber auch vergleichsweise abgelegen. Schon 1899 wurde in dem im Jahr 1601 erbauten Schloss eine Knabenerziehungsanstalt eingerichtet und 1935 in ein katholisches Landschulheim umgewandelt. 1968 wurde aus der öffentlichen Volksschule im Landschulheim eine private Volksschule, seit 1988 gibt es dort heilpädagogisch orientierte Wohngruppen. 2008 eröffneten Kinderkrippe und Kindergarten.
Das Interesse ist groß. Doch schon bei der Besichtigung hat Schulleiterin Simone Ring eine Botschaft im Gepäck, die die Interessenten enttäuschen wird: "Wir würde ja gerne, aber es tut mir leid." Es gibt mehr Bewerber als Schulplätze, limitierender Faktor sind die Lehrkräfte. Von ihnen gibt es nicht genügend. Dabei richtet sich das Anforderungsprofil an normale Grund- und Mittelschullehrer, Sonderpädagogen sind nicht im Einsatz. "Wir unterstützen uns gegenseitig und lernen am Kind", sagt Ring dazu. Der Vorstellungstag richtet sich deshalb auch an potenzielle Lehrkräfte. Simone Ring hofft darauf, dass es sich herumspricht, dass die Schule Lehrer sucht.
Das Kollegium besteht aktuell aus zwölf Lehrerinnen und Lehrern, zwei davon haben eine "Doppelklassenführung" inne, wie Ring sagt. Sie leiten gleichzeitig zwei Klassen. Im kommenden Schuljahr wird sie das wohl auch selbst tun müssen, denn der Student, der noch vor Abschluss seines Examens im vorigen September in Grunertshofen anfing zu unterrichten, wird die Schule am Ende des Schuljahres wieder verlassen. Er wolle sich im Staatsdienst verbeamten lassen, sagt Ring, und wer könne ihm das verdenken. Als private Einrichtung mit staatlich anerkannter Schule bietet Grunertshofen das nicht. Träger der Schule ist der Sankt Vinzentius Zentralverein in München, der zur Caritas gehört.
Auch in den übrigen Bereichen übersteigt die Nachfrage das Angebot, bestätigt Susanne Lippert, die stellvertretende Einrichtungsleiterin. Hätte man für den stationären Bereich mehr Personal, sei "jeweils eine Gruppe mehr möglich". Landesweit suchten die Jugendämter nach Stellen, wo sie Kinder unterbringen können. In Grunertshofen finden vor allem Kinder mit unterschiedlichsten Problemen einen Platz: Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, mit Schulschwierigkeiten, ADHS, Autismusspektrumsstörungen, Trennungs- oder Scheidungskinder, Kinder aus zerrütteten Familien oder solchen, in denen ein Elternteil psychisch krank oder verstorben ist. Manche leben in den Wohngruppen, ein Internat ist die Schule aber nicht mehr. Es gibt vormalige Internatsschüler, die später durchaus Prominenz erlangten: Josef Vilsmaier etwa, der vor drei Jahren verstorbene Filmregisseur ("Herbstmilch"). Ein halbes Jahr vor seinem Tod hatte er seine ehemalige Schule noch anlässlich deren 120-Jahr-Feier besucht.
Die Grund- und Mittelschule in Grunertshofen hat sogar eine Genehmigung dafür, zweizügig geführt zu werden. Doch das ist wegen des Lehrermangels nicht mehr möglich. Derzeit gibt es von der ersten bis zur neunten Klasse nur jeweils eine Klasse. Was die Eltern allerdings besonders schätzen, sind die kleinen Klassen, im Durchschnitt sitzen darin zwischen 14 und 16 Kinder. "Das ist vielen Eltern wichtig", weiß Schulleiterin Ring. Dennoch muss sie viele Mütter und Väter enttäuschen. Vielen bleibe dann oft nur die Sprengelschule am Wohnort. Die muss jedes Kind aufnehmen.