Kultur:Fließende Bewegungen in g-Moll

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Drei Wochen lang sind die 18 Schüler aus Tokio in Europa unterwegs. In der Gröbenzeller Steiner-Schule zeigen sie ihr Eurythmie-Programm. Darin erzählen sie auch das japanische Märchen von der "Baumbusprinzessin". (Foto: Matthias Döring)

Waldorfschüler aus Tokio präsentieren bei einem Besuch in Gröbenzell Musik, Gedichte und ein Märchen aus ihrer Heimat - alles in der Bewegungskunst der Eurythmie. Das Publikum ist begeistert

Von Zoe Englmaier, Gröbenzell

Erwartungsvolle Stille herrscht im Großen Saal der Rudolf-Steiner-Schule. Das Publikum fixiert die 18 Schüler, die sich auf der Bühne zu einer Sonate von Robert Schumann bewegen. Pastellfarbene Beleuchtung in Rot-, Blau-, Orange- und Grüntönen, verstärkt die jeweilige Stimmung der Bewegungen. Die Mädchen tragen gelbe Kleider und darüber rote Seidenumhänge, die Jungen dagegen rote Gewänder und gelbe Tücher. Sie alle stammen aus einer zwölftem Klasse der Kenji-Steiner-Schule aus Tokio, die an diesem Abend in Gröbenzell zu Gast ist, um ihr Eurythmie-Programm zu präsentieren.

Die Kenji-Schule ist eine von nur sieben Steiner-Schulen in Japan. In Deutschland gibt es 245 Rudolf-Steiner-Schulen. "Die Jugendlichen machen gerade ihre Abschlussfahrt", erklärt Virgilius Vogl, der Eurythmielehrer der japanischen Klasse. Drei Wochen dauere die Kulturreise durch Europa, die sie in Städte wie Venedig, Paris, Amsterdam und Berlin führt.

Entwickelt wurde die Bewegungskunst Eurythmie im frühen 20. Jahrhundert. Mit ihr soll den Schülern die Möglichkeit gegeben werden, Gefühle und Gedanken die Texte und Musik bei ihnen auslösen, durch Bewegung auszudrücken. Es gibt keine Regeln, jeder Eurythmist kann seine Choreografie - die sogenannte Form - frei gestalten. Dabei gibt es die Möglichkeit, entweder auf Gruppeninszenierungen oder eine solistische Form zurückzugreifen. Keine andere auf Sprache basierende Bewegungskunst hat so viele Ausdrucksmittel für Lyrik und Prosa.

So interpretieren die jungen Eurythmisten also Schumanns Sonate. Die hohen und tiefen Töne werden durch das Heben und Senken der Arme dargestellt. Teils in kleinen Gruppen bewegen sich jeweils sechs Schüler synchron als Kreis vor und zurück. Plötzlich wird das Stück schneller und die Gruppe wirbelt auseinander. Die Jugendlichen rennen hektisch durcheinander, bewegen ihre Arme schneller, aber trotzdem einheitlich, und kommen letztendlich in einer Art Reißverschlussverfahren in der Mitte der Bühne zum Stehen. Das Publikum kann den Konflikt Schumanns erahnen, der während er das Stück komponierte, unter tiefen Liebeskummer litt. Verstärkt wird der Ausdruck dieses Gefühls durch die Seidentücher. Sie wirken als Verlängerung der Armbewegungen, lassen so das gezeigte nachklingen.

Einen Einblick in die japanische Kultur gibt das Märchen "die Bambusprinzessin". Es handelt von einer Mondprinzessin, die als Strafe für ihr Verhalten auf die Erde geschickt wird. In einem Bambusfeld gelandet, wird sie von einem alten Ehepaar gefunden. Die beiden nehmen das Mädchen bei sich auf. Von allen "Bambusprinzessin" genannt, entwickelt sie sich zu einer wunderschönen Frau. Viele Männer werden von ihrer Schönheit angezogen und halten um ihre Hand an. Die Mondbewohner beobachten die Geschehnisse auf der Erde.

Die Schüler lesen abwechselnd in unterschiedlichen Stimmlagen das amüsante Märchen auf Japanisch vor. Vogl übersetzt es für das Publikum auf Deutsch und Bairisch. Währendessen bewegen sich die Schüler in japanischen Kostümen auf der Bühne. Wird eine Frage gestellt, beugt sich die Figur am Ende des Satzes nach vorne, winkelt einen Arm nach oben an und legt den anderen über die Brust - das eurythmische Zeichen für eine Frage. Besonders Vokale werden durch Bewegungen gezeigt, zum Beispiel das "E" mit gekreuzten Armen vor der Brust oder das "I" indem man einen Arm in die Luft streckt. Liegt die Betonung eines Wortes jedoch auf einem Konsonanten, wird dieser gestisch dargestellt. Bewegt man beispielsweise die Arme kreisend nach vorne, vom Körper weg, so ist das der Ausdruck für den Buchstaben "R".

Als Vogl den Fährmann mit bairischen Ausdrücken wie "au weh" aus dem Japanischen übersetzt, lachen die Zuschauer begeistert. So endet die Vorführung mit schallendem Applaus, einigen Lachern und vielen gewonnenen Einblicken in die japanische Kultur.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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