Konzert:"Kulturelles Tafelsilber"

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Die Gruppe "Quadro Nuevo" spielt ihre Versionen deutscher Volkslieder

Interview Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

25 Jahre lang mussten die Musiker von Quadro Nuevo durch die ganze Welt reisen, Melodien und Techniken kennen lernen und adaptieren, um nun in der Musik ihrer Heimat eine neue Herausforderung zu finden: die Volksmusik. Auf ihrem neuen Album haben sie zahlreiche Volkslieder gemeinsam mit dem Münchner Rundfunkorchester komplett neu interpretiert. Am Samstag, 11. Mai, treten sie gemeinsam im Veranstaltungsforum Fürstenfeld auf. Im Interview spricht Bandleader Mulo Francel über die Entstehung des Albums.

SZ: Herr Francel, was ist denn passiert, dass Sie sich dazu entschlossen haben, sich ausgerechnet mit dem deutschen Volkslied zu beschäftigen?

Mulo Francel: Es gibt da tatsächlich ein Schlüsselerlebnis. Wir haben zusammen eine Olymp-Besteigung in Griechenland gemacht. Abends waren wir dann in einer Hütte mit Gruppen aus Griechenland und Italien, die dann ihre Volkslieder gesungen haben. Irgendwann meinten sie zu uns, dass wir doch auch mal etwas Deutsches singen sollen. Da haben wir gemerkt, wir kennen einfach keines so gut, dass wir es jetzt singen könnten. Und wenn, dann wäre es doch etwas sehr Verkrampftes gewesen. Bei mir erzeugt der Gedanke Erinnerungen an komische Musiklehrer, bei denen man das singen musste. Obwohl ich als Kind den Text von: "Die Gedanken sind frei", schon gut fand. Aber das traut man sich in diesem Alter ja nicht zu sagen.

Das Volkslied hat in Deutschland aber nicht nur wegen des Musikunterrichts einen schwierigen Stand.

Ja, was da vor 70, 80 Jahren passiert ist, ist passiert. Und es gibt immer noch Gruppen, die versuchen dieses Kulturgut vor ihren Wagen zu spannen. Aber uns geht es nicht darum, wie das Volkslied mal verkorkst wurde. Wir sehen die Lieder in der Tradition der alten Lieder, die nicht politisch sind, sondern sich mit Themen aus dem Leben beschäftigen, die jeder kennt: Wandern, Schönheit, Liebe, Natur, Arbeit, Beisammensein und auch mal der Rausch. Volkslieder gehören zu unserem kulturellen Tafelsilber, das wir uns nicht entreißen lassen sollten.

Wenn man sich ihre Versionen anhört, ist von den ursprünglichen Melodien oft nur noch wenig zu hören.

Wir haben die Lieder skelettiert und dann komplett neu arrangiert. "Im Frühtau zum Berge" etwa hat Dur-Melodie, die nach oben strebt. Wir haben das mit einem Minimal-Music-Grove unterlegt, wo jeder von uns etwas anderes spielt. Das ist alles für sich gesehen sehr abstrakt. Aber wenn wir zusammen spielen ist das wie ein Mosaik, dass am Ende ein vielsichtiges Bild ergibt. Da ist vom Volksliedhaften nicht mehr viel übrig, vielmehr bewegt es sich zwischen Jazz, Minimal, Impro.

Gibt es trotz der verschiedenen Stile in denen Sie die Lieder interpretieren, Gemeinsamkeiten?

Es ist wirklich bei jedem Lied anders. Jedes hat seine eigene Aura und dadurch andere Notwendigkeiten. "Hoch auf dem gelben Wagen" beispielsweise ist ein Lied, das wir aus den Siebzigerjahren kennen, als Walter Scheel es populär gemacht hat. Das kennt jeder. Wir spielen es in einer brasilianischen Interpretation, mit vielen Blechbläsern. Insgesamt war die Arbeit viel mit Versuch und Irrtum verbunden. Wir mussten ja nicht nur überlegen, wie wir uns unterbringen, sondern auch, was wir mit den Klangfarben des Orchesters machen können. In der Theorie kann man sich dann zwar überlegen, wie das klingt, aber spannend wird es, wenn man ein Lied dann zum ersten Mal gemeinsam spielt.

Was unterscheidet das deutsche Volkslied von dem anderer Nationen?

Deutsche Volkslieder sind im Grunde oft rhythmisch sehr einfach gehalten. Und dann gibt es da noch etwas Interessantes. In Griechenland und auf dem Balkan, in Ländern also, die als weniger ernst und nüchtern als die Deutschen gelten, sind die Lieder oft in Moll, während sie bei uns häufig in Dur sind. Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass man sich in der Kunst Gegenwelten schafft, weil man eine Sehnsucht nach dem hat, was man nicht hat.

"Volkslied Reloaded", Quadro Nuevo und Münchner Rundfunkorchester, Samstag, 11. Mai, von 20 Uhr an in Fürstenfeld. Karten im Vorverkauf ab 32, an der Abendkasse ab 34 Euro

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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