Konzert:Immer grodraus

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Hans-Jürgen Buchner und seine Band Haindling verbinden ungeschminkte Texte mit musikalischer Virtuosität. Zum Open Air kommen 1500 Menschen in der Stadtsaalhof. Die erfahren ganz nebenbei, was von Handys und Gewerbegebieten zu halten ist

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Der Mann ist nicht kleinzukriegen. Seit 37 Jahren trägt er den Namen eines kleinen Dorfes im Landkreis Straubing-Bogen durch Bayern, Deutschland, die Welt. Sogar in China und Kanada staunen sie über den Frontmann von Haindling und seinen Dialekt. Aber die niederbayerischen Wurzeln sind so etwas wie Erfolgsgaranten für Hans-Jürgen Buchner, 75, wie der Weltmusiker mit bürgerlichem Namen heißt. Buchner ist ein Publikumsmagnet: am Sonntagabend sind erneut gut 1500 Zuschauer in den Stadtsaalhof zum Open Air gekommen. Der Musiker ist an gleicher Stelle schon fünfmal aufgetreten. Den Landkreis kennt er auch deshalb gut, weil in Germering sein Freund, der Maler Heinz Braun, lebte. Der hat das Titelcover der 1984 veröffentlichten Single "Du Depp" gestaltet. Das Originalbild hat Buchner im April persönlich dem Museum Fürstenfeldbruck überreicht. Abtreten wird er an diesem Abend erst nach unzähligen Zugaben und dem Bekenntnis, dass es bei den letzten beiden Auftritten der Tour auch sehr schön gewesen sei, aber in Bruck halt noch ein Quäntchen schöner. Ganz vorne sitzt natürlich auch wieder Tasso Börner aus Sachsen, der Buchner seit 30 Jahren zu 62 Konzerten nachgereist ist.

Offen ist, ob zumindest er mittlerweile erkannt hat, was für eine Musik da vorn gespielt wird. Wikipedia verortet Haindling bei der "Neuen Volksmusik", Buchner selbst aber wird bei der Frage in Interviews regelmäßig einsilbig. Er hat ja recht, wen schert die formale Einordnung, Haindling hat einen eigenen Stil. Ein Stil, der vielleicht nicht ganz so virtuos und mit Juchzern gespickt ist wie der von Hubert von Goisern, der nicht ganz so bärbeißig politisch ist wie der von Hans Söllner, der nicht die barfüßige Urgewalt einer La Brass Banda hat und für Bierzeltmusik viel zu perfekt ist, der aber mit meist einfachen Botschaften unvergleichlich durchdringt. Vielleicht liegt das an der authentischen Kombination derber Ausdrucksweise mit musikalischer Virtuosität. Man kann sich gut vorstellen, was passieren würde, wenn man Buchner einen Parkplatz vor der Nase wegschnappen würde. Wahrscheinlich würde er die Seitenscheibe runterkurbeln, einen ausdruckslos anschauen und die Titelzeile eines seiner erfolgreichsten Lieder rezitieren: Du Depp, du Depp, du Depp, du depperta Depp du! In diesem hypothetischen Fall freilich müsste man auf das instrumentale Zusammenspiel und eine hörenswerte Combo verzichten, was ewig schade wäre. Buchner spielt alle erdenklichen Blasinstrumente, bearbeitet Klanghölzer und offenbart gerade bei den wirklich melancholischen und melodiösen Stücken wie "Das ewige Lied" sein Können an der akustischen Gitarre und dem Piano. Getragen werden die meisten Stücke aber von mehrstimmigen Saxophon- oder Trompetensequenzen, die sich auf der Tonleiter entzweien und wieder zusammenfinden. Die sechs Musiker, die da im Lichtgewitter stehen, sind Vollprofis, die zumeist bereits jahrzehntelang einen gemeinsamen Weg gehen. Allen voran der begnadete Trompeter Michael Braun, aber auch Peter Enderlein, Reinhold Hoffmann, Michael Ruff und Wolfgang Gleixner. Was sie Quetsch'n, Blasinstrumenten, Schlagzeug, Bass oder Keyboard entlocken, deckt das gesamte Spektrum ab von flirrend schneller Lebensfreude bis tiefgründig, mystisch zu Tode betrübt. Es sind eher die Lieder mit den eingängigen, nicht allzu komplizierten Botschaften, die simplen Textzeilen, mit denen Buchner sich in die Herzen der Menschen spielt. "Paula" darf nicht fehlen, genau so wenig wie "Bayern, des samma mia!", "Spinn i?" oder "Lang scho nimmer g'sehn". Hält sich anfangs noch eine dunkle Regenwolke über dem Veranstaltungsforum, so wird sie spätestens mit den beiden Alphörnern und archaischer Urgewalt Richtung Schöngeising weggeblasen. Besser so, haben die Gäste am Eingang doch neben Wasserflaschen auch sperrige Regenschirme abgeben müssen.

Fast bis auf den letzten Platz besetzt ist der Stadtsaalhof. (Foto: Günther Reger)

Buchner spricht Klartext, macht deutlich, was er von diesem ganzen "b'schissana Handytum" hält. Er selbst hat kein Mobiltelefon und kann sich deshalb um so besser das Maul zerreißen über die Leute, die nur noch mit gesenkten Köpfen durch die Gegend laufen. Ist keine vier Jahre her, da stand der Hirnforscher Manfred Spitzer auf der anderen Seite der Bühne und sprach vor vollem Haus über die verblödende Wirkung von Computern und Handys. Die beiden sind Brüder im Geiste. Eine Handynummer hat sich Buchner, der von Influencern etwa ebenso viel hält wie von einer ordentlichen Influenza, aber dann doch notiert: die des aus Niederbayern stammenden Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, den der Niederbayer Buchner so gut nachäffen kann. Der hat dem gelernten Keramiker und Töpfer-Meister versichert, dass er mit ihm auf einer Linie liege, was den Einsatz gegen die Zersiedelung und Versiegelung durch Gewerbegebiete betrifft. Keine Hilfe in Sicht ist dagegen beim Kampf für die Bewahrung des Dialekts und gegen Begriffe wie "lecker", "tschüss" oder "hallo". Manchmal macht sich Buchner die Welt auch arg einfach. Dann etwa, wenn er nicht nur über all die Lobbyisten in Brüssel schimpft, sondern dem Behördenapparat vorwirft, sich zu viel mit der Krümmung von Gurken zu beschäftigen. Aber so etwas ist das Privileg des Künstlers. Zudem kann Buchner auch einstecken. Dass Michael Braun die Zuschauer nach gut zwei Stunden bei einer der Zugaben ermuntert, ausgerechnet ihre beleuchteten Handys zu schwenken statt die guten alten Feuerzeuge - Buchner trägt's mit Fassung. Er kann auch über sich selbst lachen, verabschiedet sich mit den Worten "Leit hoit's z'samm, seid's freindlich, jawoi - aber passt's auf beim Hoamfahrn, es san so vui Deppn unterwegs." Das Singlecover "Du Depp", das der Germeringer Freund gestaltet hat, zeigt in groben Pinselstrichen das Porträt eines - um Hörner ergänzten - Mannes Ende 30: Hans-Jürgen Buchner.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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