Konzert:Der Shelter wird zum Tanzpalast

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Die Big Band Dachau erweist sich beim Musikfestival "Maisacher M-Days" als absoluter Stimmungsmacher für die Beine. (Foto: Günther Reger)

Das Musikfestival "Maisacher M-Days" bringt für einen Abend leben in den ehemaligen Flugzeughanger. Vier Bands bieten dem Publikum von Swing bis Funk ein vielfältiges wie kurzweiliges Konzert

Von Katharina Knaut, Maisach

"Seid ihr gut drauf?" ruft die Sängerin mit melodischer Stimme ins Mikro. Zustimmende Pfiffe, anschwellende Trompete, schnelleres Schlagzeug, ein letztes "Are you ready to rumble?", und dann der Kickstart: Geigen, Trompeten, Posaunen, Schlagzeug, Keyboard und Saxophone schrauben gemeinsam zu einem furiosen Finale auf, jedes Instrument scheint das andere übertreffen zu wollen. Die Zuhörer feiern den klangvollen Abschluss der ersten "Maisacher M-Days" und bewegen sich zur Musik. Sogar auf der Bühne tanzen die Sänger, was angesichts der Enge zwischen Mikros, Instrumenten und Kabeln fast wie ein Wunder erscheint.

Mitglieder aller vier Bands, die beim Festival aufgetreten sind, sind zum Abschluss auf die Bühne gekommen: Musiker der Münchener "OTunes", der Puchheimer "Bluestrings", der Big Band Dachau und des "Cantaloupe Munich International Jazz Orchestra". Beinahe wäre sogar Samu Haber, Frontsänger der populären Band "Sunrise Avenue" als Überraschungsgast aufgetreten. "Er hatte am Freitagabend ein Konzert in München und am Samstag ein Fahrtraining bei uns", sagt Robert Eichlinger, Chef der BMW Driving Experience, auf deren Gelände das Festival stattfindet. "Leider musste er seine Stimme schonen."

Aber auch ohne ihn bringen die Musiker das Publikum noch einmal ins Schwitzen. Gut 200 Menschen haben das Konzert besucht, schätzt Eichlinger. Trotz der Konkurrenz durch das Fürstenfeldbrucker Foodtruck Festival und des WM-Fußballspiels.

Das ganze Festival ist eine Veranstaltung des Feierns, der Gegensätze, der Kontroversen, des Ungewöhnlichen. Dafür haben Eichlinger und Frank Wunderer, Leiter der Pucheimer Bluestrings und musikalischer Gastgeber, gesorgt. Das beginnt bei der Location: Als Konzertsaal dient ein ehemaliger Flugzeugshelter auf dem Gelände der Driving Acadamy, einem Teilgebiet des früheren Fliegerhorstes. Wo vor Jahren Starfighter parkten, stehen Stuhlgruppen und eine kleine Bühne. Die kahlen Stahlwände und spartanische Einrichtung bieten einen denkbaren Kontrast zu der schicken bis schillernden Kleidung der musikalischen Akteuren. Auch die Geräuschkulisse ist anfangs sehr gegensätzlich. Während aus dem Hangar die ersten Probetrompetenklänge ertönen, quietschen keine hundert Meter weiter noch die Autos bei den letzten Drifttrainings. Dazwischen sitzen die Besucher auf Bierbänken und genießen die Würstchen vom aufgebauten Grill. Dieses Arrangement ist so geplant, verrät Eichlinger: "Während die Besucher sich einstimmen, wollten wir ihnen noch eine kleine Show bieten."

Auf der Bühne gehen die Gegensätze weiter. Da vier Stunden Trompete und Posaune selbst für Liebhaber anstrengend wird, hat Wunderer bei der Zusammenstellung der Bands auf Vielfalt geachtet. Treten die "OTunes", ein Münchener Ensemble aus Mitarbeitern der Firma O2, mit Saxophon und Bass noch klassisch auf, sind die folgenden Bluestrings als Streicherbigband der Kreismusikschule bereits eine Innovation, auch, weil die Mitglieder mit 16 bis 21 Jahren die mit Abstand jüngsten sind. Verstärkt wurden sie von den Musikern Oli Bott und Anna Carewe.

Beide sind für in Oberschleißheim aus Berlin angereist und sagten bei der Gelegenheit Wunderer Unterstützung zu: Carewe am Cello, Bott am Vibraphon, ein Instrument ähnlich einem Xylophon. Das Besondere dabei: die Metallplatten, auf denen gespielt wird, und das Pedal, mit dem man die Länge der Töne variieren kann. "Es ist das Jazz-Soloinstrument schlechthin", erklärt Bott. Die Klänge harmonieren mit den Streichinstrumenten , jede Note sitzt. Wobei viel improvisiert war: "Ich kannte die Stücke, aber nicht das Arrangement. Es war ein Sprung ins kalte Wasser", so Bott Einer, der zum Schluss mit viel Applaus belohnt wird.

Experimentell wird es auch bei dem "Cantaloupe - Munich international Jazz Orchestra", der Big Band, die die stärksten Kontraste bietet. Während die Musiker in weißen Hemden auf der Bühne stehen, zeigt sich der Sänger in Kapuzenpulli und Baseballcap. Er begleitet die Posaunen- und Trompetenklänge teilweise mit Deutschrap.

So kontrovers wie die Musik ist auch die Reaktion des Publikums. "Oh bitte, nicht noch eins", stöhnt eine Frau beim letzten Lied, während andere begeistert auf die ungewöhnliche Musik tanzen. Dann kommt der Auftritt der Big Band Dachau, die in ihre Musik elektronische Elemente einfließen lässt. Schon vor dem furiosen Finale mit allen Bands heizt sie noch einmal die Stimmung an. In schillernden und glitzernden Kostümen spielen sie unter anderem eine Variation von "Sweet Dreams" und eine eigenwillige Interpretation von Beethovens 5. Symphonie. Angefeuert vom energiegeladenen Dirigenten, steigert sich die Tanzlaune, bis alle begeistert durcheinander wirbeln. Dann holen sie die anderen Musiker auf die Bühne. Es erklingt die Stimme der Sängerin: "Seid ihr gut drauf?"

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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