Fürstenfeldbruck:Den Schmerz zulassen

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Kerzen zeigen auch Kindern, dass die Toten nicht vergessen sind. Das ist hilfreich, um mit dem Verlust zurecht zu kommen. (Foto: McPHOTO/M. Gann/imago/blickwinkel)

Wie können Eltern ihren Kindern helfen, mit dem Thema Tod umzugehen? Tipps und Ratschläge des Theologen und Erziehers Christian Huber.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Ihr Leben hat gerade erst begonnen. Und ihre Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder: Sie behüten und beschützen, und alles Negative möglichst von ihnen fernhalten. Doch plötzlich - oder auch nach langer Krankheit - stirbt der Opa, ein Freund oder auch "nur" der Hamster. Mit einem Mal sind die Eltern bei einem Thema gefordert, das sie ihrem Nachwuchs am liebsten viel länger ersparen würden. Sie sollen womöglich Fragen beantworten, auf die sie selbst keine Antwort haben. Wie geht man mit so einer Situation um? Wann sind Kinder alt genug, um sich mit dem Tod auseinanderzusetzen? Was können sie überhaupt in welchem Alter verstehen? Der Theologe und Leiter der katholischen Kindertagesstätte Sankt Bernhard, Christian Huber, hat Eltern bei einem Vortrag Empfehlungen und Tipps dazu gegeben.

Christian Huber erläutert Eltern, wie Kinder es erleben, wenn sie dem Tod begegnen. (Foto: Archiv/oh)

Bei diesem Thema gibt es keine Pauschalantworten. Denn jeder Mensch und jedes Kind ist anders. Und, wie Huber betont: "Kinder trauern anders", oft zeigten sie gar keine offensichtliche Traurigkeit, eher eine Änderung in ihrem Verhalten vielleicht. "Kinder vor dem Kindergartenalter begreifen oft gar nicht die Endgültigkeit des Todes", sie erlebten häufig eher eine Art Trennungsschmerz, mitunter begleitet von Kopf- oder Bauchschmerzen. Das könne sich beispielsweise so äußern, dass der Sohn der Mama bis auf den Duschvorleger folgt. Deshalb sollten Eltern ihr Kind genau im Bick haben und bei Auffälligkeiten ein Gespräch darüber beginnen, auch der Austausch mit weiteren Bezugspersonen kann sinnvoll sein. Überhaupt ist es dem Theologen und Pädagogen zufolge in so einer Situation vor allem wichtig, dem Kind Gesprächsbereitschaft zu signalisieren.

Huber schildert dazu ein Erlebnis aus seinem Berufsalltag, nicht aus Fürstenfeldbruck, wie er betont. An einem Montag im Advent berichten die Kinder reihum von ihren Wochenenderlebnissen, es geht um Einkaufsbummel und Spielenachmittage, einen Besuch bei den Großeltern. Dann erzählt ein Kind, dass am Wochenende sein kleiner Bruder gestorben ist, die Stimmung im Raum ist schlagartig eine andere. Wie reagiert man in einer solchen Situation? Natürlich hätte der Theologe das Thema an die Eltern verweisen und damit aus der Runde der Kinder im Kindergartenalter verbannen können. Aber dann wäre er wohl kein guter Pädagoge. Stattdessen hat er das Thema aufgegriffen und mit den Kindern darüber gesprochen.

Kindern das Gefühl geben, dass sie alles fragen dürfen

Erneut verdeutlicht Huber, dass man als Erwachsener den jungen Menschen vor allem Offenheit vermitteln sollte, ihnen das Gefühl geben, sie dürften alles fragen - selbst wenn man nicht auf alles eine Antwort geben könne. "Kinder haben schon ein Recht auf Antworten." Auch wenn sie noch recht jung sind, verstünden sie oft mehr, als man ihnen zutraue, sagt er.

Dabei geht es dem Pädagogen in erster Linie um die Gesprächsbereitschaft, nicht darum, dem Kind eine allumfassende Antwort zu geben, beispielsweise auf die Frage, was nach dem Tod passiert. Es sei völlig in Ordnung, ihm gegenüber die eigene Unkenntnis und Hilflosigkeit, aber auch die eigene Trauer zu benennen. "Kinder verstehen das oft viel besser, als man es sich vorstellen kann", unterstreicht der Referent gegenüber den 16 Zuhörerinnen und drei Zuhörern.

Generell rät Huber den Eltern, sich präventiv mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen und eine eigene Haltung dazu zu entwickeln. "Wir fühlen uns hilflos, wenn die Welt des Kindes auf einmal auseinanderbricht." In dieser Situation sei es schon einmal hilfreich, wenn zumindest der eigene Standpunkt feststehe. Des weiteren sollte man sich immer wieder verdeutlichen, dass man sich selbst auch gerade in einer Ausnahmesituation befindet; man müsse auch darauf achten, dass man sich nicht zu viel abverlange. Anders sieht es vermutlich aus, wenn der Hamster nach zweieinhalb Jahren leider aus Altersgründen das Zeitliche segnet. Ein solcher Verlust ist für Erwachsene nach Hubers Erfahrung in aller Regel verschmerzbar. Für Kinder, die schon ab etwa drei Jahren die Tragweite des Todes erfassen können, könne jedoch eine Welt zusammenbrechen.

Gratwanderung mit Fingerspitzengefühl

Es ist eine Gratwanderung mit viel Fingerspitzengefühl, weshalb die Eltern als engste Vertraute sie nach Hubers Ansicht am besten vollbringen können. Einerseits den Schmerz erträglicher machen mit Trost und Ritualen, ihn aber andererseits auch zulassen, so lange er eben bei diesem Menschen andauert. "Niemand hat das Recht, die Zeit für die Trauer von jemandem anderen festzulegen", stellt er klar.

Trost spenden kann nach seiner Erfahrung schon das Kuscheln: "Gehalten werden von einer Bezugsperson, das ist für Kinder viel mehr als nur der reine Körperkontakt." Und auch das Aufstellen einer Kerze als stets brennendes Zeichen, dass der Verstorbene nicht vergessen ist, kann Trauernden eine große Hilfe sein. Auch das gemeinsame Gestalten einer Gedenkecke in der Wohnung, eines Erinnerungs-Albums beispielsweise mit Fotos und gemeinsamen Erlebnissen oder eines besonderen Jahrestages - bisweilen begehen Hinterbliebene den Geburtstag eines Verstorbenen als eine Art Gedenkfeier - kann helfen, die Trauer und den Schmerz zu bewältigen. Und auch eine geistige Haltung kann in solchen Situationen Trost spenden, wie der Theologe sagt: "Beziehungen können über den Tod hinaus gehen."

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