Digitalisierung:Nüchterner Blick auf KI

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Als Medienethiker beschäftigt sich Thomas Zeilinger auch mit dem Umgang mit künstlicher Intelligenz. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In einem Vortrag über das Internet fordert der Medienethiker Thomas Zeilinger Regeln zum Umgang mit künstlicher Intelligenz - auf Grundlage der christlich-biblischen Tradition.

Von Matthias Weigand, Fürstenfeldbruck

"Können Sie sich noch daran erinnern, wann sie das erste Mal im Internet waren?", fragt Thomas Zeilinger die 20 Zuhörer zu Beginn seines Vortrages "Status Quo Internet - Eine Standortbestimmung in digitalen Zeiten". Viele erinnern sich dabei vielleicht an den Commodore 64 und an den ersten Macintosh sagt er. Der Commodore 64 hatte bei seiner Veröffentlichung 1982 ganze 64 Kilobyte Arbeitsspeicher. Und der Macintosh von Apple überzeugte mit einem stolzen Gewicht von sieben Kilogramm. Wie sich seitdem der Weg des Internets zu selbstfahrenden Autos und künstlicher Intelligenz gestaltet hat und welche ethischen Fragestellungen mit der Digitalisierung auf die Gesellschaft zukommen, darauf ging Zeilinger in seinem Vortrag ein. Eingeladen hat dazu die Gesprächsreihe "Brucker Zeitgespräche" der evangelisch-lutherisch Gemeinden der Erlöserkirche und der Gnadenkirche in Fürstenfeldbruck. Zeilinger ist Beauftragter der evangelischen Landeskirche für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaften und Lehrbeauftragter für Medienethik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Der Fortschrittsoptimums und die Freiheitsversprechen der Netzpioniere der Achtziger- und Neunzigerjahre seien laut dem 63-Jährigem von immer mehr Ernüchterung überschattet. So verweist der evangelische Theologe darauf, dass 44 Prozent der Weltbevölkerung durch politischen Regulierungen wie in Russland, China und Myanmar nur eingeschränkten Zugang zum Internet haben. Doch auch bei hierzulande könne das Internet mit seiner Tempofülle zur Polarisierung des öffentlichen Diskurses führen. Viele Menschen seien überfordert mit dem Schwall an Informationen. "Aus dem Internet Informationen abzubekommen ist wie neben einem Hydranten zu stehen und einen ganzen Wasserstrahl abzubekommen", beschreibt es Zeilinger. Deshalb sei es eine große Herausforderung, sich durch das Netz zu bewegen, bei dem Kampf um Aufmerksamkeit zwischen Medien und Social Media.

Das Publikum interessiert sich in der anschließenden Diskussion vor allem für die Gefahren von künstlicher Intelligenz. In seinem Vortrag hat Zeilinger das Beispiel, Holocaust-Zeitzeugen per Avatar in Schulklassen sprechen zu lassen, als eine Chance für KI genannt. Gleichzeitig könne die gleiche Technologie beim Tod von Verwandten zu Problemen beim Abschiednehmen führen. Allgemein gebe es unter Experten Stimmen, die künstliche Intelligenz eher als Marketingbegriff abtun bis hin zu denen, die davor warnen, die Technologie könne die Menschheit vernichten. Zeilinger sieht zwar die Herausforderungen, plädiert aber für einen christlich nüchternen Blick im Umgang mit künstlicher Intelligenz. "In der Fehlerfreundlichkeit von KI muss man klar die menschliche Qualität benennen und anerkennen, dass die Technologie nicht die Lösung aller Probleme ist", so der Ethik-Beauftragte. Für den Theologen ist es wichtig, Kriterien im Umgang mit KI einzuführen, die der christlich-biblischen Tradition folgen. Dazu gehöre für ihn vor allem, klar zu hinterfragen, wer von der Technologie profitiert und wie ihre Ökobilanz aussehe. Deshalb begrüßt Zeilinger die KI-Verordnung der EU als einen Schritt in die richtige Richtung.

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