Fürstenfeldbruck:Votum gegen Israel-Flagge

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Andreas Lohde überreicht im Oktober 2023 im Namen der CSU-Fraktion dem Oberbürgermeister Christian Götz eine Israelfahne. (Foto: privat)

Eine Fahne am Marktplatz zu hissen, findet nach emotionaler Debatte im Stadtrat keine Mehrheit. Einigkeit besteht über eine Solidaritätserklärung und die Verurteilung des Hamas-Terrors.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Stadt hisst offiziell keine Israel-Flagge am Marktplatz. Nach einer sehr kontroversen Debatte hat sich der Stadtrat am Dienstag mit 18 gegen 16 Stimmen gegen einen entsprechenden Vorschlag der CSU entschieden. Einig sind sich alle Fraktionen über eine gemeinsame Erklärung, in der die Solidarität mit Israel und das Existenzrecht des Staates betont und die Abscheu über die Terrorattacke der palästinensischen Hamas vom 7. Oktober zum Ausdruck gebracht wird. Verzichtet wird auch auf das als Alternative vorgeschlagene Hissen der Friedens- oder Regenbogenflagge.

CSU-Fraktionsvorsitzender Andreas Lohde machte am Mittwoch in den sozialen Medien vor allem Oberbürgermeister Christian Götz (BBV) verantwortlich für ein aus seiner Sicht "beschämend-peinliches Trauerspiel". Umstritten ist unter den Stadträtinnen und Stadträten vor allem, inwieweit die blau-weiße Flagge mit dem Davidstern ein geeignetes Symbol ist und ob damit nicht die Opfer unter der Zivilbevölkerung im Gazastreifen ausgeblendet würden.

In Fürstenfeldbruck ist standardmäßig das Rathaus beflaggt mit vier Fahnen. Sie symbolisieren die Stadt, den Freistaat, die Bundesrepublik und die Europäische Union. (Foto: Jana Islinger)

Ende Oktober hatte Lohde eine Israel-Flagge im Rathaus an Götz übergeben und ihn gebeten, diese als erstes klares Bekenntnis der Stadt zu Israel weithin sichtbar aufzuhängen - um uneingeschränkte Solidarität mit den Menschen in Israel zu bekunden. Als Beleg, "dass wir den grausamen palästinensischen Terror der Hamas auf das Schärfste verurteilen und durch nichts gerechtfertigt sehen". Als Schauplatz des tragischen Olympiaattentats von 1972 stehe Fürstenfeldbruck in besonderer Beziehung zum Staat Israel. Beim völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine sei vom damaligen Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) innerhalb von zwölf Stunden eine Fahne organisiert worden, die seitdem auf dem Hauptplatz weht.

Am 7. November und damit genau einen Monat nach dem Terrorangriff der Hamas findet eine gemeinsame Mahnwache vor dem Alten Rathaus statt. (Foto: Til Antonie Wiesbeck)

Götz wollte über das Hissen einer Flagge im öffentlichen Raum nach eigenem Bekunden aber nicht im Alleingang entscheiden. Er wandte sich mit dem Anliegen an die Fraktionsvorsitzenden und entschied, das Anliegen dem Stadtrat vorzulegen. Am 7. November und damit genau einen Monat nach dem Terrorangriff der Hamas fand eine gemeinsame Mahnwache vor dem Alten Rathaus statt. Unter den etwa 50 Teilnehmern waren auch Vertreter aller Fraktionen.

In Fürstenfeldbruck ist standardmäßig das Rathaus beflaggt mit vier Fahnen. Sie symbolisieren Stadt, Freistaat, Bundesrepublik und Europäische Union. Am Marktplatz hängen Flaggen der Ukraine und der Mayors of Peace - die Stadt gehört diesem internationalen Städteverbund an, der sich für Frieden und atomare Abrüstung einsetzt. Zu festlichen Anlässen werden unter anderem am Landratsamt und an der Kreuzung Fürstenfelder-/Schöngeisinger Straße die Flaggen der Partnerstädte gehisst.

In der Stadtratssitzung am Dienstag brachte Götz seine Skepsis zum Ausdruck über ein "unkommentiertes Symbol" wie eine Flagge. Es bestehe das Risiko von Missverständnissen und einer Beschädigung. In 20 vergleichbaren Städten habe er angefragt, 17 hätten geantwortet. Nirgends sei eine Israel-Flagge gehisst worden. Vereinzelt hätten dies Landkreise getan. Anfragen an die israelitische Kultusgemeinde seien unbeantwortet geblieben.

Vertreter von Grünen und CSU kritisierten in sehr emotionalen Redebeiträgen das aus ihrer Sicht zu zögerliche Verhalten. So äußerte sich Theresa Hannig (Grüne) empört darüber, dass man sich daran orientiere, "was andere reininterpretieren" könnten in eine Israel-Flagge. Auch als Kritikerin von Präsident Benjamin Netanjahu ist es für sie eine "moralische Bankrotterklärung", den Menschen in Israel - und Juden, die in anderen Ländern Hass und Hetze ausgesetzt sind - eine solche Solidaritätsbekundung zu verweigern. "Jetzt ist unsere Freundschaft gefragt", pflichtete Lohde bei. Er berief sich auf Ludwig Spaenle, den Antisemitismusbeauftragten der Staatsregierung, der noch am 7. Oktober Kommunen ausdrücklich gebeten hatte, vor öffentlichen Gebäuden die israelische Flagge zu hissen. Dritte Bürgermeisterin Birgitta Klemenz (CSU) warb dafür, "Flagge zu zeigen" und damit Solidarität und Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. Zudem müssten Jüdinnen und Juden "hier sicher leben können."

Am Marktplatz hängen bereits eine Fahne der "Bürgermeister für den Frieden"... (Foto: Carmen Voxbrunner)
... und eine blau-gelbe Fahne der Ukraine. (Foto: Jana Islinger)

Andreas Rothenberger (BBV) sprach von "bestialischen Gräueltaten der Hamas", warnte aber davor, gleichzeitig die Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung als "Kollateralschäden" abzutun und die in Gang gesetzte Gewaltspirale zu verkennen. Die israelische Flagge steht für ihn auch für politische Fehler. Integrationsreferent Willi Dräxler (BBV) empfindet Antisemitismus als unerträglich, hält das Hissen der Israel-Flagge "als stummes Zeichen" aber ebenfalls nicht für eine geeignete Gegenmaßnahme. Er empfiehlt, in Fürstenfeldbruck das Gespräch mit den Menschen zu suchen. Empathie haben ihm zufolge alle Opfer von Gewalt und Krieg verdient. Den sichtbaren Rechtsruck im Land bezeichnete Mirko Pötzsch (SPD) als "Schande". Er schlug - letztlich vergeblich - als Alternative das Hissen von Friedens- oder Regenbogenflagge vor.

Die Debatte des Stadtrats wurde in den sozialen Medien ähnlich kontrovers fortgeführt. Dabei meldete sich auch der ehemalige SPD-Stadtrat Axel Lämmle zu Wort, der seinen früher geäußerten Vorschlag wiederholte, sich um eine israelische Partnerstadt zu bemühen. Das sei wirkungsvoller als "schwache Reflexsymbolik".

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