Lesenswert:Versunkener Sehnsuchtsort

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"Acqua Alta" von Isabelle Autissier, erschienen beim Mare Verlag, 23 Euro (Foto: Nicola Bräunling)

In ihrer Buchkolumne stellt Nicola Bräunling den Roman "Acqua Alta" von Isabelle Autissier vor, in dem Venedig von einer Katastrophe heimgesucht wird - und eine Familie mit den in Abgrund reißt.

Kolumne von Nicola Bräunling

Venedig! Herzens und Sehnsuchtsort von so vielen von uns. Mich zum Beispiel zieht es unweigerlich in schöner Regelmäßigkeit in diese wunderschöne, atmosphärische und spannende Stadt. Inzwischen habe ich mein Lieblings-Bacaro (in Dorsoduro gegenüber der Werft), Standardwege (auf der Giudecca) und Lieblingskirchen (mehrere). Ich weiß, dass es Canal Grande (ohne e) heißt und den Spaß mit der Säule am Dogenpalast, die man nicht umrunden kann, haben wir bei jedem Besuch wieder neu. Der morbide Charme Venedigs hat einen Sog, dem sich wenige entziehen können. Aber immer schwingt die Gefahr mit und wir alle wissen, dass die Schönheit irgendwann ein Ende haben wird. Man fühlt sich hilflos und hin- und hergerissen, wenn man die Diskussionen um die Rettung der Stadt verfolgt. Ein Schutzsystem wie M.O.S.E. scheint unsicher, das Verbot von Kreuzfahrtschiffen zu spät und Eintritt für Touristinnen und Touristen ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Um all diese Themen geht es auch in Isabelle Autissiers neuem Roman "Acqua Alta". Allerdings ist es schon geschehen: 2021 wird Venedig durch eine heftige Sturmflut vollkommen zerstört. M.O.S.E. hat versagt, die Stadt liegt komplett in Schutt und Asche. Es sind unglaublich viele Tote zu beklagen, alles ist abgeriegelt und gesperrt. Ob und wie die Stadt jemals wieder zum Leben erweckt werden kann, ist nicht abzusehen.

Guido, hochrangiger Wirtschaftspolitiker mit viel Macht und noch mehr Geld, einer der wenigen Überlebenden, fährt durch die Trümmer und denkt an das, was war. Die Geschichte führt zurück zu den Anfängen seiner Karriere und zu seiner Familie. Zu seiner Frau, die einer alten Dogenfamilie entstammt und zu seiner Tochter Lea, die ihre Stadt unendlich liebt und sich mit großer Tiefe in ihr bewegt. Guido ist getrieben von dem Hunger nach Kontrolle und Geld, Lea möchte die Stadt retten, schließt sich einer Umweltbewegung an und radikalisiert sich immer mehr. Die Familie bricht auseinander, Vater und Tochter finden keinen Weg mehr zueinander. Sie fangen regelrecht an, sich zu hassen. Die Mutter steht hilflos dazwischen. Als das große Unglück geschieht, sind fast alle Verbindungen gekappt.

Autissier beschreibt die Problematik, lässt die verschiedenen Standpunkte zu Wort kommen und findet doch ebenfalls keine Lösung. Nach diesem Buch hat man noch mehr Angst um die geliebte Stadt und hofft von Herzen, dass sich ein Weg zur Rettung findet. Aber richtig zuversichtlich ist man nicht.

Nicola Bräunling ist Inhaberin der Buchhandlung Bräunling in Puchheim. Regelmäßig stellt sie im Wechsel mit Katrin Schmidt und Helen Hoff von der Buchhandlung Lesezeichen in Germering ihr aktuelles Lieblingsbuch vor.

Der Laden von Nicola Bräunling ist als "Bayerns Buchhandlung des Jahres 2021" ausgezeichnet worden. (Foto: Nicola Bräunling)
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