Ein Baum, der durch die Luft schwebt, ist ein sehr seltener Anblick. In Fürstenfeldbruck hat sich dieser Anblick am Donnerstag geboten. Eine Baufirma wollte eine hundert Jahre alte und knapp 20 Meter hohe Eiche nicht fällen lassen, sondern ließ sie auf dem Grundstück an der Maisacher Straße verpflanzen. Sie war der Tiefgarage im Wege.
"Die nächsten 500 Jahre soll er so stehen", sagt Anita Meister von der Baufirma zufrieden, als der Baum an seinem neuen Platz angekommen ist. Nicht einmal eine Stunde hat der Umzug auf dem Grundstück gedauert. Ein riesiger Autokran hat die Transportverschalung samt Baum sehr langsam und vorsichtig angehoben, einmal abgesetzt, den Ausleger neu justiert, alles über den Kran gehoben und einige Dutzend Meter weiter ebenso vorsichtig wieder hingestellt. 112 Tonnen wog alles zusammen.
Am Zaun des Grundstücks ist der neue Standplatz schon vorbereitet. Damit der Doppel-H-Träger Platz hat, an dem die dicken Haltetaue des Krans befestigt sind, hat Willem Braam zwei Furchen ausgehoben. Die Hohlräume sollen später mit Flüssighumus aufgefüllt werden - eine ganz neu entwickelte Technik. Voraussichtlich kommenden Montag wird die Verschalung entfernt. Die Stahlplatten unterhalb des Wurzelballens sollen dabei vorsichtig "herausvibriert" werden. Willem Braam, sein Vater Tom und seine Mutter Heike sind die Geschäftsführer der Firma Opitz.
Spezialfirma aus Franken
Die Spezialfirma aus dem mittelfränkischen Landkreis Roth hat schon Hunderte große Bäume in ganz Europa verpflanzt, unter anderem im Stuttgarter Schlosspark für die Baustelle des neuen Bahnhofs, wie Tom Braam berichtet. Routine sei das dennoch nicht. "Jede Baustelle ist anders, man weiß nie, was genau ist." Solche Kaliber wie die Fürstenfeldbrucker Eiche versetzen sie etwa zehnmal pro Jahr, zu 95 Prozent wachsen sie laut Braam an. Dafür müssen die umgepflanzten Bäume gut gepflegt, gewässert sowie - je nach Standort - auch gedüngt werden. "Der Baum ist jetzt wieder wie ein Kleinkind."
Der Kran kommt aus Gräfelfing. Auf 45 Meter wurde der Ausleger ausgefahren. Robert Halsner ist der Kranführer, es ist seine erste Baumverpflanzung. Er arbeitet im Team mit Stephan Pirner, der schon einmal ein großes Gewächs verpflanzt hat - in München, am Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Beide sind froh, dass alles geklappt hat, auch wenn ganz am Schluss ein großer Ast abbricht. Zum Glück trifft er niemanden.
Zwei Mehrfamilienhäuser
Die Familie Meister, Inhaber der Baufirma, will auf dem Grundstück zwei Mehrfamilienhäuser mit 21 Wohnungen errichten. Um genügend Parkplätze zu schaffen, braucht es die Tiefgarage, der die Eiche im Weg war. Meisters sind aber nach eigener Aussage "Baumfans" und wollten die alte Eiche erhalten. Denn schließlich, so erklärt Anita Meister, könne diese noch Hunderte Jahre weiter wachsen und dabei CO2 aufnehmen. Vor allem aber sei sie ein Lebensraum, und es dauere eben, bis junge Eichen so groß werden.
Vor einem Jahr begannen die Vorbereitungen. Der Wurzelballen wurde abgegraben, es entstand rundherum ein Graben mit etwa fünf Metern Kantenlänge und 1,2 Metern Tiefe. Im verbliebenen, kompakteren Wurzelballen konnte der Baum viele neue Feinwurzeln bilden. Mit 6000 bis 8000 Litern Wasser pro Woche, von den Stadtwerken gesponsert, wurde die Eiche seither gegossen. Sie wird weiter bewässert, bis sie richtig angewachsen ist.