Vereinsjubiläum:Das Fräulein ist tot - es leben die Frauen

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Sina Fischer (rechts) hat ihr ganzes Sportlerinnenleben beim HCD verbracht. Die 33-Jährige ist Spielmacherin im Drittligateam. (Foto: Günther Reger)

Im Jahr der Olympischen Spiele von München entsteht der HC Dambach Gröbenzell, der später HC Damen heißen wird. Seit 50 Jahren gibt es dort nur eine Sportart - und die nur für Mädchen und Frauen.

Von Heike A. Batzer, Gröbenzell

Genau 50 Jahre ist es her, seit das Bundesinnenministerium damals verfügte, das Wort Fräulein in Bundesbehörden nicht mehr zu verwenden. Damit war die Verkleinerungsform für junge unverheiratete Frauen zumindest im Amtsdeutsch Vergangenheit. Einen unmittelbaren Zusammenhang zur Idee, in einem Ort an der Münchner Peripherie einen Sportverein zu gründen, in dem nur Frauen und Mädchen Handball spielen, gab es zwar nicht. Dennoch fiel exakt in jenes Jahr 1972, in dem das Fräulein offiziell abgeschafft und die Olympischen Spiele in München ausgerichtet wurden, auch die Gründung des HCD Gröbenzell. "Eine Pioniertat" nennt das im Rückblick Martin Runge, seit 13 Jahren zweiter Vorsitzender bei eben jenem Verein, der zunächst als Handballclub Dambach den Namen des Sponsors im Namen führte und sich seit dessen Rückzug HC Damen Gröbenzell nennt. Er hält seit 50 Jahren durch. An diesem Samstag wird im Stockwerk gemeinsam gefeiert.

Der Klub ist eine Ausnahmeerscheinung. Als einer der kleinsten Vereine ist er auch einer der sportlich erfolgreichsten. Immer wieder gelingt es ihm, seine erste Mannschaft personell so aufzustellen, dass sie im Spitzensport mithalten kann. Immer aber passen die Sportlerinnen irgendwie auch menschlich zueinander. Was den HCD ausmacht, weiß Handballerin Sina Fischer. "Es sind die vielen Leute, deren Herz für den HCD schlägt und die Lust haben, gemeinsam etwas zu gestalten." Die 33-Jährige ist als Fünfjährige zum Verein gekommen und spielt noch immer in der ersten Mannschaft. Die Fischers sind ein Paradebeispiel für persönliches Engagement im Verein. Die Töchter Sina und Aline durchliefen alle Handballteams im HCD, Mutter Andrea war selbst Spielerin gewesen und später Nachwuchstrainerin, auch Vater Harald betreute die Teams der Töchter als Trainer und ist aktuell als Torwarttrainer im Einsatz. Und die nächste Generation steht schon in den Startlöchern: Sina Fischers dreijährige Tochter kommt regelmäßig mit in die Halle.

Der Vorsitzende betont "eine eigenständige Identität, die als Bestandteil eines großen Vereins nur sehr schwer möglich ist"

Der Verein hat sich weithin einen Namen gemacht und sieht sich für Spitzensport und Breitensport gleichermaßen gerüstet. Die höherklassig spielenden Frauen- und Jugendteams gelten dabei als Vorbild und Ansporn für Jüngere, sich dem HCD anzuschließen.

Mädchenmannschaften des HCD Gröbenzell in den Siebzigerjahren zusammen mit Vereinsgründer Walter Schiel (hinten rechts) (Foto: HCD Gröbenzell)

Walter Schiel, 2018 verstorbener Vereinsgründer und langjähriger Manager, Antreiber, Ideen- und Ratgeber, wollte, wie er einmal in einem Interview über seine Beweggründe sagte, seine beiden Töchter für den Handballsport und außerdem für eine Mannschaftssportart begeistern. Gespielt wurde zunächst auf dem Sportplatz an der Ährenfeldschule, seit 1984 ist die Wildmooshalle die Heimstätte des HCD. Der Verein startete mit einem Schülerinnenteam in den Ligabetrieb. 1979 begannen die erwachsen gewordenen Handballerinnen in der C-Klasse der Frauen ihren Siegeszug, innerhalb einer Dekade stiegen sie bis in die zweite Bundesliga auf, um sich dort von 1990 an drei Jahre lang zu halten. Ende der Neunzigerjahre zog sich Sponsor Dambach - ein Schilderhersteller mit Firmensitz in Gaggenau und einer Niederlassung in Gröbenzell - zurück, es folgten nicht nur finanziell, sondern auch sportlich weniger fette Jahre.

Im vergangenen Jahrzehnt kam der Erfolg zurück. Mit der Spielzeit 2013/2014 setzte sich die erste Mannschaft in der dritten Liga fest - mit einem Ausflug in die zweite Bundesliga im Spieljahr 2017/2018. Das A-Jugend-Team spielte vor der Corona-Pandemie zwei Jahre lang in der Jugend-Bundesliga und schaffte es zuletzt unter die besten acht Jugendteams Deutschlands.

50 Jahre später: die Vorsitzenden Rüdiger Hoch (links) und Martin Runge vor dem ehemaligen Waldstüberl, in dem der Verein 1972 gegründet wurde. (Foto: HCD Gröbenzell)

Auch Männer gibt es im Verein: Sie sind zumeist Trainer oder Vorsitzende wie aktuell Rüdiger Hoch und der grüne Landtagsabgeordnete Martin Runge. Dennoch gilt der HCD, weil er nur weiblich besetzte Mannschaften hat, als Frauenverein. "Ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Sina Fischer. Die Konstellation schaffe "eine eigenständige Identität, die als Bestandteil eines großen Vereins nur sehr schwer möglich ist", betont Hoch. Nichtsdestotrotz hat auch dieser Verein mit Unbilden zu kämpfen. Und so bereitet der sportliche Erfolg bisweilen auch Kopfzerbrechen, zum Beispiel als man vor der Frage stand, wie Jugend-Bundesliga und die zweite Bundesliga der Frauen organisatorisch und finanziell zu stemmen sind. Nach Gröbenzell kämen Handballerinnen nicht, weil sie hier großes Geld verdienen könnten, sagte Rüdiger Hoch deshalb einmal. Der Übergang vom Amateurbereich in die professionellen Gefilde der Bundesligen ist durchaus schwer zu bewerkstelligen für einen Klub von Größe und Zuschnitt des HCD. Und so haben sie nach dem Staffelsieg in der dritten Bundesliga diesmal auf die Aufstiegsrunde verzichtet, um sich erst an die Verbesserung der Rahmenbedingungen im Verein zu machen.

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