Handwerk:Meatworker statt Mitarbeiter

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Schweinefleisch für den Verkauf und die Weiterverarbeitung hängt in der Kühlkammer in der Landmetzgerei Huber. (Foto: Leonhard Simon)

Lehrlingswerbung mit der VR-Brille und coole Sprüche: Erstmals seit langer Zeit nimmt das Interesse am Metzgerhandwerk wieder zu.

Von Erich C. Setzwein, Adelshofen

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen längeren Eindruck hinterlassen. Ein kleiner schwarzer Flaschenöffner für den Schlüsselbund zum Beispiel, auf den "Fleischkomplize" gedruckt ist. Ein Massenartikel aus der Werbebranche, aber einer, um den man vielleicht beneidet wird. Wenn eine Schülerin, ein Schüler dann noch ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck "Meatarbeiter" am Infostand der Metzgerinnung erhaschen kann, ist der bayerische Fleischerverband einem seiner wichtigsten Ziele wieder ein Stück näher gekommen.

Denn Fachkräfte für das Metzgerhandwerk zu gewinnen, junge Menschen für eine Ausbildung an der Theke oder in der Wurstküche zu begeistern und ihnen auch einen Vertrag geben zu können, das erscheint vordringlicher denn je. Auch wenn die neuesten Werbeartikel, die Lars Bubnick, Geschäftsführer des Fleischerverbands Bayern, bei der Herbstversammlung der Metzgerinnung in Luttenwang präsentierte, erst die nächste Generation potenzieller Azubis erreichen wird, so ist offenbar mit anderen Werbemaßnahmen in diesem Jahr ein großer Erfolg erzielt worden. Denn nach vielen Jahren des Desinteresses haben sich im Ausbildungsjahr 2023/24 sechs Lehrlinge gefunden. Für den Beruf des Metzgers oder der Metzgerin sowie als Fachverkäuferin oder Fachverkäufer.

Obermeister der Metzgerinnung ist der Jesenwanger Bernhard Huber. (Foto: Leonhard Simon)

Diese Zahlen lassen den Obermeister der Metzgerinnung im Landkreis Fürstenfeldbruck, Bernhard Huber aus Jesenwang, hoffen. Denn erst vor wenigen Wochen hat er lediglich drei Gesellen seines Handwerks freisprechen können. Aussagekräftig genug, um den Stellenwert des Metzgerhandwerks in der Gesellschaft zu belegen.

Dass eine Handwerksausbildung weniger attraktiv ist als die Lehre in anderen Berufen oder ein Studium, das hat Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer jedes Jahr angesichts sinkender Ausbildungszahlen bestätigen müssen. Bis zum Sommer dieses Jahres sah es so aus, als würden vielleicht nur 20 Ausbildungsverträge geschlossen. Doch manchen Schulabgängern sind vielleicht doch noch die Augen aufgegangen, und so haben eben 54 junge Menschen Ausbildungsverträge abgeschlossen. Noch nicht die Zahl, die Höfelsauer erreichen will, nämlich mehr als 60, aber immerhin.

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An der Spitze der Handwerksausbildung stehen seit Längerem die Friseure und die Schreiner. In diesem Ausbildungsjahr haben die Schreinereien 17 Lehrlinge, die Friseurbetriebe elf. Ebenso viele wie die Bäcker, die elf junge Menschen zu Bäckerinnen, Konditoren oder im Verkauf ausbilden dürfen. Und auch für den Bau gibt es wieder mehr Interessenten. Die Bau-Innung verzeichnet neun neue Lehrverträge, der Schwerpunkt liegt bei den Fliesenlegern.

Die Zahlen machen dem Kreishandwerksmeister wie den Obermeistern Hoffnung, gleichzeitig wissen sie aber, dass sie weiter um junge Leute werben müssen. Auf Berufsinfotagen soll nun ein Stand des Fleischerverbands zum Einsatz kommen, an dem mit einer VR-Brille virtuell die Zubereitung von Leberkäse gezeigt wird. "In verkürzter Form, weil die Schüler wenig Zeit haben", erklärt Lars Bubnick den Brucker Metzgern. Die sind von den modernen Werbemethoden angetan, setzen aber auch weiterhin auf das praktische Mitarbeiten von Schülerpraktikanten.

Noch "besorgniserregend"

So berichtet Bernhard Huber davon, dass sich recht kurzfristig einen Tag vor dem "Tag des Handwerks" für vier Realschulen des Landkreises drei Schüler bei ihm gemeldet hätten. Ein Schüler habe sich für den Metzgerberuf interessiert, zwei Schülerinnen für den Verkauf. Der Jesenwanger Metzger will noch nicht jubeln, dass er die Schüler in ein, zwei Jahren vielleicht als Lehrlinge wiedersieht, doch ein Anfang sei gemacht. Auch wenn die Ausbildungssituation laut Bubnick immer noch "besorgniserregend" sei, so seien an der Schule des Fleischerverbands in Augsburg derzeit 70 Metzger in der Ausbildung zum Meister. Bubnick: "Damit bin ich sehr zufrieden."

Was die handwerklich arbeitenden Metzger aus der Krise führen könnte, sind nach Meinung von Engelbert Jais, ehemaliger Obermeister der Metzgerinnung und heute einer der Geschäftsführer des Fürstenfeldbrucker Schlachthofes, zum einen die Qualität und zum anderen neue Vertriebswege. Er folgt dem Appell von Lars Bubnick, der sagt, dass sich gerade beim Verkauf "die ganze Branche bewegen muss".

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Dazu gehört nach Meinung von Jais mehr, als einen Automaten mit frischen Produkten aufzustellen. Smarte Lösungen, wie etwa der Selbstbedienungseinkauf mit einer App, könnten den Personalmangel ausgleichen helfen. Vor allem die Möglichkeit, außerhalb der üblichen Öffnungszeiten in einem Ladengeschäft etwas anbieten zu können, sollte genutzt werden. Den Unterschied zu Produkten der Supermarktketten und der Fleischindustrie sieht Jais in der handwerklichen Qualität und individuellen Herstellung.

Wie sehr die Qualität eine Rolle spielt, zeige beispielhaft der Schlachthof. Nach der Pleite wegen unhaltbarer Zustände und Verstößen gegen das Tierwohl habe man ihn für die Metzger und Direktvermarkter wieder aufgebaut. "Wir halten die Regeln ein und haben uns wieder ein Renommee verschafft." Der Lohn dafür: Der Schlachthof Fürstenfeldbruck ist der einzige in Bayern, an dem Schlachterprüfungen abgenommen werden. Und noch eine weitere Qualifikation habe man sich erarbeitet, berichtet Jais. Der Schlachthof hat eine Zulassung für Rotwild und Damwild bekommen. So können die in ihren Gehegen geschossenen Tiere nach kurzem Transport in der Hasenheide ordentlich zerwirkt werden.

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