Gröbenzell:Regent von auswärts

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Thomas Kleinschmidt, Mitarbeiter im Gröbenzeller Bauamt, gewinnt die Bürgermeisterwahl in Wasserburg am Bodensee. Dort hat das durchaus Tradition.

Peter Bierl

Wasserburg am Bodensee wurde jahrhundertelang von den Fuggern regiert. Im 17.Jahrhundert richtete ein Verwalter dieser mächtigen Kaufmannsfamilie ein Massaker an, als er 25Menschen als Hexer und Zauberer foltern und hinrichten ließ. Gleichwohl scheinen die Wasserburger bis heute nichts dagegen zu haben, sich von Auswärtigen regieren zu lassen. Am Sonntag wählte eine Mehrheit den 43-jährigen Thomas Kleinschmidt aus Gröbenzell zum neuen Bürgermeister.

Zumindest die architektonische Vergangenheit Wasserburgs ist heute ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Eine idyllische Halbinsel ragt in den Bodensee hinein, darauf steht eine Kirche und ein Schloss und das Malhaus, der Schauplatz der "Wasserburger Hexenprozesse", in dem sich heute ein Museum befindet. Derzeit ist dort eine Ausstellung über Puppenhäuschen zu sehen, die Besucher können aber auch die einstigen "Hexenzellen" besichtigen.

Die "Restsanierung" der Halbinsel sei eine seiner wichtigsten Projekte, sagt Kleinschmidt am Montag der SZ. Die Grünanlagen müssen erneuert und Sitzbänke aufgestellt werden. Außerdem will der neue Bürgermeister eine Betreuungseinrichtung für Kleinkinder schaffen und einen Proberaum für den Musikverein. "Es sind ganz andere Dimensionen als in Gröbenzell", sagt er. Kleinschmidt hat dreizehn Jahre im Rathaus von Gröbenzell gearbeitet, hat sich um den Bauvollzug gekümmert und die Bürger über Bau-, Verkehrs- und Straßenrecht informiert.

Vergleichsweise "ländlich" gehe es in Wasserburg zu, findet Kleinschmidt. Kaum vorstellbar bei einem Ort, der zwar bloß knapp 3500 Einwohner zählt, aber jährlich um die 180000Übernachtungen bewältigt. "Tourismus ist der Wirtschaftsfaktor", sagt der frisch gekürte Bürgermeister. Der Ort markiert den äußersten Südwest-Zipfel Bayerns an der Grenze zu Baden-Württemberg.

Am 1.März tritt Kleinschmidt seinen neuen Job an. Bis dahin muss er sich noch eine Wohnung in Wasserburg suchen, den Umzug von München organisieren und seine Amtshandlungen in Gröbenzell abwickeln. Kleinschmidt ist in einem Vorort von Regensburg geboren und aufgewachsen, hat in der oberpfälzischen Metropole seinen Wehrdienst und die Ausbildung erst zum Kaufmann, dann zum Verwaltungsfachwirt absolviert, bevor er 1988 in den öffentlichen Dienst eingetreten ist.

Der Posten des hauptamtlichen Bürgermeisters von Wasserburg wurde Mitte Januar vakant, als der damalige Amtsinhaber seinerseits einen Auswärtssieg in Bad Wiggensbach im Allgäu errang. An der Nachfolge hatte kein Wasserburger Interesse, so dass CSU und FW Bewerber im Bayerischen Staatsanzeiger suchten. Kleinschmidts Gegenkandidat von der CSU wäre auch ein Zuagroaster gewesen, ein Verwaltungsfachmann aus dem Landratsamt des Main-Spessart-Kreises im Norden Bayerns. Dass kleine Kommunen ihre Bürgermeister per Zeitungsannonce suchen, ist kein Einzelfall. Immer noch besser, als wenn der Chef der Verwaltung von einem Konzern eingesetzt würde, wie zur Fuggerzeit.

© SZ vom 08.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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