Noch sitzt der evangelische Pfarrer und Missionar Walon Kumer aus Papua-Neuguinea in einem weißen Reihenhaus in Geltendorf. Die Muscheln, die Schildkröte und den Riesenschmetterling, die auf handbemalten Tüchern auf der Wand im Wohnzimmer abgebildet sind, wird er bald im Original sehen, mit dem Boot seines Vaters wieder zum Fischfang wie früher aufs Meer fahren und auch sein Gemüse anbauen. Besucht er die Kirche seiner Gemeinde, werden dort vor dem Sonntagsgottesdienst Jugendliche vorher länger musizieren. Dann weiß jeder, dass es Zeit ist, zur Kirche zu gehen. Und das Gotteshaus wird im Gegensatz zu dem in Grafrath so voll sein, dass viele stehen müssen. Denn zur Kirche kommt man noch gemeinsam mit der Großfamilie. Bevor Kumer mit seiner Frau Lucy und den Söhnen in Madang in seiner Heimat ankommt, wird der Pastor an diesem Sonntag von 10 Uhr an in der evangelischen Michaelkirche in Grafrath verabschiedet. Vielleicht ist sein eigner Abschiedsbeitrag ja eine seiner Geschichten. Kumer arbeitete vier Jahre lang auf seine Art in der Pfarrei mit. Hat er was zu sagen, tut er das am liebsten in Bildern und Geschichten. Seelsorger zu sein, heißt für ihn, auch Geschichten erzählen.
Nachdem er mit dem Journalisten länger über die kulturellen Unterschiede zwischen seiner Heimat und Deutschland gesprochen hat, fasst er das Gesagte zusammen. In einer Geschichte von einem Deutschen, einem Afrikaner und einem Eingeborenen aus dem Südpazifik, die darüber palavern, wie sie Kaffee kochen. Der Deutsche sagt: "Wir haben keine Kaffeebäume, aber wir trinken viel Kaffee. Zuerst kochen wir Wasser, dann geben wir Kaffee dazu, dann Milch und Zucker, dann trinken wir Kaffee." Dann ist der Afrikaner an der Reihe, er sagt: "Wir haben Kaffeebäume. Zuerst kochen wir Wasser, dann trinken wir das heiße Wasser, dann geben wir Kaffee in unseren Mund, dann nehmen wir Milch und Zucker." Der Eingeborene aus dem Südpazifik sagt: "Bei uns sind Kaffeebäume zu sehen vom Strand bis in die Berge, aber wir trinken nicht viel Kaffee. Wir trinken kaltes Wasser. Dann geben wir Kaffee in den Mund, dann Zucker und Milch. Dann setzt sich der Mann auf das Feuer." Als Kumer fertig ist, kann er sein spitzbübisches Lachen kaum zurückhalten und er würde, wie er bekennt, gerne die Gesichter der Zeitungsleser sehen. Was er ausdrücken will: Deutsche denken anders als Afrikaner oder Eingeborene in Papua-Neuguinea, aber am Ende sage jeder, er trinke Kaffee. Im Glauben sei es ähnlich, alle sagten, Gott zu verehren und zu preisen.
Sich an Zeitvorgaben zu halten, ist für Walon Kumer Stress. "Zeit ist nicht mein Gott, Zeit ist nicht mein Chef", sagt er. Obwohl er Stress mit der Zeit hat, lernte er, ein gewisses Zeitmanagement zu akzeptieren. Ebenso lernte er erst in Deutschland, vorgegebene, geschriebene Gebete zu sprechen. In seiner Heimat werde spontan gebetet, man sage Gott, was man auf dem Herzen habe. Weshalb der Grafrather Pfarrer Christian Dittmar meint, von Kumer das Beten neu gelernt zu haben, oder er spricht begeistert von dessen Predigten. Das sei wie ein Ein-Mann-Theater. Als Missionar drehte Kumer um, was deutsche Missionare vor hundert Jahren in seiner Heimat taten. Nur eben anders. Ein guter Missionar fange bei sich selbst an und sei offen für jeden anderen Menschen.