Germering/München:Kein Gespür für seine Tat

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Peter S., der seine Nachbarin grausam ermordet hat, soll in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden

Von Andreas Salch, Germering/München

Kontakt zu anderen Menschen hat Peter S. nie in seinem Leben gesucht. Auch jetzt lebt der 64-Jährige, der Anfang Mai vergangenen Jahres in einem Mehrfamilienhaus in Germering seine Nachbarin grausam ermordet hat, isoliert. Seit der Tat ist der Hausmeister im Isar-Amper-Klinikum in München-Haar einstweilig untergebracht. Der Arzt, der ihn dort behandelt, sagte am Mittwoch vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II, Peter S. habe "kein Gespür für das, was er gemacht hat."

Aus Sicht eines psychiatrischen Sachverständigen war S. zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert. Aus diesem Grund forderte Staatsanwältin Cathrin Rüling in ihrem Plädoyer den 64-Jährigen wegen Mordes zu 13 Jahren Haft sowie zur Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik zu verurteilen. Wie viele Jahre die Behandlung dauern wird, ist ungewiss. Der Forensiker, der S. vor Beginn des Prozesses untersucht hatte, sagte, der Angeklagte sei "jemand, der sehr schwer zu behandeln ist." Dass überhaupt eine "wesentliche Besserung" seines psychischen Zustandes eintreten wird, davon gehe er nicht aus.

Peter S. hatte im November 2013 einen Schlaganfall, von dem er sich nie wieder richtig erholt hat. Der 64-Jährige war bereits in seiner Jugend auffällig. Er lebte äußerst zurückgezogen. Durch den Schlaganfall sei es zu einer "organischen Persönlichkeitsstörung" gekommen. Es sei "die entscheidende Störung", bei dem 64-Jährigen, sagte der Forensiker. Ärzte hatten S. dazu geraten, eine Psychotherapie zu beginnen. Doch das wollte er nicht. Stattdessen wuchs seine Wut auf seine Umwelt. Auch der Mord an seiner Nachbarin sei "ein Ausfluss" der Erkrankung des Angeklagten, sagte Staatsanwältin Cathrin Rüling in ihrem Schlussvortrag. Am Tattag habe S., der in depressiven Phasen den Wunsch hat, andere Menschen zu töten, den Entschluss gefasst: "Die nächste Person, die ich sehe, bringe ich um." Es sollte seine 77-jährigen Nachbarin sein. "Ich war in der Stimmung jeden umzubringen", hatte S. bei seiner Vernehmung gesagt. Die Nachbarin sei ein "Zufallsopfer" gewesen, so Staatsanwältin Rüling. Als die Seniorin gerade dabei war, die Türe ihrer Wohnung abzuschließen, attackierte Peter S. sie von hinten. Die 77-Jährige sei in diesem Augenblick arg- und wehrlos gewesen, sagte die Vertreterin der Anklage, weshalb das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sei. Hinzu komme "Mordlust" als weiteres Mordmerkmal. Der Angeklagte habe kein Motiv gehabt, hob die Staatsanwältin hervor und zitierte Peter S., der dem Forensiker, der ihn untersuchte, gesagt hatte: "Ich wollte einfach jemanden töten."

Zum Zeitpunkt der Tat, am frühen Abend des 2. Mai 2018, sei die Steuerungsfähigkeit von Peter S. aufgrund seiner psychischen Erkrankung zwar erheblich behindert, aber nicht aufgehoben gewesen, sagte der Sachverständige. Denn der 64-Jährige sei bei der Attacke "zielgerichtet" vorgegangen.

Die Verteidigerin von Peter S., Rechtsanwältin Garina Hamel, ging in ihrem Plädoyer auf die vielen Brüche im Leben ihres Mandanten ein. Diese hätten zur Entwicklung "schizoider Persönlichkeitszüge" beigetragen. Dass der 64-Jährige nach seinem Schlaganfall keine Psychotherapie begonnen habe, könne man ihm wegen seiner "orangischen Persönlichkeitsstörung" nicht zum Vorwurf machen. Hamel plädierte dafür, ihren Mandanten vom Mordvorwurf freizusprechen und schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft zur Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik an. Alleine dies, so Hamel, könne "lebenslänglich" bedeuten, sollte es nicht zur Besserung des psychischen Zustandes kommen.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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