Landkreis Fürstenfeldbruck:Der Freundin ein Messer in die Brust gestoßen

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(Foto: imago stock&people)

37-Jähriger muss sich vor dem Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Er soll seine Partnerin in einem Streit lebensgefährlich verletzt haben.

Von Charlotte Geier, Landkreis Fürstenfeldbruck

Viel Kraft sei nicht erforderlich gewesen, als er das zwanzig Zentimeter lange Messer in den Brustkorb stieß, erzählt der 37-Jährige aus dem östlichen Landkreis, gegen den seit Montag vor dem Landgericht München II ein Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung geführt wird. Im August letzten Jahres hat er bei einem Streit mit seiner damaligen Lebensgefährtin ein Messer in ihre Brust in der Nähe des Herzens gestochen, wodurch die Frau schwere Verletzungen an der Lunge und dem Brustkorb erlitt.

In Handschellen wird der Italiener, der seit 2020 in Deutschland lebt und zuletzt im östlichen Landkreis arbeitete, in den Sitzungssaal geführt. Da er kein Deutsch spricht, begleitet ihn eine Dolmetscherin.

Der Schwerpunkt am Auftakttag liegt auf den Hintergründen der Tat. Die dreijährige Beziehung zu seiner damaligen Freundin sei von starker Eifersucht ihrerseits geprägt gewesen, berichtet der Angeschuldigte. So hätten sie viel gestritten und seine Partnerin sei ihm gegenüber oft gewalttätig geworden. Sie habe ihn geschlagen - mehrmals habe sie dabei seine Brillen zerstört - oder Gegenstände wie zum Beispiel einen Fernseher nach ihm geworfen; öfters habe sie ihn auch in der Wohnung eingesperrt, um ihn zu kontrollieren. Beide seien alkoholabhängig, hätten jeweils drei bis fünf Liter Bier am Tag getrunken. Auf die Frage, warum er die toxische Beziehung nicht beendet habe, sagt der Angeklagte, er sei eben verliebt gewesen und es habe viele Entschuldigungen gegeben. Allgemein habe er sich nie gewehrt, wenn sie ihn - teilweise stundenlang - attackiert habe. Er habe immer versucht, die Unstimmigkeiten in Gesprächen beizulegen.

Bereits am Vorabend der Tat kam es zwischen dem Angeschuldigten und der Geschädigten zu heftigem Streit, bei dem er seine Freundin gewaltsam der Wohnung verwies. Die Frau hatte die Beziehung mit dem Angeklagten beendet und wieder Kontakt mit ihrem Ex-Partner aufgenommen, den der Angeklagte als "Plage seines Lebens" bezeichnet. Am Abend der Tat hätten er und seine Partnerin je fünf Liter Bier getrunken und sich dadurch alkoholisiert gefühlt. Während eines intensiven Streits, bei dem die Geschädigte dem Angeschuldigten gegenüber gewalttätig geworden sei, habe er sie auf das Bett gesetzt, um sie zu beruhigen. Dann habe er das Messer genommen - und zugestochen. Als er davon erzählt, beginnt er lautstark zu weinen. "Es tut mir leid, das wollte ich nicht", ruft er unter Tränen.

Die Frau brach nach der Attacke zusammen, rang nach Luft, eine Blutung setzte erst nach einiger Zeit ein. Danach verließ der Angeklagte nach eigenen Worten in Schock, Angst und Panik die Arbeiterunterkunft, in der er wohnte, und rief im Innenhof des Anwesens nach "Hilfe" und "Sanitätern", woraufhin der Rettungsdienst gerufen wurde. Außerdem versuchte er mit einem Handtuch die Blutung zu stillen. Die lebensgefährlich verletzte Frau konnte durch eine Notoperation im Klinikum Großhadern gerettet werden.

"Ich sehe die Bilder jeden Tag vor mir. Seit neun Monaten trage ich das mit mir herum", sagt der Mann. Er wirkt fassungslos. Die Auswirkungen auf die Beziehung zu seiner jetzigen Ex-Freundin seien brutal gewesen. "Ich liebe sie immer noch, aber ich denke nicht, dass ich wieder mit ihr zusammen sein werde. Ich könnte ihr gerade nicht mal ins Gesicht sehen. Sie wird ihr Leben leben und ich meines, wenn ich irgendwann wieder in Freiheit bin."

Im Laufe des Prozesses betont der Angeschuldigte, er habe seine Freundin gar nicht verletzen, sondern eigentlich nur abschrecken wollen. Oft redet er an den Fragen vorbei. Die Staatsanwältin hält die Ausführungen für "größtenteils Quatsch". "Sie sind nicht in der Lage, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen", sagt sie. Er habe sehr viel Glück gehabt, dass die Geschädigte nicht gestorben sei - sonst wäre er nämlich wegen Mordes angeklagt, wofür eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen ist. Auch der Vorsitzende Richter Sauter Orengo hält die Schilderungen, dass allein die Partnerin eine Furie gewesen sei und der Angeschuldigte keinerlei Verantwortung für die toxischen Dynamiken trägt und sich nie gewehrt habe, für lebensfern.

Der Angeklagte, der seine Alkoholsucht behandeln lassen will, wuchs in Mailand und Deutschland auf. In seiner Familie sei Gewalt und Aggression permanent präsent gewesen, erzählt er. Vor seinem Vater habe er als Kind Angst gehabt. Mit seinen Eltern habe es auch im Erwachsenenalter noch viel Streit gegeben.

Die Verhandlung ist auf insgesamt vier Tage angesetzt und wird an diesem Dienstag fortgesetzt.

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