Fürstenfeldbruck:Wo sich Fink und Hase treffen

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Über den "Blühpakt Bayern" sollen Firmengelände ergrünen und aufblühen. Das Brucker Forum erklärt an einem Beispiel, wie das funktioniert

Von Ingrid Hügenell

Im Sommer sitzt oft ein Feldhase unter der Bank vor dem Gebäude von Deka Messebau in Augsburg. Das Tier schätzt den Schatten und die Deckung. Bis vor fünf Jahren hätte sich kein Hase und auch sonst kein größeres Tier als eine Ameise dorthin verirrt. Vor dem modernen Gebäude gab es einen Rasen, der alle zwei Wochen kurz geschoren wurde. Nun blühen dort wilde Blumen, eine Trockensteinmauer strukturiert das Gelände, Vögel und Insekten fühlen sich wohl, der Hase ebenfalls, und auch die Mitarbeiter wissen die Magerrasen-Fläche zu schätzen. Die Firma wurde für das Projekt mehrfach ausgezeichnet. Kürzlich diente es als Beispiel für Betriebe im Landkreis.

Denn auch im Landkreis Fürstenfeldbruck sollen Firmengelände ergrünen und aufblühen. Private Unternehmen, aber auch solche der öffentlichen Hand, bekommen dabei Hilfe vom bayerischen Umweltministerium, über die Initiative "Blühpakt Bayern - Blühender Betrieb". Wie das funktioniert, konnten 20 Teilnehmer bei einer Online-Veranstaltung von Brucker Forum und Solidargemeinschaft Brucker Land erfahren. Darunter waren Thomas Müller, Klimaschutzmanager der Stadt Fürstenfeldbruck, sein Germeringer Kollege Pascal Luginger, Alexandra Gorski, Wirtschaftsförderin der Gemeinde Eichenau, und Larissa Holmer, Umweltreferentin von Gröbenzell.

Den "Blühpakt mit der Wirtschaft" erläuterte Dagmar Schmitt, die beim Umweltministerium für das Programm zuständig ist. Es wurde 2018 aufgesetzt und läuft noch bis März 2022. Betriebe erhalten eine kostenlose Erstberatung durch Mitglieder des Vereins "Naturgarten". Zwei bis drei Stunden werde dabei vor Ort besprochen, was gemacht werden kann, um den Betrieb zum Blühen zu bringen. Danach gebe es einen Maßnahmenkatalog mit Hinweisen und Tipps, die zeitnah umgesetzt werden sollen, erklärte Schmitt. Mit dem Blühpakt will der Freistaat Schmitt zufolge "die Insektenvielfalt fördern und die Natur wieder vielfältiger und leistungsfähiger machen". Carmen Lefeber vom Naturgarten-Verein gab bei der Veranstaltung eine kurze Einführung zur Bedeutung von naturnahen Firmengeländen. Christine Hofmann-Brand stellte die Umgestaltung von Deka Messebau vor.

Sie ist bei der Firma zuständig für Marketing und Vertrieb, hat die Veränderung des Firmengeländes auf den Weg gebracht und hatte dafür einen ganz konkreten Anlass, wie sie berichtet. Auf einer Brachfläche in der Nähe des Messebau-Gebäudes beobachtete die Naturfreundin 2016 drei Distelfinken. Die Fläche sollte bald bebaut werden, und Hofmann-Brand war besorgt, was dann aus den Vögeln werden würde. Bei ihrem Chef habe sie mit ihrer Idee, auf dem Firmengelände eine Ausgleichsfläche zu schaffen, sofort Gehör gefunden, berichtet sie. Beide Areale auf dem Gelände der früheren Sheridan-Kaserne lagen lange brach. "Etwas blauäugig" seien sie an die Sache herangegangen, berichtet Hofmann-Brand. Sie hätten beim Landesamt für Umwelt, dem Augsburger Amt für Grünordnung und beim Landschaftspflegeverband recherchiert und schließlich das Glück gehabt, in zwei früheren Landwirten, die inzwischen im Naturschutz aktiv sind, kenntnisreiche Mitstreiter zu finden.

Aus dem Rasen wurde ein Magerrasen, eingesät mit Saatgut von Heideflächen rund um Augsburg. Die Mitarbeiter der Messebaufirma halfen mit, eine Bruchsteinmauer und einen kleinen Teich anzulegen - nebenbei ein Beitrag zum Teambuilding in der Firma, wie Hofmann-Brand sagt. Wurzelstöcke und Findlinge lockern die Fläche optisch auf und schaffen eigene kleine Lebensräume. Immer wieder brächten Mitarbeiter nun Totholz mit, das auf der Fläche Platz findet.

Zunächst seien die Flächen recht kahl gewesen, auch, weil der Hase und seine Familie viele Samen weggefressen hatten. Kollegen und Nachbarn lästerten. Manche hätten bestimmt gedacht, "die sind bald insolvent, weil wir keinen Rollrasen hatten", sagt Hofmann-Brand. Deshalb wurde ein Informationsschild aufgestellt. 2018 aber waren schon Erfolge zu sehen. An den Früchten von Sträuchern wie Wilder Apfel und Felsenbirne fraßen sich Schwarz- und Rotkehlchen satt. Bald habe ein anderer Gewerbebetrieb "es uns nachgemacht".

2019 erhielt die Firma zunächst die Auszeichnung im Rahmen des Blühpakts und dann für die Förderung der biologischen Vielfalt den Zukunftspreis der Stadt Augsburg als "wertvoller Beitrag zur zukunftsfähigen Entwicklung". Auch Partner der Allianz für "Insekten-Vielfalt-Augsburg" ist der Betrieb. Das habe viel Resonanz in der Presse gefunden - für den Betrieb ein nicht unerheblicher Werbeeffekt. "Diese Öffentlichkeit ist unbezahlbar", sagt die Marketingfrau. Das Schönste für sie sei gewesen, dass sich auf dem Gelände die Distelfinken einfanden - nicht drei, sondern sogar fünf. Und auch deshalb werden nun alle weiteren Flächen ebenfalls umgewandelt, "weil's einfach total klasse ist".

Ihre Erfahrungen gibt Christine Hofmann-Brand an andere Betriebe gerne weiter. Bei den Teilnehmern an dem Online-Vortrag ist das Interesse groß, gerade auch bei den Vertretern der Kommunen. In der Blühpakt-Allianz können Verbände, Vereine, Organisationen und Interessensgemeinschaften Mitglied werden. Partner sind schon der Bayerische Golfverband und der Landesverband Bayerischer Imker. Die evangelische Kirche will noch im Mai beitreten, die katholische kommendes Jahr. Betriebe, die ausgezeichnet werden wollen, müssen mindestens 20 Prozent der Freiflächen naturnah gestalten, Dachflächen zählen dazu. Chemische Pflanzenschutzmittel und torfhaltige Substrate dürfen nicht verwendet werden, und ein Teil der Flächen darf nicht vor dem Winter gemäht werden. Bisher wurden bereits 58 "Blühende Betriebe" in ganz Bayern ausgezeichnet, fünf davon sind Behörden. Betriebe, die mitmachen wollen, können sich direkt auf der Internetseite www.bluehpakt.bayern.de anmelden. Dort finden auch Gartenbesitzer, Kommunen und Landwirte viele Informationen.

© SZ vom 31.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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