Prozess in Fürstenfeldbruck:Verbotene Beziehung zu einem 13-Jährigen

Lesezeit: 3 min

Auf einer Gamingplattform hatten sich der Angeklagte und der Geschädigte kennen gelernt. (Foto: Josep Rovirosa/imago images/Westend61)

Ein Jugendschöffengericht verurteilt einen 39-Jährigen für erotische Chats mit einem Buben und den Besitz kinderpornografischer Schriften. Der Mann war als Elfjähriger selbst missbraucht worden.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

"Sie sind ganz knapp davor gewesen, dass Sie vom Opfer zum Täter werden." Mit diesem einen Satz fasst ein Schöffenrichter zusammen, was sich im August 2020 zwischen einem erwachsenen Mann, damals 37, und einem 13-Jährigen entwickelt hatte: Die beiden chatten im Netz und freunden sich an, sie flirten, mit teils konkreten sexuellen Anspielungen. Schließlich verabreden sie sich für ein echtes Treffen, das Hotelzimmer ist schon gebucht, als die Eltern des Buben von der Beziehung erfahren und die Polizei einschalten. Gute zwei Jahre später, Ende November, sitzt der inzwischen 39-Jährige auf der Anklagebank eines Jugendschöffengerichts in Fürstenfeldbruck. Ihm wird sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen sowie der Besitz kinderpornografischer Schriften.

Der Angeklagte versucht gar nicht, etwas zu bestreiten. Wie er berichtet, hatten der 13-Jährige und er sich auf einer Gaming-Plattform kennengelernt. Sie spielten und chatteten, freundeten sich allmählich an und verlagerten ihre Kommunikation auf Whatsapp, wo sie sich ungestört von anderen Gamern austauschen konnten. Der Angeklagte schildert, wie die gegenseitige Sympathie immer größer wurde. "Ich habe das als etwas sehr Schönes empfunden", sagt er. Er sei damals, zu Beginn der Corona-Pandemie in einer depressiven Phase gewesen. Und er ergänzt, dass er "leider falsch reagiert" habe auf die Zuneigung des Buben.

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Der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer versteht das nicht: "Es kann doch nicht sein, dass Sie sich, wenn Sie Probleme haben, mit einem 13-Jährigen unterhalten." Das wiederum kann der 39-Jährige nachvollziehen. "Das hat auch etwas zu tun mit meinem eigenen Missbrauch." Wie er berichtet, wurde er als Elfjähriger von einer engen männlichen Bezugsperson missbraucht, die offenbar in einer Kirchengemeinde aktiv war. Zehn Jahre später wurde dem Mann der Prozess gemacht. Der Angeklagte hat seither nach eigenen Angaben eine Vorliebe für männliche Jugendliche. Er habe aber auch seit 14 Jahren eine Beziehung; sein Partner, der von der Anklage weiß, sei "der tollste Mensch der Welt", sagt er mit brüchiger Stimme.

Viel Publikum, wenige Parkplätze: Zum Amtsgericht in Fürstenfeldbruck kommen Besucherinnen und Besucher besser ohne Auto. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Kurz nachdem sich der Angeklagte und der damals 13-Jährige verabredet hatten, bekommen dessen Eltern zufällig die Chats mit dem erwachsenen Mann mit. Sie verständigen die Polizei. Die durchsucht die Wohnung des Angeklagten, beschlagnahmt Computer, Smartphones und andere digitale Geräte - darauf gespeichert sind neben den teils eindeutig erotischen Gesprächen mit dem Buben etwa 2000 Bilder mit kinderpornografischen Inhalten. "Das war sicher auch ein Wiedererleben mit dem Vertrauten", erklärt der 39-Jährige dazu im Gerichtssaal. Mit der Einbehaltung aller beschlagnahmten Geräte ist er einverstanden.

Einsicht, Reue und ein Täter-Opfer-Ausgleich sprechen für den Angeklagten

Das wirkt sich mildernd auf die Strafe aus. Ebenso die Tatsache, dass der Angeklagte mit seinem Geständnis "dem Geschädigten hier eine Aussage erspart hat", wie die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer anmerkt. Weiters spreche für ihn, dass er Reue und Einsicht zeige, bereits eine Therapie begonnen habe und für weitere offen sei sowie der Täter-Opfer-Ausgleich, der mit dem Geschädigten bereits erfolgreich abgeschlossen wurde. Die beschlagnahmten Bilder, unterstreicht sie, "zeigen den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern. Die Kinder haben sicher keinen Spaß daran. Aber das sind die Gesetze des Marktes: Je mehr solche Bilder geguckt werden, desto mehr werden auch produziert." Sie beantragt eine zweijährige Bewährungsstrafe, die Teilnahme an einer Sexualtherapie sowie 6000 Euro Geldauflage.

"Der Geschädigte war 13 Jahre und zehn Monate alt. Zwei Monate später wäre gar nichts passiert", weist der Verteidiger auf die Gesetzeslage hin: Demnach sind 14-Jährige keine Kinder mehr, Geschlechtsverkehr mit ihnen ist kein strafbarer sexueller Missbrauch. "Es war die mildeste Begehungsform, ein sexuell aufgeheizter Chat", betont er. Er fordert eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

Das Gericht verhängt schließlich ein Jahr und vier Monate Haft, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, sowie die Auflage, 3500 Euro an den Kinderschutzbund zu zahlen, eine Therapie zu machen und jeden Kontakt zum Geschädigten zu unterlassen. Man könne es als Außenstehender kaum verstehen, doch Fachleuten zufolge komme es wohl relativ oft vor, sagt der Vorsitzende Richter, "wenn man früher Opfer war, dass man später selber Täter wird".

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