Olympia 1972:Inszenierung und Terroranschlag

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Souvenirs und Fackel: Blick in die Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck zeigt Erinnerungsstücke an Olympia in München und wie die "heiteren Spiele" durch die missglückte Geiselbefreiung zerstört wurden.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Oberbürgermeister Hans-Joachim Vogel (SPD) und der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Willi Daume, präsentierten München als Stadt der Jugend, als Hort von Kunst und Kultur und mit bayerisch-folkloristischem Flair. Der "Spiegel" sprach seinerzeit von einer "Superschau für das Prestige". Welche Anstrengungen unternommen wurden, welcher Werbeaufwand getrieben wurde, wie sich dieser Mega-Event auf die Entwicklung von Fürstenfeldbruck auswirkte und auf welche Weise die Brucker beteiligt waren, das zeigt eine neue Ausstellung im Erdgeschoss des Kunsthauses der Stadt in Fürstenfeld. Behandelt wird in der Ausstellung auch der Anschlag auf die israelische Mannschaft am 5. September, der auf dem Fliegerhorst blutig endete.

Der Kontrast zwischen Inszenierung und Massaker wird in dieser Ausstellung auf zwei Etagen schon farblich deutlich. Im Erdgeschoss, wo es um die Spiele und ihre Wirkung auf die Region geht, dominieren die Olympia-Farben, vor allem Hellblau als Leitfarbe sowie Orange, die auf Otl Aicher zurückgehen. Das Organisationskomitee hatte ihn mit der Gestaltung beauftragt. Er entwickelte ein detailliertes Konzept sowie die Piktogramme, die inzwischen als Klassiker der Designgeschichte gelten.

Symbol für die Last des Geschehenen: Eine Hantel aus Eichenau, wo die Gewichtheber trainierten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Ausstellungsteil im Untergeschoss ist dem Anschlag und seinen Opfern gewidmet, dort finden sich lediglich Farbfotos vom israelischen Team vor dem Anschlag und von den Gedenkorten in Fürstenfeldbruck und München, alles andere ist in Schwarz-Weiß gehalten, darunter die zwölf Fahnen für die Ermordeten. Zu sehen ist auch eine Scheibenhantel aus Eichenau, wo die Ringer und Gewichtheber trainierten.

Scharfschütze ohne Uniform

Warnungen von Geheimdiensten hatte man in den Wind geschlagen, die Befreiungsaktion der Polizei auf dem Fliegerhorst war dilettantisch und improvisiert. Zu sehen ist ein vergrößertes Bild des Brucker Polizisten Johann Klarner, der in ziviler Kleidung auf dem Rücksitz eines Motorrads hockt, über die Schulter ein Gewehr gehängt. Er war kurzfristig als Scharfschütze zum Einsatz beordert worden.

Was die Ausstellung kennzeichnet, sind die lokalen Erinnerungen und Geschichten, die die Museumsleiterinnen Verena Beaucamp und Barbara Kink informativ und anschaulich aufbereitet und in den historischen Kontext eingebettet haben. Ein Aufruf an die Bevölkerung hatte große Resonanz. So meldete sich ein Sammler aus der Stadt, der sich auf Memorabilien der Spiele konzentriert hat. Zu sehen sind Aufkleber, Plakate, Medaillen und Briefmarken, zumal die kommerzielle Vermarktung gigantisch war: Mehr als 200 verschiedene Souvenirs wurden hergestellt nach strengen Lizenzvorgaben.

Im Museum Fürstenfeldbruck widmet sich eine Ausstellung den Olympischen Spielen von 1972. Mit dabei: Maskottchen Dackel Waldi. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Maskottchen der Spiele, der Waldi aus Plüsch, Holz, Plastik und Metall, wurde in einer Stückzahl von zwei Millionen in mehr als 100 Länder verkauft. Das Vorbild kam aus Maisach, ein Rauhaardackel namens "Cherie vom Birkenhof". Er stammte aus der Hundezucht von Max Birken und wurde zum Richtfest des Olympiastadions als Geschenk Félix Lévitan, dem Präsidenten des Internationalen Sportpresseverbandes, überreicht.

Stundenlang eingesperrt

Zu sehen ist in diesem Teil der Ausstellung ein Farbfernseher, damals ein Novum, dessen Anschaffung mehrere Monatslöhne kostete, sowie ein Datenerfassungsrechner, mit dem Wettkampfergebnisse aufgezeichnet wurden. Daneben hängen Bilder, die den Bauboom im Westen der Kreisstadt dokumentieren sowie den Start der S-Bahn im Mai 1972. Der Militärflughafen Fursty wurde im August von zivilen Charterflugzeugen angesteuert, um die vielen Gäste ins Land zu bringen. Dafür wurden eine Abfertigungshalle, ein Duty-Free-Shop sowie eine Kantine eingerichtet. Während des Massakers seien Personal und Gäste in der Halle stundenlang eingesperrt worden, ohne dass sie erfahren hätten, was draußen vor sich ging, erzählt Beaucamp. Etliche bekämpften die Ungewissheit mit den reichlich vorhandenen Spirituosen.

Fernsehturm und Zeltdach: Modell des Olympia-Geländes. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Erinnert wird auch an den sonst ausgeblendeten Protest, der den Spielen in München entgegenschlug. Das Spektrum reichte von Konservativen, die um die beschauliche Stadt fürchteten, bis hin zu Linken, die die "heiteren Spiele" in den Kontext einer Welt stellten, die durch Ereignisse wie den Vietnamkrieg gekennzeichnet war. Protest erhob sich auch gegen die Fortsetzung der Spiele nach dem Terroranschlag. "Die Spiele müssen weitergehen", erklärte Avery Brundage, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, nach dem Massaker. Ausgerechnet Brundage, der den Antisemitismus der Nazis heruntergespielt und gegen den Boykott der Spiele von 1936 gewirkt hatte. "Von nun an liegt München in der Nähe von Dachau", bemerkte der israelische Innenminister nach dem Anschlag von 1972 und benannte damit die Kontinuität eines mörderischen Antisemitismus.

Die "heiteren Spiele", die die NS-Spiele vergessen machen sollten, übernahmen auch ein Ritual wie den Fackellauf, der erstmals 1936 stattgefunden hatte. In der Ausstellung sieht man den Olchinger Turner Ludwig Weidenbeck als Träger, dazu die Werbung der Herstellerfirma, die nicht vergaß, darauf hinzuweisen, dass das stählerne Gerät bereits 1936 im Einsatz war.

Olympia 1972, Museum Fürstenfeldbruck, Kloster Fürstenfeld, bis 23. Oktober, Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 13 bis 17 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 17 Uhr.

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