Fürstenfeldbruck:Petrus hat ein Herz für Pferde

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In Fürstenfeldbruck kann die Leonhardifahrt 2021 wieder stattfinden. Die Sonne rückt den langen Festzug in ein besonders schönes Licht.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Lisa hat beide Hände auf das Absperrgitter gelegt und verfolgt zwischen den Stäben hindurch mit den Augen gebannt die Pferde, die gemächlich dem Rathaus entgegenstreben. Einige Reiterinnen in ihren herrschaftlich wirkenden weinroten und seidigblauen Kleidern sehen wie Prinzessinnen aus, eine andere Gruppe hat sich mit braunen und grauen Wollpullovern im Norwegermuster gegen schneidende Kälte gewappnet.

Denn Petrus, das hat sich herumgesprochen, ist der Leonhardifahrt nicht immer wohlgesonnen und schickt gerne Regen und böigen Wind. Am Samstag aber ist alles anderes. Der blaue Himmel lässt auf himmlischen Segen schließen - und Pfarrer Otto Gäng hat beim Votivamt vor der geschmückten Leonhardikirche die zahlreichen Gäste mit einem Augenzwinkern dazu ermuntert, "Petrus auch nicht zu verärgern". Die sieben Jahre alte Lisa trägt ihren Teil dazu bei, dass Petrus gut gelaunt bleibt und die Sonne auch noch scheint, als alle etwa 250 Teilnehmer mit den 20 Kutschen und Wagen nach einer Ehrenrunde durch die Stadt auf dem Volksfestplatz ankommen. Gemeinsam mit der Familie genießt sie das Defilee und kann es ganz gut verschmerzen, dass sie nicht da oben sitzt auf dem Rücken eines Pferdes oder auf dem Kutschbock. Sie weiß ja, wie das ist, denn beim Willibaldritt in Jesenwang fährt sie fast schon so lange sie denken kann mit auf dem Wagen der Mammendorfer D'Moasawinkler. "Super" findet sie die Leonhardifahrt und sieht mit leuchtend blauen Augen den Fanfarenzug Graf Toerring aus Gernlinden nahen, der das zweite Mal auf die Hauptstraße einbiegt.

Sankt Leonhard blickt über die Köpfe der Kutscherinnen und der Apfelschimmel hinweg. (Foto: Günther Reger)

Beim ersten Durchgang sind alle Rösser, Reiterinnen und Reiter sowie Kutscher an der Tribüne vor der Sparkasse vorbeigezogen und haben sich den Segen von Pfarrer Otto Gäng abgeholt. Neben ihm stehen Alt-OB Sepp Kellerer, die fürs Brauchtum zuständige Dritte Bürgermeisterin Birgitta Klemenz, Landratsstellvertreterin Martina Drechsler, Bezirksrätin Gabriele Off-Nesselhauf und die Abgeordneten aus Bund und Land, Katrin Staffler und Benjamin Miskowitsch, etwas weiter hinten Oberbürgermeister Erich Raff. Etwas CSU-lastig, aber auch der Landtagsabgeordnete Hans Friedl von den Freien Wählern hat sich unter die Zuschauer gemischt. Und in den Kutschen und Truhenwagen ist dann auch das ganze Spektrum der Politik vertreten - auch wenn Kreishandwerksmeister und CSU-Stadtrat Franz Höfelsauer sich für den Wagen der Kreishandwerkerschaft entschieden hat.

Zeitweise sieht es in einem Truhenwagen nach einer schwarz-grünen Koalition aus - Hans Schilling und Martin Kellerer (beide CSU) haben sich zu Gina Merkl und Jan Halbauer (beide Grüne) gesellt. Hinten auf dem Wagen steht "Sankt Leonhard, bitt' für uns". Aber auch die Macht des Heiligen kommt manchmal an ihre Grenzen. Bevor die Kaltblüter sich ins Geschirr legen, steigt Alexa Zierl von der ÖDP zu, die sich in den politischen Gremien der Stadt manches Scharmützel mit dieser "Koalition" geliefert hat - zu allem Überfluss darf sie auch noch ganz vorn sitzen. Aber es herrscht Burgfrieden an diesem Tag. Ganz vorne im hölzernen Truhenwagen des Roten Kreuzes sitzt hingegen niemand. Vielleicht sollen da ja die Bierfässer rein. Der langjährige BRK-Vorsitzende und Stadtrat Franz Neuhierl lüftet ein paar Meter neben der Amperbrücke ein Geheimnis. Na sicher, sagt er, ebenso wie in den zurückliegenden drei Jahrzehnten sei wieder eine Abordnung aus der französischen Partnerstadt Livry-Gargan vertreten - drei Frauen und ein Mann. Diesmal aber seien sie nicht nur exklusiv wegen der beliebten Brauchtumsveranstaltung gekommen. Vor der Rückfahrt werden sie vielmehr noch einen Einkehrschwung bei der Schlossbrauerei Kaltenberg machen. Und ein paar Fässer Bier einladen. Denn in zwei Wochen steigt in Livry-Gargan die Taverne Bavaroise. Und bei so einem bayerischen Fest kommt man mit Beaujolais oder Bordeaux nicht weit.

Nicht allzu weit gekommen ist diesmal auch der Edigna-Verein aus Puch. Eigentlich gehört der zum Festzug wie der kalte Wind und der Regen. Gezogen wird sein Wagen traditionell von einem Ochsengespann. In den letzten Jahren waren es die beiden lammfrommen Max und Moritz. Dieses Jahr aber war das kraftstrotzende Duo unpässlich. Und die Stadt habe trotz aller Bemühungen auch keinen Ersatz auftreiben können, erklärt Jürgen Schröter, der bei der Stadt für Veranstaltungen zuständig ist.

Ochsen wären sicherlich ein Hingucker gewesen. Aber Yosif, 31, findet die Leonhardifahrt auch so "sehr interessant". Der gebürtige Eritreer, der seit sechs Jahren in Deutschland lebt, sitzt zusammen mit einem Freud und seiner früheren Deutschlehrerin Heidi Sedlmair in einem Café an der Hauptstraße, während der prächtig geschmückte Wagen der Gartenfreunde und das Modell der Aicher Kirche übers Kopfsteinpflaster rattern. Religiöse Umzüge kennt er natürlich aus seinem nordafrikanischen Heimatland - er ist orthodoxer Christ. Aber die Mischung mit bayerischem Brauchtum - schon einmalig. Fast noch toller ist, dass man nach der langen Coronapause so was überhaupt wieder sehen kann. Das Tragen von Mundschutz haben die Organisatoren der Leonhardifahrt zwar empfohlen. Aber die Zuschauer versuchen lieber, einen gewissen Abstand zu halten, auch wenn das nicht immer gelingt.

Eine Kapelle kann natürlich so oder so keinen Mund-Nasenschutz tragen. Das gilt auch für die Blasmusik Schöngeising. Für Dirigent Steffen Schmitt ist der Leonhardizug eine Premiere. Und für die 30 Musikanten ist es der erste Festzug nach langer Zeit. "Das letzte Mal mit der großen Formation haben wir bei der Leonhardifahrt vor zwei Jahren gespielt", sagt einer aus der Gruppe. Alle freuen sich, wieder aufspielen zu dürfen. "Ein fantastisches Gefühl" sei das - und natürlich eine gute Einstimmung auf das Bigbandkonzert Anfang Dezember in Schöngeising. Mitgebracht haben sie den Fuhrmannsmarsch. Und weil es anfangs leicht bergauf geht Richtung Rathaus, wird erst mal der passende Bozner Bergsteigermarsch angestimmt.

Nach gut einer Stunde ist es dann aber schon wieder vorbei - abgesehen von einem scheuenden Pferd lief nach Auskunft der Polizei alles reibungslos über die Bühne. Vor der Sparkasse drängen sich noch ein paar Leute vor dem Getränke- und Essensstand der Heimatgilde. Und Gildemeister Daniel Brando hat Zeit, die größeren historischen Zusammenhänge zu erklären. Denn die Heimatgilde tanzt nicht nur regelmäßig in den Fasching, sie hat in der Nachkriegszeit die Weichen gestellt für die Leonhardifahrt moderner Prägung - anfangs als Reitturnier auf der Wiese neben dem Kloster. An diesem Tag freut sich Brando aber vor allem, dass sich die Brucker einfach mal wieder von Angesicht zu Angesicht treffen können. So sieht das auch Schröter. Er hofft, dass es so weitergeht: Lucienhäuschen-Schwimmen Mitte Dezember, im Frühjahr das Volksfest.

Auch den Willibaldritt in Jesenwang soll es im Sommer ja wieder geben. Eine frohe Kunde für Lisa, die dem prächtigen Sechsspänner hinterherschaut.

© SZ vom 02.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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