Sammlung:Ein Wehrmachtshelm als Jaucheschöpfer

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Volle Regale: Blick in das Jexhof-Depot in Unterschweinbach. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Jexhof-Depot in Unterschweinbach ist das Rückgrat des Bauernhofmuseums. Dort lagern etwa 16000 Exponate, viele von ihnen sind noch nie gezeigt worden. Ein Besuch.

Von Gerhard Eisenkolb, Unterschweinbach

Das Bauernhofmuseum Jexhof in der Einöde einer Waldlichtung bei Schöngeising ist für dessen Leiter Reinhard Jakob das "materielle Gedächtnis des Landkreises". Damit ist der Ort mehr als ein denkmalgeschützter Dreiseithof mit Ausstellungsräumen. So, als wäre die Zeit stehen geblieben, erzählt das Museum seit der Eröffnung im Jahr 1987 die Geschichte vom Leben auf einem Bauernhof vor 120 Jahren. Möglich ist das, weil die komplette Ausstattung des Hofes aus dieser Zeit im Originalzustand als kulturelles Erbe erhalten blieb. Das macht den Jexhof zu etwas Einmaligem. Wird doch hier erlebbar, wie unsere Vorfahren lebten und wirtschafteten. Allein die einzigartige Lage und das mit dem gesamten Inventar erhaltene Anwesen ist ein Glücksfall.

Zum Gedächtnis des Landkreises macht den Jexhof aber etwas anderes: das große Depot in Unterschweinbach. Das ist der unsichtbare, aber inzwischen größere und auf Dauer eigentlich konstituierende Teil des Museums. Dort lagert die in drei Jahrzehnten aufgebaute Sammlung von 16000 Kulturgütern, von denen jedes Stück noch in hundert Jahren den Menschen eine Geschichte erzählen können soll, die nicht wissen, wozu Bauern früher eine eiserne Egge, eine Zentrifuge oder dergleichen benötigten.

"Wäre ein Museum ein geschützter Begriff, wäre eine solche Sammlung die Grundvoraussetzung für ein Museum", sagt Jakob. Das Herzstück des Jexhofs ist also nicht das, was bei Ausstellungen gezeigt wird, sondern zunehmend das, was hinter der das Landleben unserer Vorfahren idealisierend schön zeichnenden Kulisse der Bauernhofidylle eingelagert ist.

Grundstock aus mehr als 3000 Objekten

Der Grundstock der Jexhof-Sammlung bestand aus etwa 3000 bis 4000 Werkzeugen, Landmaschinen, Geräten, Haushalts- und Einrichtungsgegenständen der Bauernfamilie Riedl. Diese hatte den ehemaligen Einödhof des Klosters Fürstenfeld 1862 erworben und über drei Generationen bewirtschaftet. Der Kernbestand ist also bäuerlich, aber nicht nur. Lassen sich doch viele der Alltagsgegenstände der Riedls, beispielsweise deren Geschirr oder Textilien, nicht auf die Landwirtschaft beschränken.

Trotzdem war mit diesem Grundstock für den Aufbau der weiteren Sammlung ein erstes, dominierendes Grundmotiv vorgegeben: das bäuerliche Leben im Landkreis seit der Übernahme des Anwesens bis in die Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Also die Zeit, aus der der Anfangsbestand stammt, der nach 30 Jahren auf bis zu 20000 Objekte angewachsen war. In der nüchternen Sprache der Museumsleute lautet die derzeitige Aufgabenstellung: "Unser Museum sammelt Sachkultur aus der Region um Fürstenfeldbruck aus der Zeit der Vormoderne und vor der allgemein einsetzenden Mechanisierung der Landwirtschaft."

Nur ein Bruchteil wird ausgestellt

Von diesen Objekten, bei denen es sich um ein hölzernes Spielzeugpferd, einen zum Jaucheschöpfer umfunktionierten Wehrmachtshelm, Möbel, Kleider, Wäsche, Werkzeuge wie eine Egge oder ein Butterfass handeln kann, bekommen selbst diejenigen, die das Museum regelmäßig besuchen, nur einen Bruchteil zu sehen. Selbst wenn die meisten der Schätze im Depot verschwinden, bleibt eine solche Sammlung als Wissensspeicher die Grundbedingung für eine Einrichtung wie den Jexhof.

Praktische Anwendung: Petra Schreiner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Jexhofs, zeigt einen zum Jaucheschöpfer umgearbeiteten Wehrmachtshelm. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Für so eine Geschichte steht zum Beispiel eine ärmliche Kinderdecke. Diese wurde 1945 in der Not der Nachkriegszeit von einer Störschneiderin aus Mittelstetten zusammengestückelt. Die Schneiderin verwendete dafür Schulterklappen von Wehrmachtsuniformen und fasste diese mit Kordeln ein. Die Schulterklappen waren Reste der Uniformjacken, die sie wahrscheinlich zu Trachtenjankern umarbeitete. Störschneiderinnen zogen damals mit Nähmaschinen von Hof zu Hof, um gegen Kost und Tagelohn Näharbeiten zu erledigen. Die Decke wurde im Jahr 1995 bei der Ausstellung: "Zwischen Ende und Anfang 1945 - 1950. Kriegsbeginn und Neubeginn auf dem Land", gezeigt. Als Dokument einer Zeit des Mangels, in der nichts weggeworfen, sondern alles aufbewahrt wurde, was sich zu etwas Neuem verarbeiten ließ.

Depot darf nicht zur Rumpelkammer werden

Für Depots wie das im Aufbau befindliche des Jexhofes gelten eigene Gesetze, damit die Sammlungen professionell und keine Rumpelkammern werden. Nach dem Sammeln beginnt mit dem Erfassen und Erforschen jedes Stücks die eigentliche Museumsarbeit. Da Museumsobjekte etwas Besonders sein sollen, ist zu klären, ob sie für die Sammlung geeignet sind. Kriterien hierfür sind für den Jexhof die Herkunft aus der Region, der Seltenheitswert, der Erhaltungszustand, eventuell auch die Aufbewahrungsmöglichkeiten und weitere Zusatzinformationen, deren Beschaffung aufwendige Nachforschungen nach sich ziehen kann. Aus all dem ergibt sich die jeweilige Geschichte und damit der Wert jedes Objekts. Genau das geschieht zurzeit in einem Zwischendepot in Unterschweinbach. Jedes Stück wird dort gereinigt, fotografiert, dokumentiert, inventarisiert und gegebenenfalls restauriert.

Die größte Herausforderung ist die sachgerechte Lagerung. Bei der sind die Kulturgüter dauerhaft vor Schäden zu bewahren, wie sie durch Feuchtigkeit, Schimmel und Schädlinge wie den Holzwurm entstehen. Daher gelten für die deren Aufbewahrung in Depots die gleichen Ansprüche wie für die Präsentation in Museen. Das heißt, es sollte keine Temperaturschwankungen geben. Im Idealfall sollte ein Depot über eine Zugangsschleuse verfügen. All das war auf den früheren zwölf Lagerflächen am Jexhof und am Kreisbauhof sowie in zwei Stadeln in Kottgeisering und Purk nicht gewährleistet, was erhebliche Schäden nach sich zog.

Auch ein Entsammeln ist nötig

Diese Zeiten sind vorbei, seit das Museum über ein Zwischenlager in Unterschweinbach verfügt, in dem die Sammlung unter besseren Bedingungen aufbewahrt wird. Bis das Ziel erreicht ist: ein Enddepot, in dem auf Dauer eine konservatorische Lagerung gewährleistet ist. Begleitet wird der Prozess des Sichtens und Bewertens vom Entsammeln, also der Deakzession. Das klingt wie ein Widerspruch, der sich aber auflösen lässt. In der Zeit der ersten Euphorie nach der Museumsgründung war der Jexhof mit Sammelstücken überhäuft worden, was die Aufbewahrung in Provisorien nach sich zog.

Überzählige Objekte: Besucher eines Jexhof-Flohmarkts. (Foto: Günther Reger)

Vieles von dem, was sich ansammelte, passt nicht zum Museumskonzept. Als Beispiel nennt Jakob ein Industrieprodukt, einen Mähdrescher, wie er überall verfügbar war und nicht typisch für den Landkreis ist. Also weder zum Sammelzeitraum noch zu den Sammelkriterien passt und zudem viel Platz für die Aufbewahrung beansprucht. Stattdessen sprach sich das Deakzessionsgremium dafür aus, einen Dreschwagen aus Maisach zu behalten. Auf diese Weise trennte sich das Museum bisher von etwa 4000 Objekten, von denen es viele in mehrfacher Ausführung gab.

Das muss nicht dazu führen, dass diese Objekte für Museen ganz verloren sind. Zuerst werden sie Museen mit einem ähnlichen Sammelschwerpunkt wie dem Bauernhofmuseum des Bezirks Oberbayern auf der Glentleiten bei Kochel am See, Sammlern oder den früheren Eigentümern angeboten. Finden sich keine Interessenten, bleibt noch der Verkauf auf Flohmärkten. Die Pflege und den Ausbau einer solchen Sammlung beschreibt der Jexhof-Leiter als Prozess, bei dem nichts für alle Zeiten festgeschrieben ist. Zur Zukunft mit eventuellen neuen Sammelschwerpunkten äußert sich Jakob nicht. Das überlässt er seinen Nachfolgern, wenn er in zwei Jahren in den Ruhestand geht.

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