Moderne Museumsarbeit:Ausstellungsmacher holen unsichtbares Leid ans Licht

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Das Team des Jexhof-Museums hat die Spuren verfolgter Menschen sorgsam recherchiert und ihr Leben und Leiden bis Ende Mai in einer Ausstellung gewürdigt. (Foto: Günther Reger)

Wie dem Jexhof-Team mit akribischer Recherche und Kreativität eine Ausstellung über jüdische Biografien gelungen ist, zeigt ein Film.

Von Peter Bierl, Schöngeising

Das Jexhof-Museum begeistert seit vielen Jahren mit hervorragenden Sonderausstellungen, in denen lokale Geschichte mit künstlerischem Anspruch auf hohem Niveau gezeigt werden. Vor einigen Jahren wäre diese herausragende Einrichtung beinahe dem Sparkurs des Landkreises zum Opfer gefallen, der sich nach öffentlichen Protesten jedoch eines Besseren besann. Zur jüngst geschlossenen Ausstellung "Die Unsichtbaren sichtbar. Jüdische Biografien aus dem Brucker Land" gibt es nun ein filmisches "Making-of", das die Arbeitsweise des Teams zeigt. Die aufwändige Recherche wird in einem Katalog dokumentiert, der demnächst erscheint.

Am Anfang stehen eine Idee und erste Überlegungen, in diesem Fall, dass es im Landkreis keine jüdische Gemeinde gab, sondern einzelne Menschen, so dass ein biographischer Ansatz gewählt wurde, wie Reinhard Jakob, der Museumsleiter, erklärt. Dann wird Sekundärliteratur gesichtet, gefolgt von ersten Recherchen in Archiven, weil der Anspruch immer lautet, mit Originalen zu arbeiten. Gleichzeitig entwickelt die Künstlerin Ruth Strähhuber erste Entwürfe für die Gestaltung. Aus diesem Material entstehen ein Exposé, das bereits die Gliederung der Ausstellung enthält, eine Auswahl von Objekten sowie weitere Recherchen.

Ruth Strähhuber, hier bei der Vorbereitung zur Ausstellung über jüdische Biographien im Landkreis, prägt das Museum gestalterisch und künstlerisch. Sie arbeitet auf Honorarbasis. (Foto: Günther Reger)

Manchmal schlägt die Suche fehl, dann wieder findet sich ein ganzer Nachlass, wie der von Berthold Lehmann, der in einem Schrank versteckt die Shoah in Bruck überlebte, berichtet die Historikerin Elisabeth Lang. In der Ausstellung war der gelbe Judenstern zu sehen, den Lehmann tragen musste.

Zu den Ansprüchen des Teams gehören Aktualität und künstlerische Gestaltung. So wollte Jakob Videos von jungen Jüdinnen und Juden zeigen, die eine neue Perspektive einbringen. Das ließ sich so nicht verwirklichen. Stattdessen entstand ein Interview mit Ilana Lewitan, Malerin und Objektkünstlerin aus München. David Stopitzer freut sich, dass an die NS-Verbrechen und ihre Opfer, lange ein Tabuthema in der Bundesrepublik und insbesondere der lokalen Geschichtsschreibung, mit dieser Ausstellung erinnert wird. Er ist eines von mehr als 400 Kindern überlebender Jüdinnen und Juden, die nach dem Krieg im nahen DP-Krankenhaus des Klosters Sankt Ottilien geboren wurden.

Die Namen, Daten und Fotos der Geschundenen und Ermordeten waren in der Ausstellung in einem Rundgang zu finden, die Stellwände teilweise eng zusammengerückt. Strähhuber hatte dafür dünne Betonplatten als Tafeln verwendet, selbst gegossen, geschliffen, gespachtelt und lackiert. Dazu wurden Buchstaben ausgedruckt und von der Mitarbeiterin Lena Stupitzky in mühsamer Kleinarbeit aufgeklebt.

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Im Film kommt auch der Werkstudent Marvin Bendrix zu Wort, der von den Bildern Henrik Moors besonders beeindruckt war. Er schaffte es, sich in Bruck bis zu seinem Tod den Verfolgern zu entziehen. Der Sammler Erich Rüba berichtet von dem Maler Herbert Appelbaum. Dieser verarbeitete seine Leiden im deutschen Konzentrationslager zu einem Gemälde, das heute in Yad Vashem hängt. Es zeigt Häftlinge ohne Kopf bei Bauarbeiten am zweiten Lager des KZ Dachau. In der Ausstellung war eine Vorstudie Appelbaums zu sehen.

Im Zentrum der Ausstellung stand der "Raum der Stille", der sich darauf bezog, dass die Überlebenden nicht über das Erlittene sprechen wollten. Auf der Leinwand war Annemarie Strähhuber zu sehen. In dem Video spricht sie, aber sie ist nicht zu hören, so wie die überlebenden Opfer, die von Verfolgung und Terror in Albträumen heimgesucht wurden. Per Kopfhörer war "Die Todesfuge" von Paul Celan zu hören, der das Schweigen über die Verbrechen und die Täter bricht. Diese Installation ist für Jakob ein Beispiel für die "spontane Kreativität" des Teams.

Martina Drechsler, stellvertretende Landrätin, (Zweite von rechts) mit dem Team des Jexhofs, das die Ausstellung "Die Unsichtbaren sichtbar" realisiert hat: Museumsleiter Reinhard Jakob (von links), Elisabeth Lang, wissenschaftliche Mitarbeiterin, verantwortlich für die Konzeption, und Museumshandwerker Heinrich Widmann. (Foto: Landratsamt Fürstenfeldbruck/oh)

In Anspielung auf den Titel der Ausstellung verwies die stellvertretende Landrätin Martina Drechsler (CSU) bei der Finissage am Sonntag auf eine neue Generation von Jüdinnen und Juden in Landkreis, die selbst entscheiden könnten, sichtbar oder unsichtbar zu sein. Diese Entscheidungsfreiheit hänge davon ab, dass antisemitische Strömungen sie nicht wieder diskreditieren, ausgrenzen oder gar bedrohen.

Der Film "Die Unsichtbaren sichtbar. Ein Blick hinter die Kulissen" wurde mit Unterstützung der Bürgerstiftung für den Landkreis Fürstenfeldbruck produziert. Die nächste Ausstellung könnte sich mit Tattoos beschäftigen, wie das Team in der letzten Szene des Filmes andeutet. Der Jexhof ist eben ein ganz ungewöhnliches Bauernhofmuseum.

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