Fürstenfeldbruck:Kinderpornos als Beifang im rechtsradikalen Gruppenchat

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Viel Publikum, wenige Parkplätze: Zum Amtsgericht in Fürstenfeldbruck kommen Besucherinnen und Besucher besser ohne Auto. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Schöffengericht verurteilt einen 23-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu Geldauflage und Leseprojekt.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Was ist die angemessene Strafe für einen jungen Mann, der zwei Mal ein Bild mit kinderpornografischem Inhalt verschickt und es auf seinem Smartphone gespeichert hat, und der drei Jahre davor, noch als Heranwachsender, einen verfassungsfeindlichen Spruch gepostet hat? Die Frage, ob er nun nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden soll, beschäftigte unlängst ein Jugendschöffengericht in Fürstenfeldbruck. Für den Angeklagten bedeutet die Entscheidung entweder eine Geldauflage samt richterlicher Weisungen oder mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, da er keine Vorstrafen hat.

Denn der Gesetzgeber hat den Strafrahmen für Verbrechen mit Kinderpornos im vergangenen Jahr heraufgesetzt. Seit Juli 2021 gilt für Erwachsene eine Mindeststrafe von einem Jahr. Außerdem gilt für das Verfahren am Dienstag, wie die Vorsitzende Richterin Alexandra Tonnemacher-Sattig erklärt, dass das Urteil für beide Vergehen einheitlich entweder nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht gefällt werden muss.

Morgens früh um sechs kommen in diesem Frühjahr Polizeibeamte zur Hausdurchsuchung zu dem 23-Jährigen, der noch bei seinen Eltern im Landkreis lebt. Die Ermittler sind bei ihren Internetrecherchen zu Vergehen im Zusammenhang mit kinderpornografischem Material auf den Angeklagten aufmerksam geworden, weil er im Vorjahr zwei Mal ein entsprechendes Bild verschickt hatte. Auf dem bei der Durchsuchung sichergestellten Computer ist es gespeichert, dazu etwa 3000 Bilder und 200 Videos mit legaler Pornografie. Außerdem stellen die Ermittler fest, dass der junge Mann im Februar 2018 in einer Whats-App-Gruppe einen verfassungsfeindlichen Spruch gepostet hatte.

In der Verhandlung räumt der Verteidiger sämtliche Vorwürfe ein. "Der Angeklagte hatte Schwierigkeiten Kontakte zu knüpfen", erklärt er. "Ich wollte mich interessant machen", ergänzt der 23-Jährige. Wie sich im Verlauf der Verhandlung herausstellt, war 2017, ein Jahr vor der ersten Straftat, der beste Freund des Angeklagten verstorben. Woraufhin dieser Anschluss bei seinem älteren Cousin gesucht hatte. Der wiederum war offenbar in rechten Kreisen unterwegs, wie der zuständige Polizeibeamte im Gerichtssaal zu berichten weiß. Der Beamte schildert den Angeklagten als sehr kooperativ bei der Durchsuchung, zu den illegalen Fotos habe er erklärt, "dass er das Ganze eher als Witz gesehen hat".

Die Bilder habe er nur verschickt, um zu einer anderen Whats-App-Gruppe dazuzugehören, nicht weil er entsprechende Neigungen habe, erläutert sein Anwalt. Und betont mit Blick auf die Gesamtheit des gefundenen Bild- und Videomaterials, "dass das Alter für ihn nicht die zentrale Rolle gespielt hat". Die Auswertung der digitalen Geräte des Angeklagten untermauert dies: Ein kinderpornografisches Bild unter 3000 pornografischen. Ebenso stützt die Untersuchung eine weitere Aussage des 23-Jährigen, nämlich dass er seit mindestens zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu dem Cousin hatte.

Eine Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe empfiehlt eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht. Die Tatsache, dass der Angeklagte noch bei seinen Eltern lebt, und vor allen Dingen sein Motiv bei allen Taten zwischen 2018 und 2022, "soziale Anerkennung", wertet sie als Belege für Reifeverzögerungen. Der Angeklagte sei durch den Tod seines Freunde ziemlich aus der Bahn geworfen worden. Die Staatsanwältin verweist auf die drei, vier Jahre Pause zwischen den Taten und den Umstand, dass der 23-Jährige längst seine Ausbildung abgeschlossen habe und sein eigenes Geld verdiene. Sie beantragt Erwachsenenstrafrecht: eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe zur Bewährung.

"Es hat sich etwas fortgesetzt, was im Jugendalter begann", plädiert der Verteidiger für eine Jugendstrafe. Sein Mandant habe die inkriminierten Bilder nicht wie sonst üblich bei Kinderpornos selbst im Internet gesucht, betont er, "sondern sie waren quasi Beifang beim rechtsradikalen Gruppenchat". Das Jugendschöffengericht verhängt schließlich eine Jugendstrafe - 1500 Euro Geldauflage sowie die Teilnahme am Leseprojekt "Kontext" für das Verschicken und den Besitz eines Fotos kinderpornografischen Inhalts und das Posten eines verfassungsfeindlichen Spruches. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist laut der Vorsitzenden der Ursprung der Vergehen. Und dieser sei bei den Chats in rechtsradikalen Gruppen zu verorten, "da sind Sie 2018 mitgelaufen". Zu der Zeit, so die Richterin, war der Angeklagte im dritten Jahr seiner Ausbildung.

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