Gerichtsverfahren:Tumult an der Tankstelle

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Viel Publikum, wenige Parkplätze: Zum Amtsgericht in Fürstenfeldbruck kommen Besucherinnen und Besucher besser ohne Auto. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Amtsrichter stellt Verfahren gegen 41-Jährigen ein, der im Oktober Kunden beleidigt und angebrüllt hat.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Gerade einmal einen Monat nach dem schrecklichen Tankstellen-Mord von Idar-Oberstein hat ein 41 Jahre alter Mann an einer Tankstelle in der Kreisstadt Angst und Schrecken verbreitet. Der Emmeringer kam nachmittags stark betrunken und krakeelend dort an, um weiteres Bier zu kaufen. Aus dem Umstand, dass er seinen Mund-Nasen-Schutz nicht richtig trug, entwickelte sich eine Auseinandersetzung mit anderen Kunden. Verletzt wurde in Fürstenfeldbruck aber glücklicherweise niemand. Jetzt, ein halbes Jahr später, musste sich der 41-Jährige wegen versuchter Nötigung vor dem Amtsgericht verantworten. Weil der Vorfall laut einem Zeugen nicht so gravierend war, der Angeklagte reumütig und einsichtig wirkte und er außerdem noch Geldstrafen von vier anderen Verurteilungen zu zahlen hat, wurde das Verfahren schließlich eingestellt.

Ziemlich ungewöhnlich ist das Strafregister des Emmeringers, welches Richter Johann Steigmayer genau durchliest. Es fällt auf, dass der zurzeit arbeitslose Mann erstmals vor fünf Jahren verurteilt worden ist. Es folgte eine jahrelange Pause bis zum Vorjahr. Vier Delikte sind für 2021 verzeichnet - ohne die nun angeklagte Nötigung. Die meisten Strafregister von Mehrfachstraftätern indes weisen eine gewisse Kontinuität seit der Jugend auf. Die Frage des Richters, ob er ein Alkoholproblem habe, verneint der Angeklagte:"eigentlich nicht". Allerdings hat er zwei der anderen Straftaten ebenfalls alkoholisiert begangen.

Am Tattag jedenfalls ergibt die ärztliche Untersuchung etwas mehr als eine Stunde nach dem Vorfall einen Pegel von 1,68 Promille beim Angeklagten; der Mediziner notiert "deutlichen Alkoholeinfluss". Der Verteidiger setzt auf Kooperation. "Es tut ihm leid", unterstreicht er für seinen Mandanten und räumt die Vorwürfe der Anklage weitgehend ein: "Es gab dann den Streit, ja, aber er hat nicht versucht, ihn anzugreifen." Der Strafbefehl legt dem 41-Jährigen Nötigung zur Last: Er soll mit zwei vollen Bierflaschen fuchtelnd einen anderen Kunden bedroht und eingeschüchtert haben.

Jener Kunde war damals mit seiner Frau und einem Neffen auf dem Weg in die Berge. Wie er im Gerichtssaal berichtet, stand er als Dritter oder Vierter in der Schlange - seine Familie saß im Auto, während er "von draußen ein lautes Brüllen gehört" habe. Seiner Erinnerung zufolge betrat der Angeklagte krakeelend die Tankstelle, nahm sich zwei Bierflaschen, wurde von einer Kundin auf seine unter der Nase hängende Maske hingewiesen. "Und dann ist er komplett ausgetickt." Der Mann habe noch mehr aufgedreht, die Leute beleidigt und seinen Frust über die Situation wegen der Pandemie herausgebrüllt. "Ich habe gemerkt, dass die Leute teilweise verängstigt waren", sagt der Zeuge. "Ich habe es in ihren Augen gesehen."

Er habe den Mann zurechtgewiesen, woraufhin der mit einer Flasche in der Hand nach draußen gegangen sei, berichtet der Zeuge weiter. "Dann ist er auf meine Frau losgegangen." Zumindest ging er sehr rasch auf seine inzwischen vor dem Auto stehende Gattin zu, konkretisiert er auf Nachfrage. Der Zeuge folgt dem Angeklagten, packt ihn am Arm und hält ihn fest. Während der mit der Bierflasche vor ihm herumfuchtelt. Ob das ein Angriff war, könne er nicht sagen, erklärt der Zeuge. Er nimmt die Entschuldigung des Angeklagten an, der aufgestanden ist und hinter seiner akkurat sitzenden Maske erklärt, dass er sich an den Vorfall nicht mehr erinnern kann.

Man könne das Verfahren nach Paragraf 154 behandeln (Teileinstellung bei mehreren Taten), so der Richter. "Es kommen noch erhebliche Zahlungen auf ihn zu", sagt er mit Blick auf die anderen Verurteilungen des Vorjahres. Staatsanwalt und Verteidiger sind damit einverstanden, der Angeklagte sowieso.

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