Flurdenkmale:Kraftquelle für Gläubige

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Mariengrotte bei Kottgeisering. (Foto: Leonhard Simon)

Rund um Grafrath, Kottgeisering und Schöngeising finden sich zahlreiche Feldkreuze, Bildstöcke und Marterl. Eine bebilderte Broschüre fasst sie zusammen.

Von Manfred Amann, Fürstenfeldbruck

Auf Wanderungen in der freien Natur trifft man im katholischen Altbayern häufig auf Feld- und Wegkreuze, Bildstöcke oder kleine Kapellen, die zum Verweilen einladen. Und jedes Denkmal hat seine eigene, oft tragische Geschichte. Etwa 75 davon findet man in der reich bebilderten Broschüre "Religiöse Flurdenkmale - Wegkreuze, Marterl und Bildstöcke in der Verwaltungsgemeinschaft Grafrath" (VG), die der Verein Kulturlandschaft Ammersee-Lech herausgegeben hat. In Übersichtskarten der drei Mitgliedsgemeinden, Grafrath, Schöngeising und Kottgeisering, sind die Standorte der jeweiligen Flurdenkmale vermerkt. Die sakralen Flurdenkmale sind Ausdruck einer tiefen Volksfrömmigkeit und seit Jahrhunderten nicht wegzudenkende Bestandteile der Kulturlandschaft.

Als Zeugen der Religions- und der Regionalgeschichte sowie von Schicksalsschlägen und Ereignissen mit nachhaltiger Wirkung erinnern sie an bedeutende, schöne oder tragische Ereignisse, regen zum Nachdenken und zum stillen Gebet an. "Wie Votivbilder in Wallfahrtskirchen sind Kleindenkmale mit christlichen Symbolen Dankes- oder Bittwerke, die vom Herzen kommen", schreibt ein Volkskundler. "Leider werden die Flurdenkmäler immer weniger, manche sind stark verwittert oder schon verrottet, manche in erbärmlichen Zustand und nur selten werden welche restauriert oder erneuert", bedauert Gerhard Gauck. Der Kulturreferent der Gemeinde Schöngeising hat sich daher mit seinen Kolleginnen Sybilla Rathmann (Grafrath) und Kirstin Kortländer (Kottgeisering) zusammengetan, um den Bestand zu dokumentieren und so für die Nachwelt zu sichern.

Mit Unterstützung der Archivare der drei Kommunen konnten auch ehemalige Denkmale erfasst und mit Bildern in die Erinnerung zurückgeholt werden. Zum Beispiel das Brunetti-Kreuz, ein Holzkreuz mit Korpus, das in Schöngeising einst am Weg zur Sunderburg stand und an den Jagdpächter Alois Peter Theobald Brunetti erinnerte. "Unser Vorhaben ist bei allen, die wir angesprochen haben, sofort auf große Zustimmung gestoßen, ausgerüstet mit Fotoapparaten sind sie losgezogen und haben tolle Bilder geliefert", lobt Rathmann.

Bildstock Sankt Wendelin im Grafrather Ortsteil Wildenroth. (Foto: Verein Kulturlandschaft Ammersee-Lech/oh)
Wegkreuz im Grafrather Ortsteil Unteralting. (Foto: Verein Kulturlandschaft Ammersee-Lech/oh)

Die Idee, eine Dokumentation der Flurdenkmale für die VG anzufertigen, war laut Rathmann aufgekommen, nachdem der Verein Kulturlandschaft Ammersee-Lech in der Druckerei "Gerhard und Eva Gauck" zum Beispiel von Dießen und Schondorf ähnliche Dokumentationen hatte herstellen lassen. Da der Vorsitzende des im Rahmen des EU-geförderten Leader-Programms Ammersee-Lech entstandenen Vereins, Klaus Horney, zugestimmt habe, auch für die VG Grafrath ein Flurdenkmal-Projekt zu unterstützen, zumal die Gemeinde Grafrath Mittglied der Ammersee-Leader-Gruppe sei, habe man Helfer gesucht und gefunden. Der Kulturlandschaftsverein Dießen wird auch durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums gefördert.

In der Einleitung zur Broschüre wird erklärt, dass zu den ältesten erhaltenen Flurdenkmalen die niedrigen Steinkreuze gehören und im Spätmittelalter zum Zeichen einer Totschlagsühne oder anderer Verbrechen aufgestellt wurden. Solche Sühnekreuze gibt es in der VG nicht mehr, in Landsberied und in Egenhofen haben sich jedoch welche erhalten. Bildstöcke, auch Betsäulen oder Marterl genannt, werden als "kleines Bauwerk, das einem Tabernakel ähnelt", beschrieben, die vor allem als Stationen an Wallfahrtswegen, für Flurumgänge oder für die Fronleichnamsprozession errichtet worden seien. Wegkreuze gelten als die ältesten Flurdenkmale und sollen schon in vorchristlicher Zeit zu sehen gewesen sein. Vom vierten Jahrhundert an seien diese dann zum Zeichen der Leiden Christi und seinen Sieg über den Tod geworden.

So manches Wegkreuz ist dem Straßenbau zum Opfer gefallen

Zum heutigen Vorkommen von sakralen Flurdenkmalen wird ausgeführt, dass das Aufstellen seit der Säkularisation stark abgenommen hat und so manches Wegkreuz Flurbereinigungen oder dem Straßen- und Wegebau zum Opfer gefallen ist. Zugenommen habe indes das Aufstellen von Gedenkkreuzen für Verunfallte. Für Pater Flavian vom Franziskanerkloster in Grafrath sind Flurdenkmale "Kraftquellen", die den Gläubigen Trost und Lebensmut geben. In seinem Grußwort weist er auf die Bedeutung der Kleindenkmale als Zeichen des Heils und als Hinweis für die Gläubigen hin, dass Gott ihnen immer und überall nahe ist. Vor den jeweiligen Abschnitten über ihre Gemeinde haben auch die Bürgermeister von Grafrath, Schöngeising und Kottgeisering, Markus Kennerknecht, Thomas Totzauer und Andreas Folger, Grußworte gesetzt, in welchen sie insbesondere denen danken, die das Projekt verwirklichten. Zudem würdigen sie das Engagement derjenigen, die mit ihren Familien die Pflege von Flurdenkmalen übernommen haben und so deren Erhalt sichern helfen.

Nikolauskapelle auf der Amperinsel mitten in Grafrath. (Foto: Leonhard Simon)
Rassodenkmal am Kreisel der B471 in Grafrath. (Foto: Leonhard Simon)
Lindemüllerkreuz in den Rahmwiesen von Schöngeising. (Foto: Verein Kulturlandschaft Ammersee-Lech/oh)

In der Broschüre werden 37 christliche Denkmale erläutert, die auf den Fluren von Grafrath stehen. Darunter befinden sich zum Beispiel der Bildstock Sankt Wendelin im Ortsteil Wildenroth, der vom letzten Müller, Leonhard Hartl, errichtet wurde, und das Wegkreuz im Ortsteil Unteralting mit gusseisernem Korpus, das angeblich aus Dankbarkeit für die Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde, sowie die Nikolauskapelle auf der Amperinsel und die Lourdesgrotte auf dem Kapplberg. Und selbstverständlich fehlt auch das vom Künstler Erich Hofmann geschaffene Rassodenkmal nicht, das 1958 an der Amperbrücke aufgestellt wurde und heute den Kreisverkehr an der Bundesstraße 471 ziert.

Auf dem Gemeindegebiet von Schöngeising wurden 23 Denkmale erfasst. Das so genannte Lindemüllerkreuz in den Rahmwiesen, das Gedenkkreuz der letzten Bauern vom Jexhof, Familie Friedl, das Feldkreuz am Zellhof oder das Flurkreuz beim Eisenhut sind beredte Zeugnisse der Volksgläubigkeit. 15 Denkmale mit christlichen Symbolen wurden auf Kottgeiseringer Flur dokumentarisch festgehalten. Am Kreuzberg stehen ein hölzernes Feldkreuz mit Korpus und ein gemauerter, mit Holzschindeln gedeckter Bildstock nebeneinander, umrahmt von drei Birken und mit Blumen geschmückt. Das Ensemble stammt angeblich aus der Pestzeit, die 1632 im Dreißigjährigen Krieg im Dorf gewütet hatte. An diesem Ort sollen die Aussätzigen damals von den Dorfbewohnern versorgt worden sein. Eine hölzerne Bank lädt hier zum Verweilen ein. Die Broschüre umfasst 92 Seiten und kann in den Rathäusern für zehn Euro erworben werden.

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