Religion:Der Impulsgeber verabschiedet sich

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Der 63-jährige Christoph Böhlau sieht seinem Abschied mit gemischten Gefühlen entgegen. (Foto: Johannes Simon)

24 Jahre lang war Christoph Böhlau evangelischer Pfarrer in Eichenau, nun geht er in Ruhestand. Es bleibt eine Gemeinde, in der sich vieles verändert hat.

Von Gerhard Eisenkolb, Eichenau

Die an der Hauptstraße gelegene evangelische Friedenskirche in Eichenau ist im Gegensatz zu der die Gemeinde überragenden katholischen Schutzengelkirche leicht zu übersehen. Das bescheidene Gotteshaus besteht fast ausschließlich aus einem beinahe bis zum Boden reichenden Satteldach. Hat man aber zu dem um einen Innenhof gruppierten Gebäudegeviert gefunden, fühlt man sich wohlbehütet. Das Ensemble besticht durch klare Formen und bietet Überraschungen wie einen Bibelgarten. Pfarrer Christoph Böhlau, 63, die Seele dieses kleinen Kosmos, wird an diesem Sonntag, 4. Februar, bei einem Festgottesdienst von 14 Uhr an von seiner Gemeinde, zu der neben Eichenau noch Alling gehört, in den Ruhestand verabschiedet. 24 Jahre lebte und wirkte er hier, was für einen evangelischen Seelsorger ungewöhnlich lange ist. Da seine erste Pfarrstelle Emmering war, verbrachte er sein gesamtes Berufsleben im Landkreis.

Böhlau verhehlt nicht, in Eichenau verwurzelt zu sein, weshalb ihm der Abschied nicht leichtfällt. Im Gespräch lassen sich Entsprechungen zu seinem Wirkungsfeld entdecken. Dazu gehört seine Bescheidenheit, ja Zurückhaltung, wenn es um seine Person geht. Er drängt sich nicht auf, lässt die Dinge sich entwickeln. So brach er das Theologiestudium nach zehn Semestern ab. Erst bei seiner Arbeit als Zivildienstleistender mit Senioren in einer Münchner Gemeinde erkannte er danach, dass der Beruf des Pfarrers für ihn das Richtige war. Durch Begegnungen mit Menschen fand er zur Gewissheit, mit einer Gemeinde arbeiten und leben zu wollen. Es bedurfte eines solchen "Schlüsselerlebnisses", damit sich erfüllte, wozu dem Münchner Gymnasiasten einst sein Religionslehrer geraten hatte, als er sagte: "Christoph, werde doch Pfarrer."

"Richtig angekommen" in der Seelsorge fühlte sich Böhlau nach dem Abschluss einer Zusatzausbildung zum "Geistlichen Begleiter". Seither begleitete er Menschen in Lebens- und Glaubensfragen über einen längeren Zeitraum, aber nicht als Therapeut, sondern als jemand, der zuhört und so anderen hilft, ihren Weg zu finden. Seiner Gemeinde so lange die Treue zu halten, fiel ihm leicht, weil er hier viele seiner Ideen, an denen es ihm nicht mangelte, umsetzen konnte.

Mit gemischten Gefühlen sieht der 63-Jährige dem Abschied entgegen. Einerseits empfindet er Erleichterung, andererseits Trauer, weil viele über Jahrzehnte gewachsene Bindungen gelöst werden. Das verlange von beiden Seiten ein Stück Trauerarbeit, sagt er. Beim Abschiedsgottesdienst will Böhlau über das gleiche Gleichnis Jesu vom Senfkorn predigen wie hier zum Amtsantritt. Das Bild vom sich aus dem kleinsten von allen Samenkörnern entwickelnden Baum, in dessen Schatten die Vögel des Himmels nisten, ist für ihn eine wunderbare Entsprechung für Gemeindearbeit in einer fröhlich-lebendigen Gemeinschaft, die sich in ihrer Kirche einnistet und Heimat finden.

Ursprünglich war das 1936/37 erbaute Gotteshaus die erste Freizeitkirche in Deutschland. Münchner Jugendgruppen aus der evangelischen Kirche kamen bis 1985 hierher, um im Grünen ihre Freizeit und Bibelstunden zu verbringen. So manche Aktivitäten von Pfarrer Böhlau stehen in der Tradition einer solchen "Freizeitkirche". Er führte Gottesdienste im Freien ein, regte die Gründung des Cafés Campanile unter dem Kirchturm an, gestaltete mit der Gemeinde den Garten der Bibel, ließ einen Schuppen mit ehrenamtlicher Eigenleistung zum Jugendhaus umbauen, taufte Kinder im Starzelbach, lud zu Abendsparziergängen - und es wurde viel gefeiert, um nur einige Beispiele zu nennen. Im Sommerurlaub fiel Böhlau mal ein, er könnte Alleinstehenden einen gemeinsamen Mittagstisch bieten und sie auf diese Weise zusammenbringen. Seither gibt es einmal im Monat dieses Angebot.

Dem Pfarrer war es ein Herzensanliegen, Begegnungen zu ermöglichen. Vor allem Kirchenferne wollte er erreichen und denjenigen ein Dach bieten, die es im Leben schwer haben. Deshalb treffen sich hier regelmäßig eine Demenzgruppe und eine Selbsthilfegruppe Krebskranker. Vieles sei ihm nur deshalb geglückt, weil seine Gemeinde aufgeschlossen war. Dass ihm Begegnungen ein Anliegen sind, hängt mit seiner Vorstellung vom Glauben als Begegnung mit Gott in einem persönlichen Gespräch zusammen. Dafür stehe folgender Bibelspruch: "Gott sprach mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet" (Ex 33,11).

Als Ruheständler bleibt Böhlau in Eichenau wohnen, schließlich sitzt seine Frau Elisabeth für die SPD im Gemeinderat. Aus der Gemeinde zieht er sich zurück, damit etwas Neues entstehen kann. Auf Dekanatsebene wird er sich jedoch weiter als Mentor für Lektorinnen und Lektoren sowie für Prädikanten, also für Laien- oder Hilfsprediger, betätigen. Auf seinem Handy hat er schon eine Liste angelegt, womit er sich künftig beschäftigt. Auf der steht unter anderem: Tauchkurs absolvieren, Trompete und Ukulele spielen, malen, den alten Garten des Großvaters pflegen, mit Enkeln im Zelt übernachten, Radtouren an Flüssen machen, bergsteigen und wandern.

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