Olching:Von Montanunion bis Tiktok

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Eloquente Referentin: Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, gibt in Olching einen kurzweiligen Abriss der Europäischen Union von ihrer Gründung bis zu den nahen Wahlen. (Foto: Johannes Simon)

Kurzweilig skizziert Ursula Münch in Olching die Historie der EU. Die Chefin der Akademie für politische Bildung Tutzing wirbt für Differenzierung.

Von Ariane Lindenbach, Olching

"Es gibt kein Schwarz und Weiß. Die EU ist nicht zu hundert Prozent gut oder schlecht." Mit dieser Feststellung, die sich im Grunde auf das ganze Leben übertragen lässt, aber derzeit zunehmend in Vergessenheit zu geraten scheint, beendet Ursula Münch am Mittwochabend ihren kurzweiligen Vortrag über die Europäische Union. Die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing ist auf Einladung des Kreisverbands der Grünen in den Landkreis Fürstenfeldbruck gekommen.

Im voll besetzten Gretl-Bauer-Saal des Olchinger KOM wirbt die Politikwissenschaftlerin unter dem Titel "Chance Europawahl 2024 - Europa gestärkt in die Zukunft" für eine differenzierte Betrachtung. Und zu einem gemäßigten Verhalten, gerade in Diskussionen mit politisch Andersdenkenden. Die von Münch zitierten Umfragen prognostizieren für die Europawahl am 9. Juni ein Erstarken EU-kritischer und extremistischer Kräfte.

Nach den von der Rednerin präsentierten Erhebungen müssen die Grünen mit Verlusten rechnen. "Volt sind sicherlich auch eine große Konkurrenz für die Grünen", sagt die Professorin, die die überparteiliche Akademie seit 2011 leitet und sich selbst als Wechselwählerin bezeichnet. Die AfD, die vor fünf Jahren elf Prozent der Stimmen erhielt, wird demnach dazu gewinnen. Gerade auch bei jungen Leuten könne die europakritische Partei punkten, verweist Münch auf eine Umfrage, die dieser Wählerschaft 22 Prozent zuordnet.

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Als eine Begründung nennt sie die starke Präsenz der vom Verfassungsschutz als "rechtsextremistischer Verdachtsfall" eingestuften Partei auf der Social-Media-Plattform Tiktok. Die ist nicht nur bei jungen Menschen sehr beliebt, sondern auch so konzipiert, dass die Nutzer schnell in einer sogenannten Filterblase gefangen sind - der Algorithmus schlägt nur noch Themen aus einem Bereich vor. Münch zitiert auch andere Studien, die gerade Älteren" bescheinigten, sie seien für extremistische Inhalte in den sozialen Netzwerken sehr empfänglich.

In etwas mehr als einer Stunde spannt die Wissenschaftlerin einen Bogen von der Gründung der Montanunion 1951, der ersten der drei Wirtschaftsunionen, aus denen die Europäische Union hervorging, und der damaligen Motivation, den Frieden in Europa wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zu sichern, bis hin zu den bevorstehenden Wahlen, die in Deutschland eine Veränderung mit sich bringen: Erstmals dürfen Menschen ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben. In manchen anderen Mitgliedsstaaten, etwa in Belgien, Österreich, Griechenland und Malta, gilt ebenfalls ein Wahlalter von 16 oder 17 Jahren. Mit der Herabsetzung hofft man auf ein größeres Interesse an der EU unter jungen Menschen. Bei der letzten Europawahl 2019 gaben nur 42 Prozent der Erstwähler ihre Stimme ab.

Die Bürokratie wird von den Mitgliedsstaaten gefordert

Die überwiegend älteren Zuhörerinnen und Zuhörer erfahren einiges über den Staatenzusammenschluss, beispielsweise dass das Europäische Parlament deutlich mehr Befugnisse hat als manche nationalen Parlamente, etwa das französische. Und dass die EU zwar tatsächlich viel Bürokratie verursache, diese aber von den Mitgliedstaaten oder Unternehmen gefordert werde.

Das von Kritiker oft genannte Argument, die EU entmachte bis zu einem gewissen Grade ihre Mitgliedstaaten, ist Münch zufolge nicht von der Hand zu weisen: "Das stimmt. Aber dazu ist sie ja da." Eindringlich ergänzt sie: "Ja, das ist der Sinn. Es ist ein freiwilliger Zusammenschluss, das gilt auch für Ungarn, das gilt auch für Polen. Es ist ein freiwilliger Zusammenschluss, der nicht nur der Verteilung von Geldern dient." Schließlich erwähnt die Rednerin die "Politikverflechtungsfalle", ein häufig im EU-Konstrukt auftretendes Phänomen, das - verständlicherweise - auch nicht gerade geeignet sei, Fans zu gewinnen.

Exemplarisch erklärt sie das am Einstimmigkeitsprinzip der EU: "Es ist verdammt schwierig, die Einstimmigkeit abzuschaffen, weil wir die Einstimmigkeit haben." Auch wenn sie manche Kritikpunkte also teilt, wirbt Münch für die EU, und damit für die Teilnahme an der bevorstehenden Wahl. Ihr wichtigstes Ziel, den Frieden zu erhalten, habe die Europäische Union immerhin in den letzten 75 Jahren erreicht.

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