Mittelalterfest:Reise in eine vergangene Zeit

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Mehr als 2000 Besucher kommen nach Gut Roggenstein, um bei Stockbrot, Schwertkampf und Prangerstehen das Treiben im Mittelalter ein wenig kennen zu lernen

Von Eirik Sedlmair, Eichenau

Ein kleines Mädchen mit blonden Haaren steckt den Kopf durch ein Loch in der Holzkonstruktion, ihre Hände baumeln links und rechts durch zwei weitere Löcher. Sepp dreht an einer Schraube und die Hände sind fixiert, das Mädchen kommt nicht mehr raus - es steht jetzt am Pranger. Dann nimmt Sepp, braunes Gewand, weiße Kappe, einen Pinsel, tunkt ihn in eine schwarze Flüssigkeit und tupft ihn auf die Nase des Mädchens. Er greift sich eine Handvoll Federn, drückt sie sanft auf die Flüssigkeit und öffnet den Pranger wieder. Das Mädchen sagt "Danke" und hüpft fröhlich davon.

Dass sich im Mittelalter jemand bedankt hat, nachdem er am Pranger gestanden ist, ist eher unwahrscheinlich. Aber an diesem Samstag ging es auch nicht darum, das Mittelalter wiedereinzuführen. Es ging darum, es erlebbar zu machen. Denn auf Gut Roggenstein, gelegen zwischen Emmering und Eichenau, fand am Samstag ein Mittelalterfest statt. Von Schwertkampf über Armbrustschießen bis zu mehreren Tanzvorführungen - den Besuchern wurde einiges geboten.

Voller Körpereinsatz: Das Burggesinde zu Ruggenstein führt einen Schwertkampf vor. Dafür trainiert der Verein aus Eichenau jede Woche. Die Rüstungen sind maßgefertigt und denen aus dem Mittelalter nachempfunden. (Foto: Günther Reger)

Veranstaltet wurde das Fest vom Kapellenverein Roggenstein. Mitveranstalter waren der Eichenauer Maibaumverein und das Burggesinde zu Ruggenstein. Wolfgang Heilmann ist Vorstandsmitglied des Kapellenvereins, er hat das Fest mitinitiiert. Anlass für das Mittelalterfest ist das 50-jährige Bestehen des Vereins.

Das Fest begann um elf Uhr morgens als Zeitreise: Eine bayerische Blaskapelle spielte Musik, danach "tauchte man in das Mittelalter ein", sagt Heilmann. Er zeigt sich zufrieden ob der "gelösten Stimmung" und den "sicher mehr als 2000 Besuchern". Diese Besucher sitzen bei Stockbrot um mehrere Lagerfeuer oder mit Maßkrügen und Bratwurst an Biertischen, es herrscht Volksfestatmosphäre. Im Hintergrund läuft Mittelaltermusik. Gespielt wird die Musik von den "Spielleut Meyenfogel" aus München. Das Trio steht in mittelalterlicher Kleidung unter einem Baum neben Bierbänken und spielt die "Game of Thrones"-Titelmelodie. Christian Drese spielt, je nach Lied, Cister oder Laute bei den "Spielleut Meyenfogel". Er trete seit 15 Jahren als Musiker für Mittelaltermusik auf, sagt er. Eine besondere Faszination für das Mittelalter habe er nicht, er ist Berufsmusiker und verdient sein Geld damit. "Aber man arbeitet sich da rein", sagt Drese. Wichtig sei die Authentizität, man müsse so glaubhaft wie möglich Spielleute aus der Zeit des Mittelalters darstellen.

Authentizität kann man Stefan Abel nicht absprechen. Er ist mit seiner Frau und seiner Tochter aus Moorenweis auf das Gut Roggenstein gekommen. Und er ist - das sieht man - Mittelalterfan. Er trägt ein grünes Gewand, darunter eine beige Schlaghose. Sein Outfit ist der frühkeltischen Zeit nachempfunden. Wolfgang Heilmann hat sich keine Kleidung aus einer speziellen Epoche gekauft, er habe einfach gegoogelt und sich das erstbeste Outfit geholt, sagt er. Ihm geht es aber auch nicht primär um das Mittelalter, Heilmann geht es um die Kapelle, die über dem Gut Roggenstein thront. Sie wurde im 14. Jahrhundert erbaut, ihre Wände zieren 600 Jahre alte Wandmalereien. Heilmann wollte mit dem Mittelalterfest "die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf das gotische Kleinod richten", sagt er. Das hat funktioniert, viele Hundert Menschen besuchten laut Heilmann die Kapelle.

Auffälliger Kopfschmuck: Die Hörner eines Widders trägt dieser Besucher von Gut Roggenstein. (Foto: Günther Reger)

Um 20 Uhr ging das Fest zu Ende, das Blasorchester spielte wieder - man war zurück in der bayerischen Gegenwart.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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