Eichenau:Kein Platz für Frau und Kinder

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Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. (Foto: Stephan Rumpf)

Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert Landrat und Bürgermeister, weil diese sich weigern, eine Familie aus dem Jemen aufzunehmen.

Von Peter Bierl, Eichenau

Die Zusammenführung einer Familie aus dem Jemen ist vorläufig gescheitert. Der Mann lebt in einer Unterkunft in Eichenau. Die Frau und ihre beiden Kinder wurden, zunächst befristet bis Dienstag, 2. Januar, von einer Einrichtung für obdachlose Frauen in München aufgenommen. Weder Landrat Thomas Karmasin (CSU) noch der Eichenauer Bürgermeister Peter Münster (FDP) fühlen sich zuständig.

Nach Darstellung Stephan Dünnwalds vom Bayerischen Flüchtlingsrat kam die Frau mit den Kindern, zwei und fünf Jahre alt, am Nikolaustag in Eichenau an. Nach zwei Nächten in der Unterkunft seien sie vom Hausmeister rausgeworfen worden, obwohl ein Zimmer frei gewesen wäre. Zwei weitere Nächte kam die Familie bei einem Freund in München unter, dann mussten sie bei eisiger Kälte unter freiem Himmel in der Nähe des Hauptbahnhofs ausharren, berichtet Dünnwald.

Das Landratsamt widerspricht der Darstellung: Der Hausmeister sei nicht beteiligt gewesen, der Objektbetreuer habe die Frau belehrt, dass sie nicht bleiben könne, diese habe die Einrichtung deshalb schon am nächsten Tag freiwillig verlassen. Das freie Zimmer werde bereits wieder für andere Personen vorbereitet, für die der Landkreis unterbringungspflichtig sei.

M. holte seine Familie nach, ohne über Wohnraum zu verfügen

Der Mann ist als Asylbewerber anerkannt und wird deshalb in der Unterkunft nur als "Fehlbeleger" geduldet, andernfalls wäre die Gemeinde für ihn als Obdachlosen verantwortlich. Er bewohne dort zusammen mit einer anderen Person ein knapp zwölf Quadratmeter großes Zimmer, teilt Ines Roellecke, die Sprecherin des Landratsamts, mit.

Aufgrund einer Gesetzesänderung der Bundesregierung habe M. seine Familie nachholen können, ohne über Wohnraum zu verfügen. Als das Visum ausgestellt wurde, hätten er und seine Familie gewusst, dass eine Unterbringung durch den Landkreis nicht erfolge. "Hierüber wurde die Familie schriftlich belehrt. Auch wurde dies von der Antragstellerin, der Frau von Herrn M., vor Aushändigung des Visums unterschrieben", sagt Roellecke.

Asylbewerber finden in Eichenau in der Unterkunft am Lindenweg eine erste Unterbringung. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Demnach wären Frau und Kinder obdachlos und die Gemeinde zuständig, was wiederum der Bürgermeister zurückweist. "Die Familie kam auf Einladung der Bundesrepublik Deutschland, die ist unterbringungspflichtig", sagt Münster. Er berichtet, dass das Landratsamt jedes Jahr kurz vor Weihnachten Familiennachzug nach Eichenau schicke. Aus humanitären Gründen habe die Kommune diese Menschen stets aufgenommen, sei aber "auf den Kosten sitzen geblieben".

Für ihn sei das keine Frage des Asyls, sondern wie weit die Verpflichtung einer Kommune reicht, Obdachlose aufzunehmen, betont Münster. Nach Ansicht des Bürgermeisters gilt diese nur für Menschen, die in Eichenau gemeldet sind, was Frau und Kinder nicht sind. Andernfalls wäre die Konsequenz, "dass wir acht Milliarden Menschen in Eichenau aufnehmen müssten", sagt Münster.

Das Verhalten von Landrat wie Bürgermeister findet der Mann vom Flüchtlingsrat "schäbig"

Inzwischen ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in München anhängig, berichtet der Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrates. Geklärt werden soll, ob das Landratsamt oder die Kommune für die Unterbringung zuständig sind. Bislang gebe es zwei Gerichtsentscheidungen in Bayern, eine zugunsten einer Kreisbehörde, die andere für die Gemeinde. Dünnwald betont, dass er ein gewisses Verständnis für den Bürgermeister aufbringe, wenn der nicht auf den Kosten sitzen bleiben wolle. Gleichwohl sei das Verhalten von Landrat wie Bürgermeister "schäbig".

Denn der Familiennachzug soll zum Vater und Ehemann erfolgen, der in Eichenau lebt. So aber bleibe die Familie weiterhin getrennt. Ähnlich kritisiert die Eichenauer Gemeinderätin Rike Schiele (Grüne), dass man Familienmitglieder, die nachziehen dürfen, so nicht behandeln darf, zumal es sich um wenige Fälle handele.

Dünnwald spricht von "organisierter Verantwortungslosigkeit". Er hält insbesondere dem CSU-Politiker Karmasin vor, "unchristlich und unsozial" zu handeln. Der Landrat hätte die Frau und die kleinen Kindern ein paar Tage in der Unterkunft wohnen lassen können, ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung und befristet, statt sie auf die Straße zu setzen.

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