Fürstenfeldbruck:Zwei Jahre Impfen im Akkord

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Vor dem letzten Tag im Impfzentrum: der ärztliche Leiter Matthias Skrzypczak (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zum Jahresende schließt das Impfzentrum. Dessen Leiter sagt, das Gesundheitssystem hätte durchaus Bedarf, die vorhandenen Strukturen weiter zu nutzen.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Ach ja, die Maske. Fast hat man sie schon vergessen. Wer ins Impfzentrum möchte, braucht sie noch - im FFP-2-Standard. Gut, dass noch eine schon seit längerem in der Manteltasche ausgeharrt hat. Im Impfzentrum sieht es noch so aus, wie es viele kennengelernt haben. Viel Inventar gibt es ohnehin nicht in dem Flachbau im Westen von Fürstenfeldbruck, in dem vormals ein Aldi Waren verkauft hat. Zwei schmale Anmeldetheken. Stellwände, die die einzelnen Impfkabinen voneinander trennen. Zahlreiche Stühle, auf denen die Impfwilligen auf die Injektion warten. Auf dem Weg zum Ausgang ein Christbaum. Das Impfzentrum, das in der Corona-Krise eröffnet wurde, wird nun nach genau zwei Jahren schließen.

An diesem Freitag wird von acht bis 21 Uhr dort zum letzten Mal gegen das Coronavirus geimpft. Am Samstag wird abgebaut. Wer dann noch zur Impfung vorbeikommt, wird freilich nicht abgewiesen. Fast 235 000 Menschen erhielten im Impfzentrum seit Januar 2021 eine Spritze - etwas mehr Frauen als Männer. Etwas mehr als 25 000 Geimpfte waren jünger als 20 Jahre - darunter auch Babys ab sechs Monaten und Kleinkinder - , etwas mehr als 31 000 waren älter als 80.

"Für dieses Projekt haben wir alles andere stehen und liegen lassen", sagt Matthias Skrzypczak

Bei Matthias Skrzypczak ist auch ein wenig Erleichterung zu spüren. Sehr anstrengend waren nicht nur für ihn die beiden Jahre, in denen er ärztlicher Leiter des Impfzentrums war, sondern auch für das gesamte Personal im Impfzentrum. Insgesamt haben dort bis zu 80 niedergelassene, teilweise auch pensionierte Ärzte Dienst getan, sowie etwa 180 nichtärztliche Mitarbeiter, die sich um Ablauf und Verwaltung gekümmert haben. "Für dieses Projekt haben wir alles andere stehen und liegen lassen", sagt Skrzypczak und erinnert daran, wie wenig Vorlauf man dafür hatte. In drei Wochen sollte ein Impfzentrumsbetrieb auf die Beine gestellt werden, für den "es keine Blaupause gab" und dessen Abläufe man allesamt selbst organisieren musste. "Das hat schon an den Kräften gezehrt." Sie haben viel Zeit geopfert für diese Aufgabe, häufig zu Lasten ihres Privatlebens. Er habe drei kleine Kinder zu Hause, erzählt Skrzypczak, die nun ihren Vater wieder häufiger sehen sollen. Er wird als Anästhesist in die Kreisklinik zurückkehren.

Ende des Jahres endet für die Kommunen der Auftrag der Bundesregierung, Impfzentren vorzuhalten. Sie sind als Zusatzangebot teuer: Miete, Neben- und Personalkosten, Verwaltung, Reinigung, Sicherheitspersonal sind zu bezahlen. Künftig werden Impfungen gegen das Coronavirus ausschließlich in Hausarztpraxen und Apotheken verabreicht. Die Hausärzte sind derzeit gut beschäftigt, mehr Menschen als sonst sind krank. Es kursieren viele Atemwegsinfektionen und eine Grippewelle. Katja Ruppert kennt das aus ihrer täglichen Arbeit. Sie führt zusammen mit einem Kollegen eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis in Germering. "Viele kommen derzeit mit Influenza", sagt die Ärztin, die auch stellvertretende Leiterin des Impfzentrum ist.

Wer kümmert sich künftig um die Impfungen in Alten- oder Asylbewerberheimen?

Gerade zur Hochzeit der Infektionen um den Jahreswechsel herum den Übergang von den Impfzentren auf die Praxen stattfinden zu lassen, findet Skrzypczak nicht besonders glücklich. Auch "hätte man die Ressource Impfzentrum anderweitig nutzen können", sagt er. Gerade weil dessen Teams in den vergangenen beiden Jahren auch zu vielen mobilen Impfaktionen unterwegs waren, 728 an der Zahl. Zu Asylbewerberunterkünften, zu Alten- und Pflegeheimen oder sogar zu mobilen Aktionen in Freibädern. Was wird nun daraus? Skrzypczak verweist auf die vielen Probleme im Gesundheitssystem. Die Notaufnahmen seien überlastet, weil die Menschen oftmals nicht zu ihren Hausärzten gingen, weil sie dort schon bis auf die Straße anstehen. Seiner Meinung nach hätte man sich die Impfzentren für andere Aufgaben zunutze machen können.

Fast 235 000 Spritzen wurden in zwei Jahren im Fürstenfeldbrucker Impfzentrum verabreicht. (Foto: Leonhard Simon)

Am Neujahrstag 2021 hatte das Fürstenfeldbrucker Impfzentrum zum ersten Mal geöffnet. Damals war der Impfstoff noch knapp und man wusste, dass es schon nach wenigen Tagen Engpässe geben würde. Man versuchte, zunächst die vulnerablen Gruppen zu erreichen, und so habe man nebenan im betreuten Wohnen "jeden angerufen", erzählt Skrzypczak. Und die älteren Leute nahmen das Angebot an. Noch um 23 Uhr seien sie "im Schlafanzug und mit Lockenwicklern auf dem Kopf zu uns rübergekommen", um sich impfen zu lassen. Er selbst sei "oft erst mitten in der Nacht hier rausgekommen". Und in Lockdown-Zeiten dann immer wieder auf Polizeistreifen getroffen, die ihn fragten, wo er denn um diese Uhrzeit herkomme.

An bisweilen auch schon mal "schlimme Diskussionen" erinnert er sich auch. Die Älteren sollten, nach Jahrgängen gestaffelt, zuerst dran kommen. Unter denen, die deshalb noch auf ihre erste Impfung warten mussten, waren auch welche, die wenig Verständnis für die Rangfolge hatten. Wir mussten damals den Mangel verwalten", sagt Skrzypczak, und irgendwie klingt das so, als wäre das vor langer Zeit gewesen. Dabei ist das noch nicht einmal zwei Jahre her.

Corona-Impfungen gibt es künftig bei Hausärzten und Apothekern

Mit breiter Verfügbarkeit der Impfstoffe änderte sich das. Von Anfang April 2021 an sollten neben den 430 Impfzentren in Deutschland auch an die 35 000 Hausarztpraxen, dann auch noch die Fachärzte eingebunden werden, um das Impftempo zu beschleunigen. Wer eine Impfung wollte, musste zunächst einen Termin vereinbaren. Die niedergelassenen Ärzte richteten teilweise eigene Corona-Impfsprechstunden ein. Seit Corona habe sich die Arbeitsbelastung in den Praxen um ein Drittel erhöht, erzählte damals ein Hausarzt. Es musste ja alles auch unter den gebotenen Schutzmaßnahmen stattfinden. So manche Patienten zogen den Hausarzt dem Impfzentrum vor - vor allem weil ihm die jeweils persönliche Krankengeschichte bekannt war. Andere schätzten das Impfzentrum, weil man dort nicht mit anderen Erkrankten in Kontakt kam und man sich später, als der erste Run vorbei war, auch spontan für eine Impfung entscheiden konnte. Auf Beratung legte man da wie dort großen Wert. Gerade Leute, die sich nicht sicher gewesen seien, ob sich sich impfen lassen sollten, hätten "sehr intensiv nachgefragt", sagt Skrzypczak. Mit steigender Zahl der Impfstoffe wurde auch der Beratungsaufwand komplexer. Skrzypczak sagt nicht ohne Stolz, dass sich im Impfzentrum deshalb "viel Kompetenz angesammelt hat".

Der Kühlschrank, in dem der Impfstoff aufbewahrt wird, ist schon fast leer. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Regelrecht werben mussten die Impfzentren dann für ihre Arbeit, als immer weniger Impfwillige kamen. Dann wurde geboostert, und auch das Fürstenfeldbrucker Impfzentrum, das seine Öffnungszeiten schon verkürzt hatte, hatte wieder länger geöffnet. Auch am vergangenen Mittwoch sind noch Patienten im Impfzentrum und lassen sich eine Spritze geben. Der Mittwoch, von den Betreibern als Familientag deklariert, hat laut Katja Ruppert immer viel Nachfrage erfahren: "Da haben viele Menschen frei, und viele Praxen haben zu."

Schon seit einigen Wochen wurden die Impfstoffe nur noch "auf Sicht" bestellt, wie Skrzypczak sagt. Es soll möglichst wenig davon übrig bleiben, den Rest will man an niedergelassene Ärzte weitergeben. Auch das Personal wusste seit längerem, dass die Arbeitsverträge nicht verlängert werden. Einige haben sich bereits nach einer Anschlussbeschäftigung umgesehen, auch das Landratsamt, das das Rote Kreuz zu Jahresanfang als Betreiber des Impfzentrums ablöste, wird vereinzelt Kräfte übernehmen. Jene, die aus der Rente kamen und freiwillig mithalfen, ziehen sich wieder zurück. Am Silvestertag wird dann nach den Aus- und Aufräumarbeiten das Licht ausgehen im Impfzentrum Fürstenfeldbruck. Danach soll das Gebäude abgerissen werden.

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