Fürstenfeldbruck:Plausch mit dem Bundesfinanzminister

Lesezeit: 3 min

Der Bundesfinanzminister als Dienstleister: Christian Lindner (rechts) hält Christoph Rohde das Mikrofon hin. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Christian Lindner reist zu Gesprächen mit den Bürgern durch das Land - und beginnt in Fürstenfeldbruck.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Als erste Amtshandlung macht Christian Götz ein Selfie. Nein, ganz stimmt das nicht, denn der neue Oberbürgermeister von Fürstenfeldbruck tritt erst in zweieinhalb Wochen sein Amt an. Aber ein Selfie mit Christian Lindner macht sich trotzdem gut, auch für die kommunalpolitische Vita. Immerhin ist Lindner gerade Bundesfinanzminister. Am Donnerstagnachmittag ist er für eine Stunde in Fürstenfeldbruck zu Gast gewesen, um dort mit Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren.

"Jetzt im Dialog" nennt sich das Format, das sich Lindners Ministerium ausgedacht hat, um dem Volk ein wenig näherzukommen. Die Veranstaltung in Fürstenfeldbruck ist der Auftakt dazu. 130 Personen haben den Zuschlag bekommen. Sie mussten sich im Vorfeld dafür anmelden, ihre Fragen dürfen sie spontan stellen. Mit mehr als 45 Minuten Verspätung betritt Lindner den Säulensaal im Veranstaltungsforum, pünktliches Erscheinen habe ein Unfallgeschehen auf der Autobahn verhindert ("Niemand hat sich festgeklebt").

Der Politiker bringt das Mikrofon persönlich zu den Fragestellern

Eine Radiomoderatorin begrüßt ihn auf der Bühne. Die verlässt er gleich wieder, um sich dem fragenden Volk auch örtlich zu nähern. Die Kaffeetasse, die er erst noch in der Hand hält, stellt er bald ab. Ohne sie ist es einfacher, den Fragestellern persönlich das Mikrofon hinzuhalten. Er sei "nicht zum ersten Mal hier, sondern vor einigen Jahren in dem anderen Raum da vorne" gewesen, sagt der 44-Jährige. 2017 war das, als die FDP ihren Vorsitzenden und damaligen Hoffnungsträger in die Tenne geholt hat.

Für seine erste Einlassung erhält Lindner viel Applaus: "Wir brauchen mehr gesunden Menschenverstand in der Politik." Ein bisschen populistisch wohl, wer würde da widersprechen? Talkshows schaue er sich nicht mehr an - "außer wenn ich drin war". Lacher im Publikum. Er betont, dass Deutschland ein "großartiges, starkes Land" sei, das andere bewunderten. "Das darf uns aber nicht in Versuchung führen, selbstzufrieden zu sein." Um soziale und ökologische Anliegen umsetzen zu können, sei "ein stabiles wirtschaftliches Fundament" nötig.

Newsletter abonnieren
:Der ETF-Coach

In zwölf Schritten einfach Geld anlegen. Erhalten Sie Tipps vom ETF-Coach wöchentlich in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Ulrich Bode und Klaus Wollenberg von der Kreis-FDP sind zufrieden: mit der Arbeit der Partei in der Ampel, die Bode zufolge "besser klappt als gedacht". Und mit dem Abend. "Es hätte aber ruhig länger dauern dürfen", findet Stadt- und Kreisrat Wollenberg. Lob gibt es auch vom Brucker CSU-Stadt- und Kreisrat Andreas Lohde ("ein kurzweiliger Dialog mit einem erfrischenden Bundesfinanzminister"). Seine Stadtratskollegin Alexa Zierl (ÖDP) hat zuvor eine Frage nach der CO₂-Bepreisung gestellt und Lindner ihr geantwortet, dass es spätestens von 2027 an "überall einen CO₂-Preis geben wird, der auch gehandelt werden kann". Die Einnahmen aus diesem Handel würden an die Menschen zurückgegeben.

Hier lang: Christian Lindner erklärt im Fürstenfeldbrucker Veranstaltungsforum die Politik der Bundesregierung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Christian Lindner ist ein eloquenter Gesprächspartner. Freundlich-routiniert nimmt er jede Frage entgegen. Sein Zwischenruf, er würde auch "Ja-Nein-Fragen" beantworten, ist auch als Appell an die Fragesteller zu verstehen, sich kürzer zu fassen. Manche Fragen sind sehr spezifisch, andere wie jene von Karin Schleicher betreffen viele. Die stellvertretende Vorsitzende des Brucker Kulturvereins macht sich Sorgen wegen der vielen Schulden und wegen der "neuen Heizungen". Wie die Bürger das eigentlich bezahlen sollen, will sie vom Bundesfinanzminister wissen.

Der weist darauf hin, dass man die Erderwärmung unter Kontrolle halten müsse, dass man aber nicht die Bevölkerung gegen den Klimaschutz aufbringen solle. Er habe Zweifel, ob die Wärmepumpe für jedes Gebäude geeignet sei, aber er sei sich sicher, dass der Bundestag den Gesetzentwurf praxistauglich gestalten werde. Denn: "Eigentum darf nicht zum Luxusgut werden!"

Christoph Rohde, der sich als Lehrer vorstellt, formuliert die erste Frage - zur Migrationspolitik. Man brauche Zuwanderung "kluger Köpfe", antwortete Lindner, und auch jenen, die individuell bedroht seien oder vor Kriegen fliehen müssten, schulde man aus Mitmenschlichkeit die Aufnahme. Allerdings könne "nicht jeder, der will, zu uns kommen". Die Gesellschaft habe das Recht, jene, auf die die ersten beiden Annahmen nicht zuträfen und die sich "irregulär" im Land aufhielten, abzuweisen.

Nach einer Stunde ist das Gespräch schon wieder zu Ende

Thematisch wird es dann bunt. Dem Eichenauer Bürgermeister Peter Münster (FDP) verspricht Lindner, dass das Bundesfinanzministerium bemüht sei, die Finanzsituation der Kommunen im Blick zu behalten. Dem Unternehmer Guido Amendt (Olchinger Braumanufaktur) wünscht er scherzhaft "gute Geschäfte, dann habe ich viele Einnahmen". Bei den Fragen eines Steuerberaters wird es kompliziert, worauf Lindner sich den Gag erlaubt, dass es nicht verwunderlich sei, "warum zwei Drittel der weltweiten Steuerliteratur in deutscher Sprache verfasst" seien. Doris Ortlieb vom Landesinnungsverband der Friseure beklagt, dass Betriebe Corona-Soforthilfen zurückzahlen müssten. Lindner hält ihr entgegen, dass es durchaus sinnvoll sei, eine mögliche Doppelförderung zu prüfen. Das Gros der Menschen seien ehrliche Kaufleute, man müsse diese "vor den Findigen schützen".

Nach einer Stunde und neun Fragen ist das Gespräch mit ihm schon wieder zu Ende, es ist nicht Lindners letzter Termin an diesem Tag. Jenen, die ihr Thema nicht anbringen konnten, bietet er an, es schriftlich nachzureichen, es würde dann von Berlin aus beantwortet. Zuvor hatte Michael Pfundner von der Bürgerinitiative "Lebenswertes Starnberg für alle" Lindner davon zu überzeugen versucht, sich 177 Millionen Euro für eine Gleisanbindung am Starnberger See zu sparen: "Lassen Sie Ihre Töpfe zu und geben Sie das Geld für vernünftige Sachen aus!" Lindner schmunzelt: Es sei eine ganz neue Erfahrung für ihn, "zum Nichtstun aufgefordert zu werden".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivForsa im Auftrag der SZ
:Schwarz-orange auf Umfrage-Höhenflug

Knapp ein halbes Jahr vor der Landtagswahl knacken CSU und Freie Wähler zusammen die 50-Prozent-Marke. Doch die Zahl der Politikverdrossenen im Freistaat rangiert auf hohem Niveau. Und einer Partei misstraut sogar die Mehrheit der eigenen Anhänger.

Von Sebastian Beck, Andreas Glas und Christian Sebald

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: