Bühne:Märchenhaft reduziert

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Silke Wenzel als Gretel verfügt über einen flexiblen, sicheren Sopran und viel Spielwitz. Igor Palmov ist in der Rolle des Hänsel ein ausgezeichneter Gegenpart. (Foto: Günther Reger)

In der Taschenoper finden Instrumentalisten und Sänger bei der bereits zweiten Inszenierung von "Hänsel und Gretel" im Puc zueinander - ein Verdienst der Dirigentin Sonja Lachenmayr

Von Klaus Mohr, Puchheim

Die Oper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck gehört zum festen Repertoire vieler Opernbühnen zur Weihnachtszeit, und für nicht wenige Kinder öffnet sich damit der Vorhang eines Opernhauses zum ersten Mal. Die Geschichte ist aus dem Märchen der Gebrüder Grimm und in der Fassung von Ludwig Bechstein allgemein bekannt. In der umsichtigen Variante von Adelheid Wette, der Schwester des Komponisten, wurde manch grausames Detail inhaltlich abgeschwächt, ein paar neue Akzente kamen hinzu. Aus dem Märchenspiel für den Familienkreis, für den "Hänsel und Gretel" von Wette zunächst konzipiert worden war, entwickelte Engelbert Humderdinck aus Begeisterung für die Sache eine Oper in drei Bildern, die 1893 in Weimar uraufgeführt wurde.

Von der großen Bühne zurück (fast) in den Familienkreis verlegte die Puchheimer Taschenoper "Hänsel und Gretel". Dabei kürzte sie diese zur "Kurzoper" und arrangierte sie für ein ganz anderes Instrumentarium neu. Seit mehr als zehn Jahren ist die Puchheimer Taschenoper zu einer festen Institution geworden, und "Hänsel und Gretel" kam schon einmal in einer früheren Taschenoper-Inszenierung 2006 auf die Bühne des Béla-Bartók-Saales. Seit Anbeginn sind Silke Wenzel, Sopranistin, Arrangeurin und Librettistin, sowie Michael Kaller als Regisseur "treibende Geister" und "gute Seelen" der Puchheimer Taschenoper. Es ist kaum zu ermessen, wie viele Arbeitsstunden sie in so eine Produktion stecken müssen, um so ein Werk bühnenreif präsentieren zu können.

Die Idee einer holzschnittartigen Vergröberung von "Hänsel und Gretel" nahmen die Verantwortlichen ganz bewusst in den Fokus und schöpften aus der Konzentration eine oft neuartige Sichtweise: Humperdincks an Richard Wagner orientierte, äußerst differenzierte Instrumentierung mit großem Orchester führten sie auf die wunderbaren Melodiebögen zurück, die umso klarer und kraftvoller strahlten. Welche neuartige Verbindung Tenorsaxofon (David Jäger) und Flöte (Saskia Ederle) hier eingingen, war berückend schön. Ähnliches galt für Violine (Johanna Sandhäger) und Akkordeon (Simon Japha). Das Klavier (Michael Sachs) sorgte nicht nur für eine beständige harmonische Fundierung in der Mitte, sondern setzte gerade in der Höhe oft sehr effektvoll seine perlenden Tongirlanden ein. Die Grundierung mit den sonoren Tönen des Kontrabasses (Helge Japha) komplettierte den Klangcharakter. Dass sowohl die Musiker des Ensembles als auch die Sänger auf der Bühne in der richtigen Abstimmung zusammenfanden, war das Verdienst der Dirigentin Sonja Lachenmayr. Da die Probenzeit bei so einem großen Projekt immer zu knapp bemessen ist, war es fast verwunderlich, wie präzise das Zusammenspiel funktionierte.

Spartanischer als hier kann ein Bühnenbild kaum sein: Ein Tisch, vier verschiedene Stühle, zwei Besen und ein großer Topf waren nur um ein paar Hintergrundbilder ergänzt. Das wiederum förderte die Kreativität: Der hochgestellte Tisch bildete auch den Baum zum Anlehnen in der Nacht, die Lehne eines Stuhls das Gitter für den Käfig, in dem Hänsel gemästet werden soll. Die Personen waren durch Farben gekennzeichnet: Blau für den Hänsel, türkis für die Gretel, gelb für die Mutter und braun für den Vater. Die Hexe war feuerrot und das Sandmännchen hellgrün.

Die sängerischen Leistungen als Hauptträger einer Oper waren durchwegs sehr gut: Einen kraftvollen Vater, dessen Warmherzigkeit spürbar war, gab Florian Dengler ab. Er war auch ein respektabler Erzähler. Silke Wenzel als Gretel verfügt nicht nur über einen flexiblen, sicheren Sopran, sondern auch über viel Spielwitz. Der Countertenor Igor Palmov war in der Rolle des Hänsel und der der Mutter ein ausgezeichneter Gegenpart zur Gretel. Die Hexe alias Tenor Markus Schmid wirkte wie eine Anleihe aus der Oper "Carmen", war stimmlich sehr präsent und ausdrucksstark. Laura Faig fand in der Rolle von Sand- und Taumännchen den kindlich-naiven Tonfall dieser Rolle. Einziges Manko der Aufführung: Die Textverständlichkeit war durchwegs kaum gegeben. Am Schluss gab es großen Beifall für alle Beteiligten.

Weitere Vorstellungen von "Hänsel und Gretel" im Puc: Freitag und Samstag, 13. und 14. Oktober (jeweils 20 Uhr) sowie Sonntag, 15. Oktober (19 Uhr).

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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