Gröbenzell:Beistand in schweren Stunden

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Oft muss die Nachricht von Todesfällen naher Angehöriger überbracht werden. (Foto: Leonhard Simon)

Carmen Sturz wird mit der Bezirksmedaille für ihr ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. Für die Leiterin des Kriseninterventionsteams der Malteser ist es eine positive und erfüllende Tätigkeit.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Für ihr außergewöhnliches ehrenamtliches Engagement als Leiterin des Kriseninterventionsteams (Kit) der Malteser in Gröbenzell wird Carmen Sturz, 55, an diesem Dienstag die Bezirksmedaille des Regierungsbezirks Oberbayern verliehen. Spricht man mit ihr, fallen als erstes die Offenheit und das herzliche Lachen einer fröhlichen Frau auf. Das passt zur ihrer Selbsteinschätzung, mit sich und ihrem Leben rundum zufrieden zu sein. Dass sie mit sich im Reinen ist, hat viel mit ihrer Arbeit beim Kit zu tun. Ihre gesellige Seite klingt an, wenn sie erzählt, dass es ihr einen unbändigen Spaß bereitet, es als Böllerschützin auch mal richtig krachen zu lassen.

Carmen Sturz leitet das Kriseninterventionsteam der Malteser und hilft Menschen in psychisch belastenden Situationen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wie sie bekennt, ist sie hier mit Herzblut dabei, weil die Unterpfaffenhofener Böllerschützen eine tolle Truppe sind. Hier steht für sie das gute Miteinander im Vordergrund, das Schießen ist zweitrangig. Noch mehr Herzblut verbindet sie mit ihrem zweiten, noch wichtigeren Hobby: dem Kit.

"Wir bringen Zeit und Ruhe mit. Wir sind da, halten die Situation mit den Betroffenen aus"

Hier steht sie, ebenfalls zusammen mit einem guten Team, traumatisierten Menschen in einer Ausnahmesituation bei. Die 18 Kit-Helferinnen und Helfer werden nach dem unerwarteten Tod eines Menschen alarmiert, um dessen nächsten Angehörigen beizustehen. Der Anlass kann ein Verkehrs-, Arbeits- oder Badeunfall, ein Suizid, ein plötzlicher häuslicher Tod oder eine Verletzung sein, die so schwer ist, dass mit dem Ableben des Betroffenen gerechnet werden muss. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen begleiten auch Polizeibeamte, wenn diese nahen Angehörigen eine Todesnachricht überbringen müssen. Ein solcher Einsatz kann zwischen zwei und acht Stunden dauern.

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Was sie und ihre Kit-Mitstreiterinnen und Mitstreiter in solchen Situationen machen, in denen Menschen den Boden unter den Füßen verlieren, beschreibt Sturz folgendermaßen: "Wir bringen Zeit und Ruhe mit. Wir sind da, halten die Situation mit den Betroffenen aus. Hören zu oder schweigen mit ihnen. Versuchen, ihnen Halt und eine Struktur zu geben. Versuchen ein Netzwerk herzustellen, das sie durch die nächsten Tage trägt." Letzteres sei nicht immer möglich, da viele vereinsamt sind. Alles, was sie aufzählt, bezeichnet sie als wichtige Elemente zur späteren Trauma-Bewältigung.

"Wir sind nicht selbst betroffen." So beantwortet sie die Frage, wie es ihr gelingt, solche Extremsituationen anderer Menschen auszuhalten. Daher empfindet sie ihre Einsätze nicht als belastend, so lange sie die Betroffenen, die sie häufig in Begleitung eines Kollegen oder einer Kollegin aufsucht, nicht kennt. Ganz im Gegenteil. "Die Arbeit im Kit erdet mich", sagt sie. Das sei total wichtig. Sie sehe zwar viel Leid, werde aber dadurch auf den Boden der Realität heruntergeholt. Das empfindet sie als positiv.

Im Wochenrhythmus wechseln sich Helfer vom BRK und von den Maltesern ab

Immer wieder zu erfahren, wie schnell das Leben vorbei sein kann, lasse sie selbst Kleinigkeiten ganz anders wahrnehmen, die man sonst im Alltagstrubel oft übersieht, weil man sie für völlig normal und daher für selbstverständlich hält. Bei Kriseneinsätzen die kleinen Freuden des Lebens und dessen Reichtum wieder schätzen gelernt zu haben, habe sie demütig gemacht, meint sie. Ihre Schlussfolgerung aus diesen Erfahrungen lautet: "Man soll jeden Tag genießen, den man hat". Normalerweise wisse man ja gar nicht mehr, wie gut es einem geht. Mit diesem Wissen im Hinterkopf kann sie sich nicht mehr im gleichen Maß wie früher aufregen, wenn sie etwas stört oder ärgert.

Der Landkreis verfügt über zwei Kriseninterventionsteams. Im Wochenrhythmus wechseln sich Helfer vom BRK und von den Maltesern ab. Im vergangenen Jahr brachte es das Team von Carmen Sturz in 26 Wochen auf 151 Einsätze. Das sei viel, meint sie.

Die Kit-Leiterin hat einen Sohn, stammt aus Franken, wuchs in Germering auf und lebt seit ihrer Hochzeit in Gröbenzell. Nach einer Tätigkeit als Zahnarzthelferin führte ihr beruflicher Werdegang über eine Softwarefirma zum Sozialdienst in Gröbenzell, den sie drei Jahre zusammen mit einer Kollegin leitete. Den Wechsel zum Sozialdienst bezeichnet sie als Schritt zurück zu ihren Wurzeln. Inzwischen hat sie neben der ehrenamtlichen Leitung des Kit zwei Teilzeitbeschäftigungen. Sie arbeitet in Gräfelfing als Assistentin des Leiters von sozialen Diensten und ist noch hauptamtliche Mitarbeiterin im Büro der Malteser ihres Wohnorts. Sie arbeitet also sowohl ehren- als hauptamtlich für die Malteser. Zu wissen, dass sie zudem für andere etwas Gutes tun könne, wie vor zwei Jahren ebenfalls ehrenamtlich bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal, trägt zu ihrer Zufriedenheit bei. Sie habe eine tolle Familie, lebe in einem wunderbaren Ort, wisse, was sie könne, komme klar mit dem, was sie habe, und sei zudem gesund. "Es passt alles", wie sie sagt. Nun kommt dazu noch die Bezirksmedaille, über die sie sich sehr freut, weil diese Auszeichnung für sie ein Ausdruck der Wertschätzung der Arbeit des Kit ist.

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