Olching:Wie lebt es sich auf dem Bauernhof?

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Stallarbeit: Drittklässler der Puchheimer Grundschule Süd beim Besuch auf dem Hartl-Hof in Olching (Foto: Jana Islinger)

Drittklässler der Puchheimer Schule Süd besuchen den Hartl-Hof in Olching. Dort dürfen sie Tiere streicheln und füttern, erfahren aber auch so manches über das Landleben.

Von Elisabeth Grossmann, Olching

Die Arme von 21 Schülerinnen und Schüler zwängen sich mühsam durch die Gitterstäbe und versuchen, die Tiere dahinter zu erreichen. Euphorisch wedeln sie mit ihren Händen, um die Alpakas und Ponys anzulocken. Für die Aufmerksamkeit der Tiere scheuen sie keine Mühen, stellen sich auf die Zehenspitzen, hüpfen, so hoch sie können, oder legen sich auf den Boden und drücken sich gegen die Abgrenzungen der Gehege. Katzen, Hasen und Bullen dürfen ebenfalls bewundert werden. Entgegen ihren Erwartungen kommen die Schüler den massigen Rindern näher als den Katzen, die ganz offensichtlich keine Schmusekätzchen sind. Eine dritte Klasse der Grundschule Süd aus Puchheim nimmt am Projekt "Erlebnis Bauernhof" auf dem Hartl-Hof in Olching teil und darf einen Schultag im Klassenzimmer gegen einen Vormittag auf dem Bauernhof eintauschen. Der Besuch fasziniert einige unter ihnen so sehr, dass der Berufswunsch Landwirt aufkommt.

Sabine Hartl erklärt der Schulklasse, wie man Kühe füttert. (Foto: Jana Islinger)

Noch ist es auf dem Bauernhof am Olchinger Stadtrand ruhig. Der Wind fegt zwischen dem Hofladen, dem Wohnhaus der Hartls, den Ställen und Hallen entlang, immer mal wieder kommt eine der Hofkatzen vorbei. Diese Stille endet schlagartig, als ein großer Reisebus über den Schotterweg auf das Gelände zurollt. Heraus steigen 21 Kinder im Alter zwischen sieben und neun Jahren sowie ihre Klassenlehrerin Michaela Pöller, 27. Die Schulklasse nimmt am Projekt "Alltagskompetenzen - Schule fürs Leben" teil, das vom bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten getragen wird. Nach einer kurzen Begrüßung durch Sabine Hartl, der Leiterin des Familienunternehmens, gehen alle in ein kleines Zelt, in dem die Schüler eine kurze Einführung bekommen.

Endlich geht es los: Die Kinder dürfen zu den Tieren

Die 38-jährige Erlebnisbäuerin erzählt, wie es ist, mit der ganzen Familie auf einem Bauernhof zu leben und wer welche Aufgaben übernehmen darf. "Bauernhof heißt Familie", sagt Hartl. Die Schüler sitzen auf Bierbänken um sie herum und lauschen gebannt der kleinen Unterrichtseinheit. In der ersten Reihe sitzen Jonas und Franziska. Die neunjährigen Geschwister stechen aus der Gruppe heraus, denn sie melden sich bei nahezu jeder Frage, die Hartl stellt. Die beiden erzählen, dass sie in ihrer Familie ebenfalls einige Tiere zu Hause haben, deswegen kennen sich sich etwas besser aus als ihre Mitschüler. Nach dem Crashkurs über die Tiere und Lebensmittel auf dem Hof geht's endlich los, raus zu den Tieren.

Erste Station: das Alpakagehege. Hartl ruft die Tiere, die sich noch im hinteren Teil der Weide befinden, zu sich. Gespannt halten die Kinder Ausschau, wann die Vierbeiner um die Ecke galoppieren. Als Enzo und Benn auftauchen, geht ein langgezogenes "Wow" durch die Menge. Sabine Hartl verteilt Körner und Heu, die Kinder dürfen es an die Tiere verfüttern. Eifrig füllen die Buben und Mädchen ihre Hände und versuchen, die Alpakas für sich zu gewinnen. Ganz vorne mit dabei: Jonas und Franzi. Die beiden und ihre Mitschüler haben dabei mal mehr, mal weniger Erfolg. Der Zaun zu den Tieren ist dicht gezogen, was das Streicheln und Füttern erschwert. Nach ein paar Minuten geht es weiter zu den Ponys, die im Gehege gegenüber leben. Das Gitter dort ist nicht so eng, und das Streicheln funktioniert deutlich besser. Hartl erklärt den Schülern, worauf sie beim Anfassen achten müssen, und zeigt das Gebiss der Pferde. Viele Kinder sind mit Ponys vertrauter als mit Alpakas und haben weniger Hemmungen, sich den Tieren zu nähern.

Den Tieren nahe zu kommen und sie zu streicheln ist ein besonderes Erlebnis für die Schülerinnen und Schüler. (Foto: Jana Islinger)

Das Highlight vieler Kinder sind die Bullen. Die Bäuerin führt die Kinder und deren Klassenlehrerin Michaela Pöller in eine große Scheune, in der das Ehepaar Hartl um die 50 Schlachtrinder hält. Einen Großteil des Hofrundgangs verbringt die Klasse im Stall der Rinder. Dort wird nicht nur gestreichelt und geschmust, sondern vor allem gearbeitet. Das Futter wird verteilt, der Boden gefegt. Daran haben alle Schüler Spaß, kein Einziger geht ohne Heu im Haar aus dem Stall. Die Geschwister Jonas und Franzi sagen: "Uns haben die Bullen am Besten gefallen, weil wir richtig mit anpacken durften." Während die einen ständig neues Heu holen, verteilen es die anderen vor den Rindern. Wieder andere halten den Boden mit Besen sauber. Ab und an hört man einen überraschten Aufschrei, wenn eines der Tiere seine lange, raue Zunge zeigt und die Kinder abschleckt. Als das ganze Heu weggefegt und die Hände gewaschen sind, geht die Gruppe in ein Zelt, in dem der zweite Teil der Veranstaltung stattfindet.

Kontaktaufnahme mit allen Sinnen. (Foto: Jana Islinger)

In einem Lernzirkel erfahren die Schülerinnen und Schüler alles über verschiedene Getreidearten und deren Verarbeitung. Hartl hat verschiedene Stationen vorbereitet, die die Kinder mithilfe ihrer Lehrerin durcharbeiten. Auch hier legen Jonas und Franzi eine besondere Begeisterung an den Tag. Viele Buben und Mädchen wechseln zwischen den Stationen hin und her, mal hier, mal dort. Nicht so die beiden Geschwister. Die lassen sich von Hartl ausführlich erklären, wie man sein eigenes Mehl mit einer Handmühle herstellen kann. "Wir finden es gut, dass unsere Schule so was organisiert und wir mal hier reinschauen dürfen", sagt Jonas.

Sabine Hartl und Jonas beim Einfüllen von selbst gemahlenem Mehl. (Foto: Elisabeth Grossmann / oh)

Hartl und Pöller erhoffen sich ähnliche Auswirkungen des Projekts auf die Schülerinnen und Schüler. "Wir versuchen den Kindern Regionalität und Ernährung nahezubringen", sagt Pöller. Viele Kinder wüssten überhaupt nicht, welches Gemüse oder Obst gerade Saison hat, weil man ständig alles im Supermarkt kaufen könne. Auch dass Fleisch von toten Tieren stamme, sei den Kindern nicht immer bewusst. Hartl ergänzt: "Wir wollen ein Gefühl dafür vermitteln, was zu welcher Zeit an welchen Orten wächst und woher die Lebensmittel in den Geschäften überhaupt stammen." Hartl will den Kindern die Bedeutung von Landwirtschaft nahe bringen und ein Bewusstsein für Regionalität und Qualität schaffen. Außerdem gebe es Kinder, die noch nie zuvor ein Tier gestreichelt haben.

Sabine Hartl organisiert Veranstaltungen für Schulklassen, Kindergärten und Geburtstage

2018 absolvierte Sabine Hartl eine Weiterbildung zur qualifizierten Erlebnisbäuerin und veranstaltet seither Programme für Schulklassen, Kindergärten und Geburtstage. "Zum Glück wird die Nachfrage immer größer. Es kommen immer mehr Schulklassen, auch aus den höheren Jahrgangsstufen", sagt die 38-Jährige. Seit 2020 können nicht mehr nur Grundschüler, sondern alle Schüler der Jahrgangsstufen zwei bis zehn teilnehmen.

Die neunjährige Valentina liebt Tiere und freut sich deswegen ganz besonders über den Tag auf dem Bauernhof: "Tiere sind tolle Gesellen. Mir gefallen alle Tiere auf dem Hof." Sie habe viel Neues gelernt und finde es wichtig, mal aus der Stadtwelt herauszukommen und "die andere Seite der Lebensmittel" zu sehen. Auf die Frage, ob sie das Projekt anderen Kindern empfehlen würde, antwortet sie, es komme auf die Art von Kindern an, denn manchen gefalle der Kontakt mit Tieren, andere fänden den Dreck auf einem Bauernhof eklig und mögen keine Tiere.

"Die Kinder haben sich schon sehr auf den Tag gefreut", lautet das Fazit der Lehrerin. Die Grundschule kommt seit mehreren Jahren auf den Erlebnis- und Bauernhof. Alle Kinder sagen, dass es ihnen sehr gut gefallen habe und sie gerne wiederkommen würden. "Wir wollen jetzt auch Bauern werden", sagen Jonas und Franzi übereinstimmend.

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