Manga und Anime:Wie ein Ausflug in die Kindheit

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Vor der Klosterkirche trifft man an diesem Wochenende auf allerhand Popkultur-Figuren wie das Pokémon Relaxo. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei einem Besuch der Animuc auf dem Fürstenfeldbrucker Klostergelände begegnet man vielen bekannten Figuren - und ganz neuen Welten.

Von Johannes Kiser, Fürstenfeldbruck

Auf dem Weg zum Kloster Fürstenfeld begegnen einem plötzlich drei detailgetreu kostümierte Son Gokus - der Held aus der Manga-Serie Dragon Ball - auf der Bolzwiese. Was normalerweise ungewöhnlich wäre, ist an diesen Tagen in der Kreisstadt kein allzu besonderer Anblick. Grund dafür ist die alljährliche Animuc-Convention. Anime? Manga? Dragonball Z? Sofort setzen Flashbacks ein und man denkt an eine Kindheit mit RTL 2 und japanischen Zeichentrick-Serien zurück. Fasziniert von dieser ersten Begegnung, macht man sich auf Richtung Eingang des Klostergeländes. Schon der Weg dorthin ist gesäumt von bunten, außergewöhnlichen und extravaganten Fantasiecharakteren. Unzählige Cosplayer geben sich in den barocken Anlagen am Engelsberg mal wieder die Ehre. Dabei dreht sich alles um die perfekte Imitation eines Charakters aus der unerschöpflichen Welt der fernöstlichen Anime-Kunst. Trotz der großen Menge an Rollenspielern herrscht im Innenhof des Klosters eine ausgelassene und entspannte Stimmung. Eine aufwendig verkleidete Mutter mit ihren kostümierten Kindern fällt sofort auf. Sie posiert mit ihrem Nachwuchs auf der Wiese vor dem Säulensaal. Auf die Frage, ob sie Zeit für ein kurzes Interview hat, antwortet sie: "Warte noch kurz auf meinen Mann Michi, dann sind wir vollzählig!".

Verkleidet als Abordnung der Serie "One Piece" ist die Familie von Michi und Daniela auf der Animuc im Kloster unterwegs. (Foto: Johannes Kiser)

Daniela und Michi sind aus Fürstenfeldbruck und für das Paar spielen die japanischen Zeichentrickserien schon seit Kindheitstagen eine große Rolle. Ihre Kostümierungen fallen sofort auf: Ein überdimensionales Schwert ziert Michaels Rücken und auch seine Frau ist so geschminkt, dass die reale Person kaum noch zu erkennen ist. "Serien wie Digimon, Pokémon oder One Piece haben bei uns schon immer eine Faszination entfacht, die wir bis heute teilen", sagen die beiden. Und selbst bei der Erziehung spiele der japanische Animekultur eine Rolle. "Unsere Kinder wachsen mit den klassischen asiatischen Fernsehserien auf und gehen mit uns auch verkleidet auf Conventions", sagt Daniela. Ein Glücksfall für die beiden sei freilich auch der Standort Fürstenfeldbruck. Nicht nur die Nähe zur Heimat, sondern auch die familiäre und doch überregionale Atmosphäre mache die Animuc hier so besonders. Obendrein sei die Kulisse atemberaubend und wie gemacht für einen Wochenendausflug in eine andere Welt.

Für ihre aufwendigen Kostüme geben die Cosplayer gerne mal mehrere Hundert Euro aus. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Seit 2009 öffnet das Veranstaltungsforum Fürstenfeld nun schon die Tore für die kreativen Verkleidungskünstler. Dass die Animuc nach all den Jahren nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat, liegt mitunter auch an dem breit gefächerten Programm der Veranstalter. Auf dem einladenden Gelände windet man sich durch ein großes Angebot an Workshops, Schmink- und Haarstylingseminaren, so wie Nähkursen für originalgetreue Kostüme. Beim Blick auf die lange Schlange vor dem "Cosplay-Café" bemerkt man schnell, dass hier selbst ein Presseausweis keine Vorteile bei der Platzbeschaffung bringt. Also zieht man weiter und entdeckt im Klostergarten etliche Grüppchen, die in ihren aufwendig gestalteten Kostümen zum gemeinsamen "Bubbletea-Trinken" laden.

Überall auf dem Gelände sitzen kleine Gruppen von Besuchern zusammen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vom entspannten Treiben im Außenbereich geht es dann wieder in die alten Gemäuer des Klosters. Auf dem Dachboden der Tenne bieten Fachverkäufer für Animezubehör ihre Ware an. Von Spielkarten, Postern oder Buttons über originalverpackte Manga-DVDs aus den 2000er-Jahren bis hin zu Küchenzubehör im japanischen Zeichentrickstil ist wirklich alles zu haben. Sogar eine soziale Einrichtung ist mit einem Stand vertreten. CoHeKi e.V.(Cosplayer helfen Kindern) sammeln Spenden für die Vereine, Hilfe für krebskranke Kinder e.V. aus Frankfurt am Main und Frühstart ins Leben e.V., um benachteiligten Kinder unter die Arme zu greifen. Und auch der monetäre Aufwand spielt beim "Cosplay" eine beträchtliche Rolle.

Die Freundinnen Jenny (links) und Tessa genießen die Animuc in ihren eigens kreierten Kostümen. (Foto: Johannes Kiser)

Davon können auch Tessa und Jenny ein Liedchen singen. Die Freundinnen haben sich in der Nähe des Stadtsaals auf eine Bierbank gesetzt und philosophieren über ihre aufwendig und aus eigener Hand gefertigten Verkleidungen. Auf die Frage, wie viel denn so ein Kostüm eigentlich koste, antwortet Jenny: "Bis zu 600 Euro muss man für so ein selbst gefertigtes Gewand durchaus hinblättern. Schon alleine die Utensilien und Stoffe kosten oft ein kleines Vermögen". Als sie dann auch noch erzählt, aus dem fernen Nordrhein-Westfalen angereist zu sein, wird schnell klar, dass dieses Hobby nicht gerade zu den preiswerten gehört. Auch Tessa aus Rheinland-Pfalz hat die über 400 Kilometer lange Strecke auf sich genommen, um Teil der Animuc in Fürstenfeldbruck zu sein. Bis zu sechsmal im Jahr nehme sie sich die Zeit, um ihrem großen Hobby nachzugehen. Mit Anreise, Übernachtungen, Kostümierung und Verpflegung könne man hier schon mal gut und gerne 800 Euro ausgeben, erklärt die Pfälzerin.

Detailgetreue Kostüme aus dem Star-Wars-Universum gehören zu jeder guten Convention. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Ausmaß an Kreativität scheint an diesem Wochenende wirklich grenzenlos. Und während man sich nach einem langen Tag im Kloster dann doch irgendwann mal dem Ausgang nähert, läuft einem wie aus dem Nichts eine graue Gestalt mit würfelförmigen Helm und großen, runden, schwarzen Augen über den Weg.

Anthony aus Ebersberg verkleidet sich als "Mono" aus dem Computerspiel "Little Nightmares 2" (Foto: Johannes Kiser)

Für Anthony aus Ebersberg spielt an diesem Wochenende die Anreise keine große Rolle und auch der Preis für sein aus eigener Hand gebasteltes Kostüm hält sich in Grenzen. "In diesem Fall kostete mich die Verkleidung gerade mal 50 Euro. Das Ergebnis ist doch top geworden oder?", sagt er und verschwindet wieder unter seiner außergewöhnlichen und etwas beängstigenden Kopfbedeckung. Anthony verkörpert eine Figur namens "Mono" aus dem Computerspiel "Little Nightmares 2". Auf die Frage, ob dieses Hobby für ihn eine auch eine Art Flucht aus der Realität darstellt, antwortet er knapp: "Wollen wir nicht alle mal ganz gerne dem Alltag entfliehen?" Kurz darauf verabschiedet er sich und verschwindet wieder im großen und bunten Treiben der Animuc.

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