Lesenswert:Ein Buch zum Versinken

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"22 Bahnen" von Caroline Wahl, erschienen bei DuMont, 22 Euro. (Foto: Nicola Bräunling)

Mit geringen Erwartungen fährt unsere Kolumnistin Nicola Bräunling zu einer Branchenveranstaltung in Frankfurt. Doch dann wird sie von einer jungen Autorin in ihren Bann gezogen.

Kolumne von Nicola Bräunling

Vor einigen Wochen war ich auf einer Branchenveranstaltung in Frankfurt und ich bin mit wenig Erwartungen hingefahren. Weg vom Geschäft, viele unbekannte Menschen und anstrengende Vorträge. Entsprechend mäßig gelaunt saß ich im Zug und das vermeintlich schicke und teure Hotel, das seine beste Zeit bereits gesehen hatte, trug nicht zur Stimmungsaufhellung bei.

Aber kaum stand ich in der Eingangshalle, wurde ich von reizenden Buchhandlungs- und Verlagsmenschen begrüßt. Es gab ausreichend Kaffee, die Tagesordnung klang vielversprechend und alle Kolleginnen und Kollegen schienen offen, freundlich und interessiert. Kurz und gut - es wurden zwei besonders schöne Tage mit vielen neuen Erkenntnissen und meine Versammlungsabneigung ist deutlich geschrumpft.

Herausragend war das Engagement der anwesenden Verlage, die sich uns Buchhändlerinnen und Buchhändlern mit gehörigem Aufwand präsentierten. Es gab eine kleine Buchmesse, wir wurden mit Information aller Art versorgt und wir durften tolle Autorinnen kennenlernen, die nur für uns aus ihren neuen Büchern lasen.

Eine davon war Caroline Wahl, eine sehr sympathische junge Frau, die ihren Debütroman "22 Bahnen" vorstellte. Ich hatte von dem Buch gehört und wusste, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen begeistert waren, aber auf meinem Lesestapel lag es noch nicht. Was für ein Versäumnis! Wie ärgerlich wäre es gewesen, wenn ich es nicht entdeckt hätte. Allein für dieses Buch hat sich mein Frankfurt-Besuch gelohnt und auf der Rückreise bin ich vollkommen darin versunken.

Tilda studiert Mathe, lebt außerhalb der Stadt und kümmert sich mit großer Liebe um ihre zehnjährige Schwester Ida. Die Mutter ist Alkoholikerin und meistens keine Unterstützung. Im Gegenteil - es ist alles sehr bedrückend. Väter gibt es nicht. Tilda pendelt zwischen ihrem Job im Supermarkt, Idas Betreuung und Bespaßung und dem Studium. Halt gibt ihr ihr Schwimmritual, immer 22 Bahnen. Eines Tages taucht Viktor auf, der Bruder eines tödlich verunfallten Freundes. Zeitgleich bekommt Tilda ein Angebot für eine Doktorandenstelle in Berlin. Hin und hergerissen zwischen Allem, muss sie Entscheidungen treffen und ihren Weg finden.

Das Buch ist in einer für mich etwas neuen Sprache geschrieben. Sehr leicht und jung und ein bisschen hip, aber trotzdem nicht flapsig, nicht umgangssprachlich, sondern einfach nur gut. Sehr besonders sind auch die Charaktere. Ida, die kleine Schwester, ist auf ihre Art schräg, sehr selbstsicher und sehr schlau. Auch Tilda und Viktor sind außergewöhnliche Menschen. Caroline Wahl hat einen wunderbaren Blick auf die Gesellschaft und ihre Figuren. Zurecht steht "22 Bahnen" inzwischen auf den Bestsellerlisten und wurde mehrfach prämiert. Ich hoffe und gehe davon aus, dass wir noch viel von dieser großartigen Autorin hören und lesen werden.

Nicola Bräunling ist Inhaberin der Buchhandlung Bräunling in Puchheim. Regelmäßig stellt sie im Wechsel mit Katrin Schmidt und Helen Hoff von der Buchhandlung Lesezeichen in Germering ihr aktuelles Lieblingsbuch vor.

Der Laden von Nicola Bräunling ist als "Bayerns Buchhandlung des Jahres 2021" ausgezeichnet worden. (Foto: Leonhard Simon)
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