Fürstenfeldbruck:Zeitzeugin und Künstlerin

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Ein Jahrhundert mit Höhen und Tiefen: die agile Künstlerin Berta Silberhorn. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Malen ist ihre große Leidenschaft. Und warum sollte Berta Silberhorn damit aufhören, nur weil sie jetzt ihren 100. Geburtstag feiert?

Von Enna Kelch, Fürstenfeldbruck

"5819 Bilder habe ich gemalt" - eine respektable Bilanz, die da im Gemeinschaftsraum des Seniorenwohnens Buchenau gezogen wird. Und das an einem Tag, an dem es doch vor allem um Lebensjahre geht. Neben einem feierlich gedeckten Tisch steht eine zierliche, elegant gekleidete Frau, die sich herausgeputzt hat für ihren großen Tag. An der Wand hängen eine Leinwand und Fotografien von Gemälden, darüber ein Plakat mit der Aufschrift: "Silberhorn Berta, geboren 09.08.1923".

Berta Silberhorn nimmt die Glückwünsche vom Fürstenfeldbrucker Stadtrat Peter Glockzin (links) und Landratsstellvertreter Michael Schanderl entgegen (Foto: Carmen Voxbrunner)

An diesem Tag also feiert Berta Silberhorn ihren 100. Geburtstag. Trotz ihres hohen Alters sprüht sie vor Lebensenergie. Mit lauter Stimme und lebhafter Gestik erzählt sie stolz davon, was sie in ihrem Leben alles geschafft hat. Aber auch von der schweren Zeit während des Zweiten Weltkrieges. Stadtratsmitglied Peter Glockzin und Landratsstellvertreter Michael Schanderl hören ihr gebannt zu, bevor sie mit einem Glas Sekt auf den Geburtstag der Künstlerin anstoßen.

Schülerin von Oskar Kokoschka

"Betty Heberle" steht in geschwungener Schrift unter ihren Bildern. Berta Silberhorn, geborene Heberle, signiert ihre Kunstwerke auch heute noch mit ihrem Mädchennamen. Sie wird in der oberschlesischen Stadt Rybnik geboren und flüchtet 1961 nach Duisburg. "Als kleines Kind konnte mich meine Tante nur beruhigen, indem sie mit mir malte", erinnert sie sich. In der Schulzeit sei sie die Beste im Kunstunterricht gewesen. Aus ihrer Leidenschaft heraus beginnt sie ein Fernstudium an der Famous Artists School in Amsterdam. Später lernt sie als Schülerin Oskar Kokoschkas, des berühmten österreichischen Malers und Grafikers des Expressionismus'. In den Siebzigerjahren stellt sie ihre eigenen Bilder aus. In Paris, Florida und Biarritz. Heinrich Silberhorn, ihren zukünftigen Mann, lernt sie erst spät in Deutschland kennen. Als sie ihn 2004 heiratet, ist Berta Silberhorn bereits 81 Jahre alt. 2010 verstirbt ihr Mann in Fürstenfeldbruck.

An ihrem Geburtstag ruft sich die Deutsch-Polin die schwere Zeit direkt nach dem Krieg in Erinnerung. Vier Tage versteckt sie sich vor den russischen Truppen - aus Angst vor Vergewaltigung. Oberschlesien wird 1945 von der Roten Armee erobert. Unmittelbar nach Kriegsende wird es von der ebenfalls kommunistischen polnischen Verwaltung übernommen. Die zurückgebliebene Bevölkerung Oberschlesiens habe Diskriminierungen von Seiten des polnischen Staates erdulden müssen. Auf der Flucht habe sie heimlich Bilder gemalt. Diese verkauft sie, um über die Runden zu kommen.

Viele eigene Bilder hängen im Apartment von Berta Silberhorn an der Wand. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mit dem Malen habe sie nie aufgehört. Eines der Bilder an der Wand im Seniorenheim ist aus dem Jahr 2020. Es zeigt ein Mädchen mit langen braunen Haaren, strahlenden Augen und einem leichten Lächeln auf den Lippen.

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